Rainer Nikowitz: Sommertheater

Wahlkampf im Sommer ist eine schwere Übung. Da muss man sich schon etwas Besonderes einfallen lassen.

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Die Leute wollen ja schließlich die schönste Zeit des Jahres in vollen Zügen genießen, also in Ruhe im Stau Richtung Süden stehen. Sie ausgerechnet jetzt für Politik zu interessieren, ist eine knifflige Aufgabe. Und niemand, der das besser wüsste als Sebastian Kurz. Einer der unbestrittenen Höhepunkte seiner Kampagne wird sein Auftritt im steirischen Unzmarkt-Frauenburg Ende Juli. Dort wird die schönste Versuchung seit Erfindung der Mittelmeerroute von chronischen Krankheiten geplagte Mitbürger mittels Handauflegen von ihren Leiden befreien – die Rede ist hier unter anderem von Psoriasis, Lactose-Intoleranz, Islamismus und einer positiven Haltung zur Erbschaftssteuer. Von der Erweckung bereits Verstorbener wird dieses Mal allerdings noch abgesehen, da es für einen Eintrag in die Wählerevidenz ohnehin schon zu spät ist. Kurz will allerdings nicht ausschließen, dies dann als Kanzler nachzuholen – man müsse ihn halt nur dazu machen.

Das macht es Christian Kern natürlich nicht leicht, da mitzuhalten. Aber auch in seinem Kalender stehen einige Termine, die garantiert für Aufsehen sorgen werden. Hier wäre einmal die „Bis 52 ist genug!“-Tour zum Thema Pensionsgerechtigkeit zu nennen, die den Kanzler durch sämtliche Wiener Magistratsabteilungen führen wird. Aber damit nicht genug: Demnächst will Kern die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrem Urlaubsort in Südtirol besuchen und sich von ihr als der Kandidat präsentieren lassen, dem die CDU vertraut. Anschließend steht ein kurzer Abstecher zum Brenner auf dem Programm. Dort wird Kern zuerst gemeinsam mit Hans Peter Doskozil streng Richtung Süden schauen und anschließend eine symbolische Straßensperre mit der orangen Hälfte eines Twinni vornehmen.

HC Straches Problem heißt ja auch Sebastian Kurz, weil sich der viele FPÖ-Forderungen zu eigen gemacht hat und damit leider mehr punktet als das Original. Vielleicht, weil er im Gegensatz zu diesem auch noch unter Verdacht steht, mit Messer und Gabel essen zu können. Strache muss also unbedingt noch staatstragender werden, als es seine Brille jetzt schon verspricht. Folgerichtig wird er versuchen, in Salzburg Ferdinand von Schirach vom Podest zu schubsen und statt ihm die Eröffnungsrede der Festspiele zu halten. Außerdem wird er alles daran setzen, einmal in einem Tweet von Donald Trump namentlich erwähnt zu werden. Da er Melania vor Jahren in einer Diskothek auf Ibiza kennengelernt hat, hat er auch schon einen Plan, wie das funktionieren könnte. („The First Lady and this Strache guy? So sad!“)

Bei den Grünen überlegt man, jetzt vielleicht doch wieder das Erfolgsrezept des Van-der-Bellen-Wahlkampfs auszugraben, also so weit wie möglich unsichtbar zu bleiben.

Bei den Grünen überlegt man, jetzt vielleicht doch wieder das Erfolgsrezept des Van-der-Bellen-Wahlkampfs auszugraben, also so weit wie möglich unsichtbar zu bleiben. Untersuchungen haben nämlich ergeben, dass die generelle Bereitschaft, grün zu wählen, umso größer ist, je weniger man von den Grünen hört. Und in den vergangenen Wochen hat man doch einiges von ihnen gehört. Ein großer Coup wäre allerdings doch noch möglich: In Teilen der Basis soll es Bestrebungen geben, bei den diversen anstehenden TV-Konfrontationen völlig neue Wege zu beschreiten und statt Ulrike Lunacek Asylwerber hinzuschicken, die nicht Deutsch können – also den so erfolgreichen internen Vorwahlmodus noch auszudehnen. Es könnte zwar leicht befremdlich wirken, wenn die nichts sagen und nur bei bestimmten Stichworten die Hand heben – aber wir reden hier ja von den Grünen, also: auch schon wurscht.

Sollten die Grünen tatsächlich auf Wahlkampfauftritte verzichten, bringt dies Peter Pilz ein wenig in Zugzwang, weil der doch vorhatte, seine eigene Kampagne weitgehend von der alten Partei bestreiten zu lassen. Wenn aus seiner Hoffnung, mit jeder grünen Wortmeldung wieder einen halben Prozentpunkt an Stimmen einzusammeln, doch nichts wird, hat er natürlich noch andere Pfeile im Köcher. So plant er etwa, in einer streng geheimen, also vorher nur an alle Medien geleakten Nacht- und Nebel­aktion am Fliegerhorst Zeltweg einem Eurofighter einen Patschen zu stechen und begleitet von Richard Schmitt und Michael Jeannée auf der Wiener Mariahilfer Straße einen Salafisten am Bart zu ziehen.

Matthias Strolz und Irmgard Griss planen eine gemeinsame Road-Show mit Auftritten in diversen Fußgänger­zonen – im Idealfall zwischen Publikumsmagneten wie Breakdancern und Feuerschluckern. Der Masterplan dahinter – der wie bei NEOS üblich zumindest auf dem Papier gut aussieht – besagt, dass sich die Leute vielleicht denken, es zahle sich nicht aus, zwischendurch wegzugehen. Strolz will bei diesen Auftritten zwei, drei Udo-Jürgens-Hits singen, und Griss macht mit den Passanten ein launiges Paragrafen-Quiz („Jetzt kommen Sie schon! Fahrlässige Körperverletzung unter besonders gefährlichen Umständen – zu Hause könnten Sie mir das wahrscheinlich im Schlaf sagen!“). Für die Entlastung des Wahlkampfbudgets sorgt dabei Sepp Schellhorns breitkrempiger Hut.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort