Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Swappler

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Helmut Hinterhuber war in der Landesregierung der Mann, dem im internationalen Finanzbusiness kein Wall-Street-Wappler und kein Hedgefonds-Hai ein X für ein U vormachen konnten. Seit er bei seinen umfangreichen Internetrecherchen auf die Seiten www.gigaswaps.tv und www.profitraketen.com gestoßen war und sich dadurch zu den letzten Geheimnissen des internationalen Finanzjonglierens vorgearbeitet hatte, hörten ihm die Leute bei Kreisverkehrsspatenstichen oder Freibaderöffnungsfeiern gleich viel aufmerksamer zu.

Auch die kleine Anekdote, die er zwischen seinen fundierten Erklärungen von der Fremdwährungshausse und der Schweinebauchbaisse gerne einstreute, kam immer ausnehmend gut an. Und sie stimmte ja wirklich: Er hatte tatsächlich damals im Web eigentlich das Fernsehprogramm für die nächsten Ostern gesucht und war dabei von den verwirrenden Google-Ergebnissen für den Suchbegriff „TV“ quasi in ­einer Art göttlicher Fügung bei den ersten Schritten auf dem Weg zum Finanzgenie an der Hand genommen worden.

Manchmal, wenn er vor dem Einschlafen zufrieden noch einmal die Deals des Tages rekapitulierte, konnte er es fast nicht glauben, dass ausgerechnet er das Privileg hatte, seinen Talenten so ungeheuer freien Lauf lassen zu können. Und zum unbändigen Entzücken der Allgemeinheit durfte er dies noch dazu mit Geld tun, das ihm nicht gehörte!

Zu Hause hätte er da ja auch zwischen dem erst in zwölf Jahren zur Gänze ausbezahlten Bausparer und den im Garten vergrabenen Gold-Philharmonikern nicht so viel Spielraum gehabt, wie man ihn für eine vernünftige Spekulation nun einmal brauchte. Da musste man sich schon rühren können. Und der Unterschied zwischen 24.000 Euro von ihm und 100 Millionen von den anderen, die man in eritreische Staatsanleihen und gegen den paraguayischen Guarani investierte, war, wenn man das Ganze dann auch noch fachmännisch hebelzertifikatete, schließlich und endlich ganz genau … viel.

Das verstand halt nur nicht jeder. Hinterhuber zum Glück schon, und darum hatte er heute auch wieder einmal einen Termin beim Chef. Um ihm die Finanzwelt zu erklären, was denn auch sonst.

An sich hatte er im Prinzip auch nichts dagegen, sich ­selber hörte er mit großem Abstand ohnehin am liebsten reden. Es war allerdings zugegeben ein wenig mühsam, immer bei Pontius und Pilatus beginnen zu müssen. Darüber war Hinterhuber persönlich schließlich schon so weit hinaus, dass er manchmal Schwierigkeiten hatte, dieses kleine Einmaleins in auch für den Chef verständliche Worte zu kleiden.

Hinterhuber saß also im Vorzimmer der Macht, gegenüber einer ständig entrückt lächelnden Sekretärin, und wusste jetzt schon ganz genau, wie der Chef anfangen würde. Das war jedes Jahr dasselbe. Er würde sagen: „Nachdem die im Prinzip natürlich schon sehr wünschenswerte ausgabenseitige Sanierung unseres Budgets doch den nicht zu leugnenden Nachteil hat, dass wir dann weniger ausgeben können – wie schauert es denn mit mehr Einnahmen aus?“

Dann schlug Hinterhubers Stunde. Einer jener raren Momente, in denen es sich immer noch lohnte, Spitzenpolitiker geworden zu sein. „Weißt du, Chef“, sagte er dann zum Chef, „es ist so. Island wird heuer abheben, als würden dort oben sämtliche Vulkane auf einmal ausbrechen, auf dem Anleihenmarkt sollte man weiters in Portugal mehr als nur einen Fuß in der Tür haben, und was den Teil der usbekischen Petroindustrie betrifft, der nicht einem ­Oligarchen gehört, kann ich nur sagen: Wham! Bang! Boum!“
Dann würde der Chef große Augen bekommen, ein wenig Speichel der Vorfreude würde sich aus einem seiner Mundwinkel lösen und gleich neben der Krawatte auf dem Hemd landen. Und in diesem Moment würde ihm Hinterhuber mit einem wohl platzierten: „Und da rede ich noch gar nicht von den angolanischen Blutdiamanten!“ den Rest geben und ihm gerade noch so viel Luft lassen, wie er für seine letzte Frage, die er gleich in begreiflicher Gemütserregung kehlig herausröcheln würde, benötigte: „Wie viel?“

Dann würde Hinterhuber ausgiebig seine Fingernägel am Revers polieren, schließlich gelangweilt aufschauen und sagen: „300 Mille. Garantiert. Ab-so-lut idiotensicher!“
Anschließend plante Hinterhuber auch noch formlos darauf hinzuweisen, dass er das Goldene Ehrenzeichen immer noch nicht bekommen hatte. Nicht, dass ihm so unendlich viel daran gelegen wäre. In Wirklichkeit genügte es ihm ja eh, einfach nur Gutes zu tun für die Menschen, die ihm so sehr vertrauten, dass sie ihm völlig freiwillig ihr Steuergeld zur Verfügung stellten. Aber so ab und zu eine kleine Anerkennung war ja trotzdem ganz nett.

„Er hat jetzt Zeit für Sie“, sagte die Sekretärin und wies mit dem Kopf zur Tür des Chefbüros. Hinterhuber erhob sich. Und er wusste: Gleich würde ihm der Platz in der Landesgeschichte nicht mehr zu nehmen sein.

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Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort