Rainer Nikowitz
Satire

Rainer Nikowitz: Vermittler

Eine gewisse Kriegsmüdigkeit scheint sich im Westen breitzumachen. Zeit, einmal Tacheles zu reden!

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profil: Es reicht jetzt, Putin. Ergeben Sie sich endlich! 
Putin: Wem? Den Ukrainern?
profil: Das muss gar nicht einmal unbedingt sein. Da sind wir nicht so, da lassen wir Sie das Gesicht wahren. Irgendwie muss man ja nachher auch weitermachen, mit einem vernünftigen Gaspreis und allem. Nein, offiziell nennen wir das Ganze einfach Waffenstillstand. 

Putin: Das ist reizend.
profil: Aber de facto ergeben Sie sich natürlich. Denn alles andere wäre ja gefährlich für unsere Werte. Die müssen siegen, sonst sind wir alle geliefert. 

Putin: Ich weiß aber immer noch nicht, wem genau ich mich ergeben soll.  
profil: Na, eben jenen überlegenen Werten und der geballten Wirtschaftsmacht des Westens.
Putin: Geballte Wirtschaftsmacht? Gut, mal sehen. Wie viel Inflation habt ihr gerade? 7,7 Prozent? Das ganze Land stöhnt, ihr müsst schon das dritte Hilfspaket schnüren, damit eure Bevölkerung nicht verarmt. Die Sanktionen wirken, alle Achtung! 

profil: Vor leeren Regalen wie in Moskau müssen sich unsere Bürger aber wenigstens nicht fürchten. 
Putin: Aber meine Bürger sind nicht so verwöhnt. Und meine müssen auch nicht, wenn die Zeiten schlechter werden, nach einem starken Mann rufen – wie es eure bald wieder tun werden. Denn Sie haben ja zum Glück schon einen! 
profil: Das würde Ihnen so passen!

Putin: Kickl lernt angeblich schon Russisch. 
profil: Äh …, also gut. Vergessen Sie das mit der geballten Wirtschaftsmacht. Dann kapitulieren Sie eben nur vor unseren überlegenen Werten. Sie werden die Demokratie nämlich nicht besiegen. Und die NATO auch nicht.
Putin: Meinen Sie die NATO, die schon bald wieder am Nasenring eines bösartigen Rodeo-Clowns hängen wird? Und ihr Europäer geht Donald Trump dermaßen auf die Nerven – der wird froh sein, wenn ich mich um euch kümmere. 

profil: Trump wird gerade vom Kongressausschuss nachgewiesen, dass er schuld an der Erstürmung des Kapitols war und seine andauernde Leier von der gestohlenen Wahl eine haltlose Lüge. 
Putin: Und hindert ihn das vielleicht daran, noch einmal Präsident zu werden? Im Gegenteil! Er wird die nächste Wahl mit genau dieser Lüge gewinnen. Und diesmal wird er nicht einmal mehr mich und meine Trollarmee dazu brauchen. Was genau sagt uns das noch mal über die überlegenen Werte des Westens?

profil: Europa ist da anders! 
Putin: Ja. Genau. Baut Erdoğan eigentlich schon Stacheldrahtzäune für eure europäischen Werte? Oder legen die Libyer in der Wüste Minen? Denn wenn bald halb Nordafrika Hunger hat, weil die Logistik für Weizenlieferungen aus der Ukraine gerade etwas schwierig ist – wohin werden sich dann ein paar Millionen Menschen auf den Weg machen? Eher nicht nach Nowosibirsk. 

profil: Wissen Sie was? Irgendwie haben wir beide vielleicht ein wenig auf dem falschen Fuß angefangen. Denn ich habe eigentlich nicht vor, mir meinen unverbrüchlichen westlichen Mittelklasse-Optimismus von Ihnen kaputtmachen zu lassen. 
Putin: Worauf gründet der sich denn? 
profil: Das frag ich mich auch langsam. 

Putin: Sagen Sie, wer spricht da überhaupt? Und woher haben Sie diese Nummer?
profil: Die hab ich von der Schwägerin von einem Cobra-Beamten. Der wiederum die heimliche Pressesprecherin des Bundeskanzlers ganz gut kennt. 
Putin: Und dann rufen Sie einfach an?
profil: Als Vermittler halt, ja. Ich hab mir dasselbe gedacht wie der Nehammer: Hilft’s nix, schad’s nix. So sind wir Österreicher nun einmal. 

Putin: Vor allem, wenn ihr ein wenig nervös seid wegen dieser neuerdings doch leider ziemlich wartungsbedürftigen Gasleitungen nach Deutschland oder Frankreich. Man will sich gar nicht vorstellen, Österreich hätte auf einmal solche Leitungsprobleme.
profil: Leitungsprobleme kennen wir gar nicht. Weder bei Gas noch beim Staat. 
Putin: Wenn ich schon dabei bin: Kann ich Sie noch mit irgendetwas deprimieren? Wir haben noch nicht über den Klimawandel gesprochen. Ich habe neulich ein Mammut gesehen, das aus dem Permafrost in Sibirien aufgetaut ist. Erschreckend! 

profil: Haben Sie nichts Besseres zu tun?
Putin: Manchmal wird einem die Zeit im Bunker schon ein bisschen lang. Die Frontberichte mit den täglichen Fortschritten im Donbass sind ähnlich aufregend wie eine Folge von „Reich und Schön“.

profil: „Reich und Schön“ hab ich nie angeschaut.
Putin: Und ich nie Frontberichte.

profil: Auch irgendwie beruhigend.
Putin: Aber irgendwie auch schon egal, oder?

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort