Rainer Nikowitz: Winning ugly

Hat die FPÖ mit ihrer erfolgreichen Anfechtung erreicht, dass Wahlen in Zukunft formaljuristisch korrekter ablaufen werden? Ja. Und war das auch ihr Ziel? Nicht eine Sekunde.

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HC Strache bejubelt auf seiner Facebook-Site unmittelbar nach Bekanntgabe des VfGH-Urteils seinen Triumph. So weit, so erwartbar. Ebenso wie dieser Kommentar darunter – einer, der stellvertretend für Tausende andere steht: „Jetzt kann man mit Gewissheit sagen, die Linken haben wie befürchtet bei der Wahl betrogen! Jetzt muss die Gerechtigkeit siegen, die Österreicher haben am Wahltag Norbert Hofer zum Präsidenten gewählt, doch die linke undemokratische Reichshälfte wollte das nicht hinnehmen! Nun sollen SpVpGrüne für die Kosten aufkommen! Zeigt ihnen am Wahltag, was ihr von ihnen haltet – Wahltag ist Zahltag!“

Nun stelle man sich kurz vor, es wäre umgekehrt gewesen. Nicht Alexander Van der Bellen hätte mit 30.000 Stimmen Vorsprung gewonnen, sondern Norbert Hofer. Und dann hätten die Grünen die Wahl angefochten – und wären damit durchgekommen. Da hätte besagtes Posting natürlich ganz anders geklungen: „Jetzt kann man mit Gewissheit sagen, die Linken haben wie befürchtet bei der Wahl betrogen! Jetzt muss die Gerechtigkeit siegen, die Österreicher haben am Wahltag Norbert Hofer zum Präsidenten gewählt, doch die linke undemokratische Reichshälfte wollte das nicht hinnehmen! Nun sollen SpVpGrüne für die Kosten aufkommen! Zeigt ihnen am Wahltag, was ihr von ihnen haltet – Wahltag ist Zahltag!"

Demokratie ist für den blauen Hardcore-Fan, wenn der eigene Kandidat gewinnt. Wenn nicht, dann haben die anderen betrogen. Für das kleine Detail, dass der Verfassungsgerichtshof keinerlei tatsächliche Manipulation festgestellt hat, das Wahlergebnis an sich also trotz der diversen zu frühen oder sonst nicht gesetzeskonformen Auszählungen völlig korrekt ist, interessiert man sich im Hofer-Lager nicht über Gebühr. Und die FPÖ wird den Teufel tun, diese Nebensächlichkeit in weiterer Folge auch nur irgendwie zu erwähnen. Denn wichtig ist einzig der Subtext. Und der lautet: Wir haben es doch gleich gewusst! Betrug!!!

Norbert Hofers erste Stellungnahme zum Urteil lautete denn auch folgerichtig: Es seien erhebliche Verfehlungen passiert, die „Raum für Manipulationen gegeben haben“. Da war es, das wichtige Wort. Das Narrativ ist also somit auch von quasi höchster Stelle festgelegt, der Wahlkampf für die nunmehr dritte Runde hat sein Thema. Zum Glück kommt es wieder aus dem randvoll mit Opfertran gefüllten Pool, aus dem sich die Blauen ohnehin am liebsten laben: Alle mit allen Mitteln gegen uns, ausgegrenzt, aber ungebrochen.

Demokratie ist für den blauen Hardcore-Fan, wenn der eigene Kandidat gewinnt.

Man wird sich ob seines Einsatzes für eine wirklich faire, funktionierende Demokratie selbst überschwänglich loben – obwohl das Motiv für die Anfechtung damit nun wirklich überhaupt nichts zu tun hat. Alle Schlampereien, die dem VfGH Grund gaben, die Wahl aufzuheben, passierten in dieser oder ähnlicher Form wohl bei jeder Wahl in den vergangenen zehn Jahren. Das macht sie zwar nicht besser, aber immerhin sah bisher niemand darin einen Grund für eine Anfechtung. Und schon gar niemand, der bei Sinnen ist, begann sofort, flächendeckend bösartiges Manipulationsgeraune zu verbreiten. Weil es nämlich schlicht eine Lüge gewesen wäre.

Aber nicht einmal daran stößt sich die FPÖ mehr. Hinter einem sperrigen Spruch des honorigen Verfassungsgerichtes, dessen Wortlaut und Details eh niemanden interessieren, kann man natürlich bequem seine dreckigen Absichten verstecken. Dreckig bleiben sie aber allemal. An dieser Anfechtung ist nichts auch nur in irgendeiner Form hehr oder demokratiefördernd. FPÖ-Verwandte im Geiste, wie Viktor Orban oder Jaroslaw Kaczynski hatten nach ihrer Machtergreifung nichts Dringenderes zu tun, als eben jene Demokratie scheibchenweise zu demontieren. Die FPÖ wartet damit erst gar nicht bis zur Machtergreifung, sondern fängt sicherheitshalber gleich jetzt an.

Einige Kommentatoren meinen, die Wahlwiederholung sei schon allein deshalb richtig, weil ansonsten der Manipulationsvorwurf – den ausschließlich die FPÖ erhoben und der sich nicht erhärtet hat – immer weiterschwelen würde. In Kenntnis des blauen Biotops ist das kein Argument. Die Wahlwiederholung ist zwar zweifellos rechtens, der Verfassungsgerichtshof weiß ja wohl, was er tut. Aber mitunter gibt es eben leider einen Unterschied zwischen rechtens und richtig. Wenn Van der Bellen bei der Wiederholung wieder gewinnen sollte, werden sich im von Linken, Lügenpresse, Bilderbergern, Freimaurern, Ostküste, Schwulenlobby und Außerirdischen permanent in seiner persönlichen Entwicklung hin zu Reichtum und irgendeiner Wichtigkeit behinderten Spektrum der Gesellschaft genügend neue Gründe finden, warum das wieder nicht stimmen kann. Es würde sich also genau nichts ändern.

Gewinnt hingegen Norbert Hofer, so hat er ohnehin klargemacht, dass wir uns noch wundern werden, wenn die FPÖ etwas zu reden hat. Und wie sehr wir uns wundern werden, war noch nie so klar wie nach dieser Wahlanfechtung.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort