Satire

Rinkslechts!

Wir schreiben das Jahr 2024. Die Sozialdemokratie widmet sich knapp vor der Nationalratswahl inbrünstig dem Kampf gegen ihren schlimmsten Feind.

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Das unaufhaltsame Herannahen des Wahltags bringt es ja zu einem gewissen Grad immer mit sich, dass die Bandagen härter werden. Aber an eine dermaßen hart geführte Auseinandersetzung wie vor dieser Nationalratswahl können sich selbst langgediente Politbeobachter nicht erinnern. Denn es gilt ja auch dieses Mal eine Entscheidung von ungeheurer Tragweite zu treffen, eine, die noch lange nachhallen wird.  Auch war die Ausgangslage noch nie dermaßen knapp und das Rennen dermaßen zum Nägelbeißen spannend. Natürlich nicht, was den Sieger betrifft, dieses Rennen ist entschieden. Ebenso besteht kein Zweifel daran, wer Zweiter wird. Aber die wirklich allerwichtigste Frage, die vor dieser Schicksalswahl ja hoffentlich alle Menschen gleichermaßen bewegt, ist zweifellos: Welcher der antretenden SPÖs wird es gelingen, die anderen hinter SPÖs sich zu lassen?

Die Datenlage ist uneinheitlich, es lässt sich keine klare Tendenz ermitteln, ja nicht einmal, um welchen Platz der rote Sieger in der nebenher laufenden Gesamtwertung aller Parteien rittert – an der sämtliche SPÖs aber ohnehin nur außer Konkurrenz teilnehmen. Platz vier? Fünf? Sieben? Bei Umfragen tut sich immer wieder das Problem von gröberen Fehlschlüssen auf, die schlicht dadurch passieren, dass manche Wähler die verschiedenen SPÖs leider verwechseln. Und das trotz der scharfen Abgrenzungsstrategie, die ausnahmslos alle SPÖs gegen alle anderen gefahren sind – bei den vielen sonstigen gravierenden Unterschieden ja auch kein Wunder. Vor allem die No-Border-Fraktion kam kaum nach mit dem Ziehen von Grenzen.

Jüngst musste denn auch ein prominenter Kandidat der Echten SPÖ im Wahlkreis Innen-West seinen Listenplatz wieder zur Verfügung stellen, weil er mittels versteckter Kamera dabei ertappt wurde, wie er eine Koalition mit der Neuen SPÖ nicht kategorisch ausschloss. Der Skandal war perfekt, gilt doch die Verhinderung eines verheerenden Rechtsrucks als das zentrale Wahlziel der Echten SPÖ. Auf der anderen Seite gab es bei der Neuen SPÖ handfeste Gerüchte um Dirty Campaigning. Bei der Suche nach den Urhebern des mittels KI generierten Andi Babler-Klons, der Frisur und Stimme von Angela Merkel hat und sagt: „Wir schaffen das“, verliert sich die Spur irgendwo zwischen Kohfidisch und Apetlon.

Das wird ein spannender Dreikampf bei der NR-Wahl 2024: die Neue SPÖ gegen die Alte SPÖ gegen die Echte SPÖ.

Dennoch scheint es in Teilen des Elektorats immer noch Unsicherheiten bezüglich des roten Who’s Who zu geben. Sämtliche SPÖs führen dies im Übrigen – auch diesbezüglich gibt es eine rare Gemeinsamkeit – auf die unsoziale Politik der noch amtierenden Bundesregierung zurück, die den Menschen keine Zeit lässt, sich neben  den Zumutungen des Alltags auch noch mit den wirklich wichtigen Dingen befassen zu können.
Seit man in der SPÖ, wie wir sie früher kannten, nach ihrer einmal eindrucksvoll getroffenen Richtungsentscheidung endlich begonnen hatte, mit aller Kraft gemeinsam an einem Strang zu ziehen – und sei es in verschiedener Richtung –, hatten sich die Dinge in puncto Verhinderung von Blau-Schwarz nachgerade prächtig entwickelt. Für Blau-Schwarz. Aber das war ja sekundär, Hauptsache, die Neue SPÖ, also die SPÖ des Ödlands abseits der Innenstädte, zeigte der Echten SPÖ, die von ihrem zuerst angedachten Namen „Sozialmediademokratische Partei Österreichs“ wieder abgekommen war, was eine Harke ist. Und die Echte der Neuen im Gegenzug, was eine Parteispaltung ist. Die Alte SPÖ stand eine Zeit lang verdutzt daneben und wusste nicht recht, wie ihr geschah. Also wie eh immer. Aber dann beschloss sie, auch selbst anzutreten – weil’s schon wurscht war. Dem Vernehmen nach, um damit eine weitere Aufspaltung in die Mächtige SPÖ (im Wesentlichen die Wiener SPÖ nach dem Vorbild der Bayerischen CSU), die Ohnmächtige SPÖ (früher SPÖ-Frauen) und die Graue SPÖ (Pensionisten) zu vermeiden.

Vertretern der Neuen SPÖ ist es nun ein Dorn im Auge, dass die Alte SPÖ aufgrund ihres alphabetischen Vorteils auf dem Stimmzettel weiter oben steht. Das sei nicht korrekt, schließlich habe man einst gewonnen und sei somit die richtige SPÖ. Das wiederum kann die Echte SPÖ natürlich nicht so im Raum stehen lassen. Wenn irgendetwas richtig sei, dann ja wohl das Echte. Und abgesehen davon sei man mit der Reihung auch nicht glücklich, es sollte zählen, wer als Erster die Idee gehabt habe – und das sei ja wohl Marx gewesen, also praktisch sie.

Es ist nicht anzunehmen, dass in diesem neuen Konflikt das letzte Wort schon gewechselt ist. Vor allem, wenn man bedenkt, dass sich bislang weder die Arbeiterfischereiverbands-SPÖ, die Kleingärtner-SPÖ, die Kanalräumer-SPÖ, die Noch-revolutionärere SPÖ, die Grüne und die Violette SPÖ noch die Himmelschreiende SPÖ oder die Einfach voll krasse SPÖ dazu geäußert hat. Es bleibt also weiter spannend.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort