Kolumne

Untertanengeist

Ist es eine schwere Sünde, junge Erben wegen Ressourcenvergeudung zu kritisieren?

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Übergroßer Reichtum ist das eine. Wie er dargestellt und wie darauf reagiert wird, ein zweites. Da haben wir diesen jungen Milliardenerben, der, so weit bekannt, noch niemandem etwas Böses getan hat, aber auch nix Gutes, und einfach das Glück hat, als Sohn eines überaus geschäftstüchtigen Mannes sowie in einem Land geboren worden zu sein, das die Vermögen- und die Erbschaftsteuer abgeschafft hat. Und weiters haben wir da diese Erbin aus dem glamourösen Jetset-Clan, die mit dem jungen Erben in ein neues Glück startet, nachdem sie sich von ihrem bisherigen Ehemann getrennt hat. Ein Stoff, aus dem Boulevardromanzen sind. Und prompt berichtet eine Gratiszeitung (deren Chefredakteur in Fernsehdiskussionen und mit einem eigenen Newsletter als feinsinniger Intellektueller brilliert, während er bis Ende September ein reißerisches Schundblatt verantwortet – eine Doppelrolle, die mich immer wieder fasziniert) in devotem Ton über die „Liebesreise“ des jungen Paares per Privatjet und Luxusjacht sowie darüber, dass dieses unschuldige Honeymoonvergnügen eine üble Neiddebatte ausgelöst habe. Oder nein, von Debatte schreibt das Blatt eigentlich nix, es schreibt vielmehr von einem Shitstorm, den sich die SPÖ-Abgeordnete Julia Herr wegen ihrer missgünstigen Kritik an diesem zauberhaften Geschenk von Erben zu Erbin eingehandelt habe, und es liest sich, als stehe die ganz persönliche Missgunst von Frau Herr außer Zweifel und die Berechtigung des Shitstorms ebenfalls.

Die NR-Abgeordnete hatte, wir wissen es inzwischen, per Social Media auf den CO2-Ausstoß von Privatjets und Luxusjachten verwiesen und dazu geschrieben: „Nix für ungut (…), aber wegen der Millionärssteuer warads“.

Der Untertanengeist hat nichts übrig für die Untertanen.

Diese unerhörte Kritik wurde in der Folge nicht nur vom Boulevard, sondern auch von Politiker:innen der anderen Parteien und in den sozialen Medien wie eine Majestätsbeleidigung zitiert. Die Gratiszeitung führte als erschwerend für die Taktlosigkeit an, dass der junge Erbe seinen Vater verloren habe (ein zweifellos trauriger Umstand, wenngleich halt die Voraussetzung fürs Erben) und dass die Braut, um zur solchen zu werden, die seelische Strapaze einer Scheidung durchlaufen müsse. Diese Gleichsetzung von Vaterverlust und einem mutmaßlich von der Braut initiierten Ehemannverlust mag verwunderlich erscheinen, aber andererseits wissen wir ja, dass in der boulevardesken Welt alle Mitleidsglocken anschlagen, wenn Prinzessinnen eine Erbse drückt.

Insgesamt jedenfalls große Empörung. Was mich daran wirklich, wirklich erschreckt, ist der Untertanengeist, der mich aus den Wortmeldungen anwehte. Man mag ja Millionärssteuern ablehnen und Luxusreisen gut finden, aber die Vehemenz, mit der da auf einmal jede Kritik an den Privilegien der Privilegierten zur schweren Sünde erklärt wurde, war verblüffend.

Der junge Erbe mutierte zum Goldenen Kalb, und es nicht anzubeten grenzte, so schien es, an Hochverrat, Staatsgefährdung und stalinistische Umsturzpläne. Alle Verdienste seines Vaters (der als Wirtschaftstreibender und Mäzen in mancher Hinsicht berechtigten Respekt genoss) wurden eins zu eins auf ihn übertragen, so als seien durch die heilige Salbung des Erbens die Meriten des erfolgreichen Unternehmers auf ihn übergegangen.

Klar, das Einschleimen bei denen „da oben“ hat eine lange Tradition, aber irgendwie habe ich vermutet, dass der Feudalismus vorbei sei und das Buckeln und Kriechen vor den Herrschaften auf der Butterseite abgenommen hätte in den letzten Jahrzehnten. War anscheinend ein Irrtum.

Die servile Idiotie ist übrigens keine österreichische Besonderheit. Auch in Britannien stricken arme Rentnerinnen Jackerl für Prinz George statt für die Kinder der ebenfalls armen Nachbarn. Der Untertanengeist hat nichts übrig für die Untertanen.

Neiddebatte! Das ist der verlässliche Reflex auf jeden Diskurs über (un)gerechte Verhältnisse. Was für eine Wortverdrehung.

Laut Wikipedia bezeichnet der Neid „eine Empfindung, bei der die neidende Person über die Güter einer anderen Person selbst verfügen möchte oder ihr diese nicht gönnt“. Möchte man eine Luxusjacht besitzen, wenn man deren

CO2-Ausstoß kritisiert? Und ist man moralisch verpflichtet, reichen Verschwendern das Verprassen von unser aller Ressourcen zu „gönnen“?

Im Ranking der sieben Haupt- oder Todsünden, die das Christentum kennt, steht der Neid nach Stolz und Habsucht an dritter Stelle. Diese religiöse Konnotation verdirbt jede Gerechtigkeitsdebatte. Ungleichheit ist Gottes Wille, und sich dagegen aufzulehnen heißt, sich aufzulehnen gegen Gott! So haben es die Pfarrer durch Jahrhunderte von den Kanzeln gepredigt, und bis heute glauben das nicht nur die Besitzenden, sondern anscheinend auch die Besitzlosen in großer Zahl.

Dabei ist es legitim (vermutlich auch in Gottes Augen, so es einen Gott gibt), sich das gute Leben zu wünschen, das andere offensichtlich ganz selbstverständlich führen. Man träumt nicht von einer Jacht, wenn man sich schlaflos im Bett wälzt, weil man nicht weiß, wie man die nächste Heizungsrechnung stemmen soll, sondern davon, einfach sorglos träumen zu können. Das sollte doch verständlich sein.