Pressefreiheit

Warum die Slowakei das neue Ungarn wird

Robert Fico hat das Attentat überlebt. Jetzt will seine Regierung die Pressefreiheit zu Grabe tragen.

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35 Jahre, nachdem der Zerfall der Sowjetunion begann, ist in der Slowakei ein russlandfreundlicher Linkspopulist an der Macht, der die Presse drangsaliert. Er bezeichnet Journalistinnen und Journalisten als „dreckige Huren“ und „idiotische Hyänen“. Das gilt selbstverständlich nur für jene, die über Korruptionsaffären in seinem Umfeld berichten.

So spricht Robert Fico, jener Ministerpräsident, der seit Herbst im Amt ist, und das bereits zum vierten Mal in seiner Laufbahn. Er hat am 15. Mai nur knapp ein Schussattentat überlebt, verübt von einem 71-jährigen Slowaken. Die Schüsse waren eine feige Tat, die Europa schockiert und Fico – über die Landesgrenzen hinweg – Solidaritätsbekundungen eingebracht hat. Zu Recht. In einer Demokratie gilt: Wer Regierungschefs loswerden will, der schießt nicht auf sie, sondern wählt sie ab.

Fico soll sich im Krankenhaus, aber außer Lebensgefahr befinden. Seine Regierung scheint aber wieder zur Tagesordnung überzugehen. Anstatt die Gräben in dem zutiefst polarisierten Land zuzuschütten, pflegt sie ein altes Feindbild: die Presse.

Anstatt die Gräben zuzuschütten, pflegen sie ein altes Feindbild: Die Presse. 

Bis zur Sommerpause will Ficos Dreiparteien-Koalition ein Mediengesetz durch das Parlament bringen. Dort hat die Regierung eine Mehrheit. Diese Woche kam ein neuer Vorschlag dazu, eingebracht von der SNS, dem Juniorpartner in Ficos Regierung.

In Zukunft sollen Medien für falsche oder nicht vollständige Aussagen sanktioniert werden können und diese korrigieren. So what, könnte man da fragen? Dies ist im Pressekodex einer jeden seriösen Redaktion verankert. Medien unterliegen einer Pflicht, sich keine Lügen auszudenken oder mittels wahrheitswidriger Behauptungen den Ruf von Personen zu schädigen. Die Vermutung liegt also nahe, dass man mit dem Gesetz in Zukunft unliebsame Berichte tilgen wird.

Der zweite Vorschlag ist nicht minder schwammig. Anfragen an Behörden sollen aufwendiger werden und in gewissen Fällen sogar Geld kosten. Das entlaste die Bürokratie, so die Regierung. Das wiederum klingt stark nach einem Vorwand. In Wahrheit dürfte das Gesetz darauf abzielen, das Recht auf Informationsbeschaffung weiter auszuhöhlen.

So ein Gesetz würde das Recht auf Informationsbeschaffung weiter aushöhlen. 

Fico hat, lange vor dem Attentat, damit begonnen, indem er Ministerien anwies, kritischen Medien keine Interviews zu geben.

Sein Hauptziel: der öffentlich-rechtliche Rundfunk RTVS. Er beschimpfte ihn als „antislowakisch“ und will ihn zu einer Art Staatssender umbauen. Die Redaktion berichte nicht objektiv und solle daher aufgelöst und unter neuem Namen neu gegründet werden. Die Regierung fordert außerdem, dass RTVS ein Mal pro Tag die Nationalhymne spielt.

Und das in einem Land, das so lange unter der Zensur des Sozialismus litt.

Diese Ironie der Geschichte lässt sich auch in anderen Ländern Osteuropas beobachten. Viktor Orbán, der Regierungschef Ungarns, war einst ein liberaler Freiheitskämpfer , ausgestattet mit Stipendien aus dem Westen, genauer gesagt vom Mäzen George Soros. Jetzt dreht er eigenhändig zurück, wofür er sich als Student eingesetzt hat.

Bei Fico ist es ähnlich. Auch er gehört einer Generation von Politikern an, die in einer Diktatur aufwuchsen und mit der Wende die Möglichkeit bekamen, politisch aufzusteigen. Was bringt eine solche Generation dazu, mit autokratischen Regierungsmethoden zu liebäugeln? Ein ideologischer Sinneswandel? Größenwahn?

Es geht natürlich um den Machterhalt.

Populisten wie Fico haben von den großen Krisen, die Europa zu schaffen machen, profitiert. 

Im Februar 2018 wurden in der Slowakei der Investigativ-Journalist Ján Kuciak und seine Verlobte Martina Kušnírová ermordet. Kuciak hatte zu Verstrickungen der damaligen Fico-Regierung mit der Mafia recherchiert sowie zu Steuerbetrug. Fico geriet unter Druck und trat nach Massenprotesten zurück.

Seit letztem Herbst ist er wieder da und fährt einen Rachefeldzug gegen die Medien. Dabei berichten diese durchaus, was Fico sagt. „Die Ukraine ist kein unabhängiger und souveräner Staat“, erklärte er im Jänner faktenwidrig gegenüber RTVS.

Vor Ficos erneuter Machtübernahme zeigte sich die Slowakei solidarisch mit der Ukraine, nahm Geflüchtete auf und lieferte als eines der ersten Länder Raketenabwehrsysteme. Mit Fico kam der Kurswechsel.

Populisten wie er haben von den großen Krisen, die Europa zu schaffen machen (Inflation, Migration, Krieg), profitiert, weil sie glauben, simple Lösungen anbieten zu können. Dazu gehört, die Schuld immerzu beim Westen zu suchen, selbst bei einem Krieg, den Wladimir Putin eigenhändig begonnen hat und den er auch ganz offensichtlich nicht zu beenden gedenkt.

Mit einem Mediengesetz, wie es Ficos Regierung vorschwebt, werden die kremlfreundlichen Narrative zunehmen. Vor allem auf Facebook, wo sich weite Teile der slowakischen Bevölkerung informieren. Und auf „X“, wo die Desinformation überhandgenommen hat, sowieso.

Auch deswegen gilt es, das Vertrauen in etablierte Medienhäuser zu schwächen. Wie sonst sollen die Menschen Ficos Weltsicht unhinterfragt folgen?

Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

schreibt seit 2021 im Außenpolitik-Ressort. Studium Zeitgeschichte und Journalismus in Wien. Schwerpunkt Südosteuropa / Balkan.