Warum die SPÖ zurück in die Schule muss
„Was auch immer du tust, werde bloß nicht Lehrerin“, haben meine Eltern gesagt und damit auf den Rat einer Expertin gehört. Elisabeth Gehrer, damals ÖVP-Bildungsministerin, versuchte, Maturanten im Jahr 2004 sogar per Brief davon abzuhalten, Lehramt zu studieren. Nun: Damals war dieser Job so attraktiv, dass es einfach zu viele Lehrer für die zu vergebenden Stellen gab: monatelang Ferien, gute Bezahlung, viel Tagesfreizeit. Das ist heute noch so, aber Lehrpersonal gibt es trotzdem bei Weitem nicht mehr genug.
Der Job ist in manchen Teilen des Landes so belastend geworden, dass für viele die Nachteile die Vorteile überwiegen. Vor allem die Hauptstadt ist mit riesigen Herausforderungen konfrontiert – zu viele Schüler, zu wenig Lehrer, zu geringe Deutschkenntnisse und bildungsferne Eltern, die sich zu wenig kümmern. Wer heute in Wien Lehrer wird, muss oft auch Sozialarbeiter spielen, und das überfordert viele. Verständlicherweise, dafür wird man nicht ausgebildet. Wien ist eine der lebenswertesten Städte der Welt – ob sie das auch bleibt, wird sich am Bildungsthema entscheiden. Und ebenso der Erfolg der SPÖ, die in diesem Politikfeld einmal federführend und innovativ war. Betonung auf „war“.
Wien unterscheidet sich in seinen Problemen nicht von anderen Metropolen Europas: Die Städte wachsen, vor allem für Migranten sind sie magnetisch, sie finden hier leichter Anschluss an ihre Communities. Seit den großen Flüchtlingswellen ab 2015 sind viele Menschen aus dem arabischen Raum zugezogen, bildungsfern, traumatisiert – nun kommen ihre Familien nach. Der Krieg in der Ukraine hat Hunderttausende vertrieben. Die vielen Neuankömmlinge belasten die Infrastruktur: das Gesundheitswesen, den Wohnungsmarkt – aber vor allem das Bildungssystem.
Parallelschulwelten
In manchen Bezirken Wiens gibt es Schulen, die de facto nur mehr Kinder mit Migrationshintergrund besuchen – mit allen Problemen, die das mit sich bringt. Wer Wert auf Bildung legt, versucht alles, um sein Kind in besseren Schulen unterzubringen. Meldebetrug in den besseren Gegenden Wiens ist dafür ein beliebtes Mittel. Die SPÖ predigt Chancengleichheit für alle – aber die gibt es schon lange nicht mehr. Dem sollte dringend mit aller Kraft gegengesteuert werden. Wenn Kinder schon in jungen Jahren im Schulsystem verloren gehen, werden sie es nicht schaffen, gute Ausbildungen zu absolvieren. Das bedeutet später keine oder schlechte Jobs – damit gehen soziale Probleme einher. Und finanzielle: Wer keine oder wenig Steuern zahlt, trägt nicht zum Wohlstand des Staates bei und braucht im schlimmsten Fall sogar Unterstützung. Egal wie angespannt die Budgetsituation derzeit ist: Wenn in Bildung nicht massiv investiert wird, kommt es uns am Ende teuer zu stehen.
So hat es die SPÖ immer gesehen – gerade in Wien viel Geld in die Hand genommen und damit viel erreicht. Erzählen Sie einem Pariser vom Gratiskindergarten; vom Angebot an Kindergartenplätzen generell; von den Gratis-Ganztagsschulen – oder den modernen Schulcampussen. Oder auch, dass Kinder allein in die Schule gehen können und nicht gefahren werden müssen. Sie werden neidische Gesichter sehen. Und ja, all das darf die SPÖ als Erfolg für sich verkaufen. Sie hat sich jahrelang auf Bundes- und Landesebene für Bildung eingesetzt – und ja, das ist mühsam. Aber warum hat sie aufgegeben?
Als die SPÖ 2017 aus der Regierung flog, war auch das Ministerium weg. Wenn Sie glauben, dass die SPÖ bei den jüngsten Verhandlungen dafür kämpfte, das Bildungsministerium zu bekommen, irren Sie. Man überließ es den Neos – und in manchen Teilen der SPÖ ist man sowieso der Meinung, dass das Thema zu aufwendig und damit nicht viel zu gewinnen ist.
Wissen Sie zufällig, wer die Bildungssprecherin der SPÖ in der vergangenen Legislaturperiode im Parlament war? Und haben Sie sie als laute Stimme wahrgenommen? Nein? Die Frau heißt Petra Tanzler – und wurde medial nicht für ihre Bildungspolitik berühmt, sondern für den Umstand, dass sie der Video-Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Parlament fernblieb und dafür einen Rüffel von ihrer Parteichefin Pamela Rendi-Wagner kassierte. Wien: detto. Auch hier gab die SPÖ das Ressort an die Neos ab – eine laute Stimme für Bildung fehlte aufseiten der Roten.
Dass man die Bildung thematisch aufgab, hilft sicher nicht, Wähler zu gewinnen. Denn jede und jeder hat ein Kind oder kennt jemanden mit Kindern. Jede und jeder will eine gute Zukunft für die nächste Generation. Wer sich dafür einsetzt, kann punkten. Die Neos haben das verstanden.