Leitartikel

Wohin mit dem vielen Geld?

Was Marlene Engelhorn andeutet und Andreas Babler verheimlicht.

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Marlene Engelhorn ist eine beeindruckende Frau. Es ist nicht einfach, die Geschichte und Lebensweise der eigenen Familie zu hinterfragen und zu dem Schluss zu kommen, einen ganz anderen Weg gehen zu wollen. Engelhorn hat sich in einem Akt der Emanzipation aus ihrer Rolle als Tochter einer reichen Familie gelöst. Sie hat die Überzeugung gewonnen, das riesige Erbe, das sie als Enkelin der schwerreichen Traudl Engelhorn-Vechiatto angetreten hat, nicht verdient zu haben, weil Erbschaften in ihren Augen keine gesellschaftlich vertretbare Quelle von Reichtum sein sollten. Diesen Grundsatz wendet sie schonungslos auf sich selbst an und beweist damit geradezu Kant’sche Prinzipientreue. Die unmittelbare Folge ist, dass sie ihr Erbe von 25 Millionen Euro verschenkt.

Engelhorn ist zur Aktivistin für eine Erbschaftssteuer geworden, und das ist ein legitimes Anliegen. Sie hat den sogenannten Guten Rat einberufen, eine Versammlung von 50 repräsentativ ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern, die sich ohne Engelhorns Zutun ausdenken sollen, was mit dem Geld am besten passieren soll. Kein Zweifel, dass dabei ein löblicher Verwendungszweck gefunden wird.

Doch damit lenkt Engelhorn von der realen Funktionsweise einer Erbschaftssteuer ab. Deren Ertrag verschwindet nämlich geräuschlos in den Budgeteinnahmen des Finanzministeriums, und der Steuerzahler oder die Steuerzahlerin hat selbstverständlich keinerlei Einfluss darauf, was mit dem Geld passiert. Das ist auch gut so, denn sonst würden wahrscheinlich Kindergärten im Geld ersticken, während die Beamtenpensionen unbezahlt blieben. Engelhorns Absicht ist nachvollziehbar: Sie will andeuten, welche gesellschaftlichen Wohltaten mit Erbschaftssteuererträgen möglich gemacht werden könnten – ob das nun realistisch ist oder nicht. Es liegt schließlich nicht in ihrer Verantwortung, wofür das Geld aus einer Erbschaftssteuer tatsächlich verwendet würde.

SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Babler ist wie Marlene Engelhorn ein Verfechter von Erbschafts- und Vermögenssteuern. Er braucht kein Geld zu verschenken, um in der „Eat the Rich“-Rolle dennoch höchst authentisch rüberzukommen. Als Anwärter auf den Posten als Bundeskanzler trägt er jedoch im Gegensatz zu Engelhorn eine Verantwortung, den Bürgerinnen und Bürgern zu erläutern, was mit dem Geld passieren soll. Tut er das?

Babler nennt in Interviews seit Langem die Senkung der Lohnsteuer und die Finanzierung des Gesundheitssystems als Ziele, die dank Erbschafts- und Vermögenssteuern (vulgo „Millionärssteuern“) erreicht werden sollen. Bei einem von der SPÖ – sehr optimistisch – geschätzten Ertrag von fünf bis sechs Milliarden Euro aus Erbschafts- und Vermögenssteuer klingt das realistisch, wenn auch nicht üppig. Die letzte Steuerreform (die Abschaffung der kalten Progression) hatte ein Volumen von rund 3,6 Milliarden Euro. Die öffentlichen Ausgaben für das Gesundheitssystem belaufen sich pro Jahr auf etwa 40 Milliarden Euro, die Einnahmen aus den Vermögenssteuern würden also keinen Turbo zünden, aber immerhin.

Wer alles sagt, sagt gar nichts, und so kann niemand ahnen, was Babler mit den Einnahmen aus der geforderten Erbschafts- und Vermögenssteuer vorhat.

Doch Babler hat noch weitere Ideen. In einem Interview mit der „WZ“ am Dienstag dieser Woche kündigte er an, die Kinderarmut abschaffen zu wollen, und nannte die Summe von viereinhalb Milliarden Euro, finanziert „beispielsweise aus der Millionärssteuer“. Wenige Tage zuvor trat Babler als Redner beim „Tag der Progressiven Wirtschaftspolitik“ in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin auf und stellte dort einen Plan für einen „Österreich-Transformationsfonds“ vor, der die Mittel für den „Umbau von Industrie und Landwirtschaft und den Ausbau des Sozialstaates“ bereitstellen solle. Volumen: 20 Milliarden Euro. Finanziert werden soll der Fonds – Sie haben es wahrscheinlich schon erraten – über eine Millionärssteuer (und die Schließung von nicht näher genannten „Steuerlücken“).

Weitere Vorschläge der SPÖ für die Verwendung der Erträge aus den Vermögenssteuern beinhalten: Lohnerhöhungen für das „medizinische Personal und Angestellte im elementarpädagogischen Bereich“, Arbeitsplatzprogramme für jene, die in der Corona-Krise ihren Arbeitsplatz verloren haben, eine „Ausfinanzierung des Pflegesystems“ oder auch Investitionen im Kampf gegen die Klimakrise.

Das grenzt an politische Scharlatanerie. Wer alles sagt, sagt gar nichts, und so kann in Wahrheit niemand ahnen, wofür die Einnahmen aus den von Babler verlangten neuen Steuern verwendet werden sollen. Ich halte die Einführung dieser Steuern übrigens für gerecht – unter der Voraussetzung, dass sie zur Lohnsteuersenkung verwendet werden. Aber wie kann ich das wissen?

Die Forderungen nach einer Erbschafts- und Vermögenssteuer sind uralt. Jede Menge Zeit also, um simple Rechnungen vorzulegen: Welcher Lohnsteuersatz soll um wie viele Prozentpunkte gesenkt werden? Der „Gute Rat“ muss sich demnächst einigen, wofür Marlene Engelhorns Erbe ausgegeben werden soll. Und auch Andreas Babler muss sich langsam klar werden, was er mit den Einnahmen aus den von ihm geforderten neuen Steuern tatsächlich vorhat. Guter Rat ist teuer.

Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur