Menschenhandel

Andrew Tate: Die Entthronung des „King of toxic masculinity“

Der einflussreiche Anti-Feminist und Taliban-Sympathisant Andrew Tate muss in Rumänien vor Gericht. Der Verdacht: Menschenhandel, Vergewaltigung und organisierte Verbrechen. Er hat auch Connections zur Glücksspielmafia.

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Was hat ein ehemaliger Kickboxer und kontroverser Influencer mit einem polnischen Energy Drink zu tun?

Einiges. Die Connections von Andrew Tate, einem 36-jähriger Influencer und Unternehmer, und seinem Bruder Tristan Tate reichen bis nach Polen. Jetzt müssen sie in Rumänien vor Gericht. Tate verbreitet seit Jahren Misogynie auf sozialen Medien, sein Zuspruch zum Islam wird in der radikalen islamistischen Szene gefeiert. Für seinen Frauenhass kann er zwar nicht angeklagt werden, die rumänischen Behörden hegen jedoch Verdacht, dass er junge Frauen in die Prostitution gedrängt haben soll.

Was bisher geschah

Dezember 2022. Die für organisiertes Verbrechen zuständige Sondereinheit der rumänischen Staatsanwaltschaft (DIICOT) startete Ermittlungen gegen die selbst proklamierten Frauenfeinde Andrew und Tristan Tate. Sie und zwei andere Rumäninnen, darunter Andrew Tates Freundin und eine ehemalige Polizeibeamtin in der rumänischen Hauptstadt Bukarest, stehen nach ihrer Untersuchungshaft seit März 2023 unter Hausarrest.

Juni 2023. Nun sind die Ermittlungen abgeschlossen. Es geht unter anderem um Vergewaltigung, Anstiftung zu Körperverletzung und Menschenhandel. 12 Stunden pro Tag hätten Frauen, entweder minderjährig oder sehr jung, live vor Kamera Tausende Follower entertainen müssen, so die Ermittler. Eines der Opfer sei im Jahr 2021 mit Gewalt "bestraft" worden, nachdem sie sich geweigert hatte, weiterhin pornografisches Material zu veröffentlichen. Einer anderen Frau sei das Handy gehackt worden, dabei seien sensible Bilder in sozialen Medien veröffentlicht worden. Um ihre Loyalität zu beweisen, seien sie dazu gezwungen worden, sich die Namen oder Gesichter von Andrew und Tristan Tate zu tätowieren.

Connections zur Glücksspielmafia

Villas, Zigarren, Autos und Frauen: In den Augen Andrew Tates gleichwertige Objekte. Sich selbst nennt Andrew Tate „the king of masculinity“ (Auf Deutsch: „König der Männlichkeit“). Das Haus, in dem er lebt, verrät auch sein Faible für Imperien. Schwarz-matte Blechtafeln und rote LEDs: Die Villa ähnelt den Spielhallen von „Las Vegas“, einem gigantischen rumänischen Glücksspielimperium, wo auch die Tates Geld verdienen.

Laut Berichten von OCCRP, einem Rechercheprojekt für Organisierte Verbrechen und Korruption, und RISE Project (Große Leseempfehlung, auch auf Englisch verfügbar) dürften Andrew und Tristan Tate Profite aus mindestens sechs Glücksspiellokalen der Kette „Las Vegas“ beziehen; mit 800 Standorten eines der größten Glücksspiel-Imperien Rumäniens. Die Deals laufen seit mehreren Jahren. Auch der Verdacht von Geldwäsche steht im Raum.

Die besagte Glücksspielfirma gehört der Familie DMS, dem derzeit größten Verbrechersyndikat Rumäniens. Gegen die zwei Brüder dahinter, den Dorofteis, wird immer noch ermittelt. DMS und die Tates haben laut OCCRP-Recherchen vereinbart, sich Gewinne aus mindestens sechs verschiedenen „Las Vegas“-Filialen aufzuteilen. Die Mitglieder von DMS stehen mit internationalem Drogenhandel in Verbindung, und sollen auch mal Spieler zusammenschlagen, wenn sie beim Zocken den Jackpot eincashen, wenn sie das gewonnene Geld nicht zurückzahlen. „Las Vegas Casinos“ teilte den Reportern mit, dass sie alle Verbindungen zu den Tates abgebrochen hätten.

Vom Handtuchhalter zum „King“

Aber wie kommt ein US-amerikanisch-britischer Unternehmer und ehemaliger Kickboxer in Verstrickung mit der derzeit mächtigsten kriminellen Organisation Rumäniens?

Die ersten öffentlichen Bilder Tates in Rumänien wurden von RISE Project ausgeforscht und stammen aus 2014, von einem Boxkampf „wie in Las Vegas“ – wo die Tate-Brüder zwar nicht mitkämpften, sondern die Handtücher eines polnischen Boxers trugen. Auf diesen Events wurden enge Freundschaften geschlossen. Nämlich mit dem Veranstalter Sebastian Vieru. Sein Geschäftspartner: DMS.

Mihaita Doroftei, der Leiter der DMS-Gruppe, gründete „Las Vegas“ zusammen mit seinem Bruder und einer Gruppe von Polen. Gegen mehrere von ihnen gegründete Unternehmen wurde bereits wegen Steuerhinterziehung ermittelt. Der Schaden für den Staatshaushalt ging in die Millionen, aber die Gesetzeshüter konnten keine Betrugsabsicht nachweisen, so RISE Project.

Und was hat das jetzt mit einem Energy Drink zu tun? Die Geschäftspartner von Doroftei sind Eigentümer der Limonaden- und Energy-Drink-Marke „Las Vegas Drinks“ und der Glücksspielkette LV in Polen. „Las Vegas Drinks“ ist seit Jahren der Hauptsponsor der polnischen Fußballnationalmannschaft. Und die rumänische Casinomarke „Las Vegas“: Eine Kopie.

Wie es nun weitergeht

15. Juni 2023. Beschlagnahmt wurden 15 Grundstücke und Gebäude, 15 Luxusautos, 14 Luxusuhren, zwei Goldbarren und eine Medaille, Anteile an vier Unternehmen und Beträge von mehreren Hunderttausend Euro. Auch die Prozesskosten in Höhe von rund 60.000 Euro sollen die vier Angeklagten zahlen.

Drei Wochen haben sie noch Zeit, um schriftliche Einwände beim Gericht in der rumänischen Hauptstadt, Tribunalul Bucuresti, einzubringen. Ein Richter prüft die Anklage in den nächsten zwei Monaten. Ein erster Verhandlungstermin wird noch bekannt gegeben.

Noch ein Lesetipp fürs Wochenende: Meine Kollegin Anna Wintersteller hat die Tricks der Islamisten recherchiert, wie sie Junge im Netz radikalisieren. Andrew Tate konvertierte übrigens auch zum Islam. Die Dschihadisten des IS seien „gute Muslime“ und die Taliban „bringen Afghanistan Recht und Ordnung", sagte er in einem Podcast.

Luxuswahn und die Unterdrückung von Frauen: Die Währung des Imperiums, das Andrew Tate weiter aufbauen will. Der Widerstand wird immer lauter.

Elena Crisan

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.