Morgenpost

Gesundheitsreform: Verliert die Ärztekammer dauerhaft ihren Einfluss?

Schon am Mittwoch soll die Gesundheitsreform von Minister Rauch beschlossene Sache sein. Der einst mächtigen Ärztekammer droht ein nachhaltiger Bedeutungsverlust.

Drucken

Schriftgröße

“Ich habe gelernt: der Sack ist erst zu, wenn alle im Boot sind”, sagte Johannes Rauch zu dem Clinch um die Gesundheitsreform und warf im Eifer des Gefechts gleich mehrere Metaphern durcheinander. Denn der grüne Gesundheitsminister hielt trotz der Proteste der Ärztekammer an der von Bund, Ländern und Sozialversicherung vereinbarten Gesundheitsreform fest. Denn würde die Reform jetzt nicht umgesetzt, so der Minister im Ö1-Radio, würde niemand mehr das Bohren dieser dicken Bretter und "diese Ochsentour" angehen. Nachsatz: Unterstützung habe man ausdrücklich auch vom Koalitionspartner ÖVP - und die Reform werde “bis hinauf zum Bundeskanzler” mitgetragen. 

Geht es um noch laufende Detailverhandlungen (“gerungen bis zuletzt”), muss sich der Minister und sein Team um Chief Medical Officer Katharina Reich beeilen: denn die Reform soll bereits morgen im Ministerrat und gemeinsam mit dem Finanzausgleich beschlossen werden. Hier soll also schnellstmöglich Nägel mit Köpfen gemacht werden. 

Dass das ganze ein wenig überstürzt wirkt, merkt man daran, dass sich die Verhandlungen um den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern auf den letzten Metern befinden. Konkret sollen 2,4 Milliarden jährlich an frischem Geld zur Verfügung gestellt werden. Dafür sollen die Länder jedoch gewisse Zielvereinbarungen für Reformen erfüllen – auch wenn es bei Nicht-Erreichen zu keinen Sanktionen kommen soll. Fließen sollen die Gelder nicht nur in Gesundheit und Pflege, sondern auch in den Ausbau der Kinderbetreuung und Klimaschutz-Maßnahmen.

“Männer, Macht und Millionen”

Auf der Gegenseite der Reform stand bis zuletzt die Ärztekammer - und drohte mit Kampfmaßnahmen (unter anderem mit der Aufkündigung des Gesamtvertrags mit der Gesundheitskasse): Die mächtige Interessenvertretung fürchtet, in Zukunft weitreichende Einschränkungen in Kauf nehmen zu müssen; unter anderem soll sie künftig weniger mitreden können, wie viele Ärzte Kassenverträge bekommen. Doch die Ärztekammer (immerhin die gesetzliche Vertretung der rund 48.000 Ärztinnen und Ärzte) hat neben dem drohenden Machtverlust vor allem mit sich selbst zu kämpfen, wie meine Kollegen Moritz Ablinger und Max Miller im aktuellen profil beschreiben. Passender Titel: “Männer, Macht und Millionen: House of Ärztekammer” (Profil+).  

Denn der mächtige Player steckt laut der Analyse meiner Kollegen in einer multiplen Krise: Eine Affäre um finanzielle Unregelmäßigkeiten in einer Tochterfirma der Kammer führte zu Ermittlungen und erheblichen Vertrauensverlust. Dazu kommt, dass die Kammer an veralteten Strukturen laboriert und durch männlich dominierte Führungsgremien (“Man merkt in der Kammer jahrzehntealte Männerbünde", sagt Petra Preiss, Vizepräsidentin der Ärztekammer für Kärnten) junge Ärztinnen und Ärzte abschrecken würde. 

Sind weitere Reformen im Gesundheitswesen auch ohne die Ärztekammer denkbar? “Tatsächlich steht für die Ärztekammer nun viel auf dem Spiel”, schreiben Ablinger und Miller. Denn wenn Bund, Länder und Sozialversicherung erst lernen, dass Reformen ohne die Standesvertretung leichter umsetzbar sind, könnten die Ärztevertreter ihren Sitz am Verhandlungstisch dauerhaft verlieren.

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.