Morgenpost

Ist der Ruf erst ruiniert……….

…...lebt es sich ganz ungeniert. Nach diesem Motto könnte die Regierung ruhig beherzte Reformen wagen.

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Die Botschaften wurden, je nach Temperament, in unterschiedlicher Dringlichkeit vorgetragen – hatten aber denselben Inhalt. Christoph Badelt, Präsident des Fiskalrats, riet den Regierungen in Bund und Bundesländern dringlich dazu, mit „Maßnahmen nach dem Gießkannenprinzip extrem vorsichtig“ zu sein – und nicht weiter Fantastilliardenbeträge an Förderungen, Hilfen und Unterstützungen wahllos an alle auszuschütten, auch an Bestverdiener. Klaus Neusser, Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes IHS, tönte ähnlich: Es brauche keine Anti-Teuerungsförderungen und Co für die gesamte Bevölkerung mehr – sondern wenn, dann zielgerichtete Hilfen. Schon in der Corona-Krise flossen die Gelder teils zu üppig an die Falschen, auch in der Energie-Teuerungs-Krise verteilt die Regierung manches Hilfspaket zu freigiebig an alle. Beiden Ökonomen wird etwas mulmig, wenn sie auf das Budgetdefizit, inklusive wachsender Zinsen für Staatsschulden, blicken. Und beide vermissen Signale, dass die Regierung endlich Strukturreformen anpackt.

Sie sind damit beileibe nicht allein.

Klar: Es wäre ziemlich ungerecht, der Regierung generell Untätigkeit vorzuwerfen – ÖVP und Grüne werken am Krisenmanagement, basteln Hilfspakete und Abfederungen. Manchmal unkoordiniert, manchmal überteuert, immer aber als Getriebene von internationalen Krisen.

Aber: Bei großen Reformvorhaben der Koalition ist Sand ins Regierungs-Getriebe gekommen. Die grundsätzliche und notwendige Arbeitsmarktreform: Wegen Uneinigkeit abgeblasen. Damit ist ein Herzensprojekt von Arbeitsminister Martin Kocher gescheitert – und Kocher, eigentlich ein Hoffnungsträger von ÖVP und Regierung, beschädigt.

Den Leuchtturmprojekten der Grünen geht es auch nicht besser: Das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo berechnet, dass die Treibhausgasemissionen 2024 steigen – und die „ehrgeizigen Klimaziele Österreichs klar verfehlt werden“. Alles andere als ein Erfolg für Klimaschutzministerin Leonore Gewessler.

Die Liste der Fehlanzeigen ist lang: Über eine Pensionsreform wagt sich die Koalition gar nicht erst nicht drüber, obwohl die Pensions-Kosten wachsen und wachsen. Die Änderung beim UVP-Verfahren stockt, Transparenzgesetze liegen auf der langen Bank, das Erneuerbaren-Wärme-Gesetz verzögert sich, undsoweiter. Klingt allesamt nicht nach einer Regierung mit überbordendem Tatendrang. Im Gegenteil.

Dabei bräuchte die Regierung überhaupt keine Angst haben, dass sie sich durch Reformeifer unpopulär macht -  denn unpopulär ist sie schon jetzt. Gemeinsam kommen ÖVP und Grüne in der aktuellen großen profil-Umfrage gemeinsam gerade noch auf 31 Prozent. So weit weg von einer Mehrheit war noch nie eine Regierung, die FPÖ holt auf und auf, wie Sie im profil-Podcast nachhören können.

Insofern müsste sich die Koalition, auch wenn das auf den ersten Blick paradox klingt, nicht vor dem Unmut der Wählerinnen und Wähler fürchten – und könnte genauso gut beherzt Reformen wagen. Viel zu verlieren hat sie nicht mehr. Aber vielleicht einiges zu gewinnen.

Haben Sie einen beherzten Freitag!

Eva Linsinger

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin