Pressefreiheit

Schlägt das Amtsgeheimnis das Redaktionsgeheimnis?

Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt kriminalisiert einen Investigativ-Journalisten – weil er seinen Beruf ausübt.

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Franz Miklautz nennt sich selbst eine „Krätzn“. Eine lästige Person zu sein, ist eine gute Voraussetzung, um als freier Investigativ-Journalist (unter anderem für profil) arbeiten zu können. Es ist Teil des Berufsbilds und jedenfalls kein Vergehen. Doch die Staatsanwaltschaft Klagenfurt sieht das anders. Sie ermittelt gegen Miklautz wegen des „Beitrags zu Verletzung des Amtsgeheimnisses und Verletzung des Datenschutzgesetzes“. Computer und Handy wurden ihm abgenommen. Anlass waren Artikel zu Affären im Bereich der Stadt Klagenfurt. In der Februar-Ausgabe des „Kärntner Monat“ berichtete Miklautz etwa über die famosen Bezüge des Magistratsdirektors Peter Jost, der dank der Auszahlung von hunderten Überstunden in manchen Monaten mehr verdient hätte als der Kärntner Landeshauptmann. Das ist aus Sicht der Staatsanwaltschaft ein Unding – nicht die Gage, sondern der Artikel. Und daher ermittelt sie jetzt.

Der Presseclub Concordia kritisiert, Miklautz würde „dafür kriminalisiert“, dass er „seiner Kernaufgabe, der Kontrolle von Missständen“ nachgehe. Der Verein der Chefredakteur:innen ortet einen „Anschlag auf die Pressefreiheit“. Und Miklautz selbst sagt: „Da die von mir geschriebenen Storys vollinhaltlich stimmen und man mich medienrechtlich nicht belangen kann, versucht es die Gegenseite nun mit dem Strafrecht.“

Einzigartiger Fall

Allerdings ist das strafrechtliche Substrat nicht gegeben. Der Artikel basiert auf Gehaltsabrechnungen des Magistratsdirektors, die offenbar von Whistleblowern aus dem Apparat hinausgespielt wurden. Die bloße Veröffentlichung dieser Informationen durch Miklautz erfüllt den Tatbestand des Beitrags zur Verletzung des Amtsgeheimnisses nicht. Der frühere Sprecher der Staatsanwälte, Gerhard Jarosch, meint: „Das hat es so noch nicht gegeben in Österreich, dass deswegen ein Journalist verfolgt wurde.“ profil-Chefredakteurin Anna Thalhammer und Wirtschaftsredakteurin Christina Hiptmayr bewerten den Fall im aktuellen Politik-Podcast. Hiptmayr verfasste mit Miklautz mehrere investigative Artikel, einer aus dem Jahr 2019 handelt von einem bemerkenswerten Grundstücksdeal zwischen Waffenindustrie und dem Bistum Gurk

Besonders problematisch ist die Sicherstellung der Arbeitsgeräte von Miklautz. Sie gefährdet das Redaktionsgeheimnis, also das Recht eines Journalisten, seine Quellen zu schützen. Das Redaktionsgeheimnis ist „eine der Grundvoraussetzungen der Pressefreiheit“, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wiederholt feststellte. Ohne Redaktionsgeheimnis „könnte die Presse ihre unverzichtbare Rolle als ,Wachhund‘ der Öffentlichkeit einbüßen“.

Geben Sie Informationsfreiheit!

Der Fall zeigt, wie dringend Österreich ein modernes (und von der Regierung seit Langem versprochenes) Informationsfreiheitsgesetz benötigt. Wie viel der höchste Beamte der Kärntner Landeshauptstadt verdient, ist zweifellos von öffentlichem Interesse. Doch das österreichische Amtsgeheimnis verwehrt anfragenden Journalisten und Bürgern Auskünfte, auf die in anderen Ländern ein Rechtsanspruch besteht. Wir lernen: Das Redaktionsgeheimnis kann staatlich durchlöchert werden, das Amtsgeheimnis bleibt dicht.

Die heimische Öffentlichkeit muss daher auf Whistleblower hoffen, die Informationen weitergeben. Und auf furchtlose Journalisten wie Franz Miklautz, die Krätzn genug sind, Missstände aufzudecken.

Falls Ihnen solche bekanntwerden, melden Sie sich! Auch wir sind lästig.

Gernot Bauer

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.