Morgenpost

KV-Verhandlungen im Handel: Warum streiken für viele keine Option ist

Angestellte im Handel sind meist weiblich, armutsgefährdet und arbeiten Teilzeit. Nun soll ihr Lohn zum vierten Mal neu verhandelt werden. Warum die Verhandlungen so schwierig verlaufen und ein Streik trotzdem für viele nicht in Frage kommt.

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Heute gehen die Lohnverhandlungen im Handel in die vierte Runde. Gefordert werden 9,5 Prozent mehr Gehalt, sowie ein monatlicher Fixbetrag von 40 Euro. Sollte es bei den Verhandlungen zu keiner Einigung kommen, kann dies zu Streiks führen –  während der Weihnachtszeit. 

Rund ein Fünftel der erwerbstätigen Österreicherinnen arbeitet im Handel. Die meisten Handelsangestellten sind weiblich, viele Teilzeit angestellt und verdienen im Durchschnitt 1700 Euro netto auf Vollzeitbasis. Dabei sind Handelsangestellte eigentlich sogenannte Systemerhalter:innen –  im ersten Lockdown wurde ihnen dafür applaudiert, dass sie während der Pandemie trotz unbekanntem Virus ihre Arbeit verrichteten, besonders verbessert haben sich ihre Arbeitsbedingungen seitdem jedoch nicht. 

Überleben ist schwierig

Mein Kollege Philip Dulle sprach mit einer Supermarkt-Kassiererin über ihre aktuellen Lebensumstände. Sie verdient 1200 Euro netto, zahlt 300 Euro monatlich für Lebensmittel und hat Fixkosten von 600 Euro –  übrig bleiben der 30-jährigen Mutter zweier Kinder im Monat 400 Euro –  exklusive Beihilfen. „Als Mutter zu überleben ist schwierig. Bevor ich mir ein neues Leiberl leiste, kaufe ich meinen Kindern warme Schuhe, damit sie im Winter warme Zehen haben“, erzählte sie Dulle im Gespräch.

1817 Euro brutto beträgt das Einstiegsgehalt laut dem Kollektivvertrag im Handel, Lehrlinge verdienen im ersten Lehrjahr 800 Euro –  nach den ersten drei Verhandlungsrunden der GPA mit den Arbeitgeber:innen lautete deren letztes Angebot ein um fünf Prozent höheres Gehalt und Einmalzahlungen in der Höhe von 800 Euro –  damit will man sich nicht zufrieden geben.

Vor allem Einzelhandel von Pleiten betroffen

Doch höhere Löhne sind nicht für alle zu stemmen: Während Angestellte im Handel mit harter körperlicher Arbeit, unregelmäßigen Arbeitszeiten und einem niedrigen Gehalt zu kämpfen haben, schießen die Insolvenzen in die Höhe. 747 Unternehmen meldeten im vergangenen Jahr Pleiten an, 75 mehr als im Vorjahr. Vor allem Einzelhändler sind von den Pleiten betroffen - Geschäfte hätten sich seit Corona nicht mehr wirklich erholt.

Im Gegensatz zu der Berufsgruppe der Metaller haben viele Handelsbetriebe keinen Betriebsrat - und das obwohl mehr als 709.418 Österreicher:innen beschäftigt sind. Immer wieder verhindern Arbeitgeber, ihren Mitarbeitern einen zu gründen. Wir erinnern uns an 2019, als drei Mitarbeiterinnen der Parfümeriekette Douglas gekündigt wurden, weil sie einen Betriebsrat gründen wollten. Auch große Geschäftsketten, wie XXXLutz oder MPreis, haben keinen firmeninternen Betriebsrat.

Sollte man sich bei den Lohnverhandlungen wieder nicht einigen, könnte es während der Weihnachtszeit zu Streiks kommen. Doch davor fürchten sich viele - vor allem die Angestellten selbst. Sie haben Angst davor, ihren Job zu verlieren oder während der Weihnachtszeit keine Provisionen zu bekommen. 

profil-Wirtschaftsredakteurinnen Marina Delcheva und Christina Hiptmayr berichten in der aktuellen Ausgabe und im profil.at.-Artikel „Die vielen Baustellen des Handels“ über die Situation im Handel. 

Natalia Anders

Natalia Anders

ist Teil des Online-Ressorts und für Social Media zuständig.