Wehe euch, „Volkskanzler“-Fasler!
„Leute laufen betreten durch die Straßen“, notierte der Schriftsteller Erich Kästner am 7. Mai 1945 in sein Tagebuch: „Die kurze Pause im Geschichtsunterricht macht sie nervös. Die Lücke zwischen dem Nichtmehr und dem Nochnicht irritiert sie.“ Am Morgen des 8. Mai brach über Europa die vielzitierte „Stunde Null“ an: Heute vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht, in Asien am 2. September mit Japans Eingeständnis der Niederlage.
Es sind Fakten, die unendlich schwer wiegen: Mehr als 60 Millionen Opfer waren zu beklagen; sechs Millionen europäische Jüdinnen und Juden ermordeten die Nationalsozialisten im Holocaust; Hunderttausende Sinti und Roma, Menschen mit Behinderung oder Krankheit, Homosexuelle, politisch und weltanschaulich Andersdenkende waren verfolgt und getötet worden; Millionen Menschen waren verschollen; Europa lag in Trümmern.
Wider die Verharmlosung!
Noch immer ist das finstere Bild aus Massenmord, Nationalismus, NS-Wahnsinn schwer zu fassen, daran ändern 80 Jahre wenig. Es helfen Imperative, die moralische Gewissheit mit politischem und sozialem Daueralarm verknüpfen: „Niemals wieder!“ – „Niemals vergessen!“ Es hilft das „Fest der Freude“, abgehalten an diesem Donnerstag ab 19.30 Uhr unter dem Motto „80 Jahre Befreiung vom Nationalsozialismus – Für ein Niemals wieder und Frieden in Europa“ auf dem Wiener Heldenplatz. Es assistiert die angekündigte Rede des Zeitzeugen Paul Lendvai, der als Sohn jüdischer Eltern die Verfolgungen durch die Nationalsozialisten in Ungarn und den Todesmarsch nach Österreich überlebte. Es sind nach den Feierlichkeiten zum 8. Mai die vielen kleinen Schritte gegen Revisionismus, Ritualisierung und Verharmlosung, die zählen.
Wehe euch, ihr „Volkskanzler“-Fasler und „Umvolkungs“-Unterbelichtete! Wenn Historikerinnen und Historiker dereinst unsere Epoche für die Geschichtsbücher aufbereiten werden, ist euch die Schmuddelecke sicher, in der das niederschmetternd stupide Zeug des Nochimmer und Immerwieder gärt.