Salman Rushdie, Literaturgala anlässlich der Frankfurter Buchmesse
Morgenpost

Salman Rushdie: „Die Welt ist in keinem guten Zustand“

Der Krieg im Nahen Osten, die Gefahren für die Demokratie und die Kraft von Geschichten.

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Am gestrigen Sonntag erhielt Salman Rushdie den Friedenspreis des deutschen Buchhandels, eine ehrenvolle Auszeichnung, die seit 1950 verliehen wird. Davor ließ sich der indischstämmige Romanautor auf der Frankfurter Buchmesse blicken, was keineswegs selbstverständlich ist, denn der 76-Jährige lebt mit der Bedrohung einer Fatwa, seit der frühere iranische Revolutionsführer Ayatollah Chomeini vor mehr als dreißig Jahren dazu aufgerufen hat, den Verfasser der „Satanischen Verse“ zu ermorden.

Rushdie sprach in Frankfurt über brennende, globale Fragen und daran herrscht gegenwärtig wahrlich kein Mangel. Die Welt sei „in keinem guten Zustand“, erklärte Rushdie laut Austria Presse Agentur. Die Ereignisse in Israel erfüllten ihn „mit Horror“. Für die Demokratie sei rund um den Erdball eine „riskante Zeit“ angebrochen. Sein neuestes Buch („Knife“) wurde vor zwei Wochen fertig, soll im April nächsten Jahres auf Deutsch erscheinen und handelt von dem Attentat auf Rushdie. 2022 fiel ein Islamist auf der Bühne eines Literaturfestivals mit einem Messer über den Autor her. Rushdie überlebte dank einer mehr als achtstündigen Not-Operation. Er verlor sein rechtes Auge und trägt seither eine zur Hälfte abgedunkelte Brille. 

Um den Zustand der Welt, den Krieg, die Kraft von Geschichten und die Demokratie geht es in vielerlei Hinsicht auch im aktuellen profil. 

Kurz auf Konfrontation mit der Justiz

Stefan Melichar beobachtet den Prozess des Jahres im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts. Seit vergangener Woche muss Ex-Kanzler Sebastian Kurz hier Rede und Antwort stehen. In der Titelgeschichte schildert Melichar, wie geschmeidig der ehemalige ÖVP-Chef immer noch mit Medien umzugehen versteht, wie angriffig und ruppig er sich allerdings gegenüber der Justiz gibt, wenn die Kameras und Mikrophone ausgeschaltet sind. Ob das Kalkül dahinter aufgeht, wird sich weisen.

Dem Anlass angemessen, erkunden Gernot Bauer und Max Miller, wie viel Türkis in der ÖVP eigentlich noch steckt. Und Innenpolitikchefin Eva Linsinger fragt sich, warum Rücktritte österreichischer Regierungschefs meist ausgesprochen stil- und würdelos vonstatten gehen. Wien ist angeblich anders, aber nicht zwangsläufig besser: Iris Bonavida nimmt die „Freunderlschaft“ der SPÖ-Genossen unter die Lupe und beschreibt, wie sich die rote Macht im Rathaus mit Widerspruch und Kritik - etwa an seltsamen Kleingarten-Grundstücksdeals - plagt. 

„Unvernünftigerweise optimistisch“

Was Verhetzung, Terror und Krieg im Leben von Menschen anrichten, erzählen Franziska Tschinderle, die dem grauenhaften Schicksal von Holocaust-Überlebenden nachgeht, die von Hamas-Terroristen verschleppt wurden, und Robert Treichler, der seit Ausbruch des Kriegs mit einer jungen, schwangeren Palästinenserin in Kontakt ist, die vor den israelischen Bombardements in den Süden des Gazastreifens flüchtete.

Es ist in diesen Zeiten nicht einfach, das Vertrauen in die Menschheit zu bewahren. Um zu Salman Rushdie zurückzukommen: Wer könnte es ihm verübeln, wenn er, der so tiefschürfend über Gewaltregime, Hass, Intoleranz und Fanatismus nachdenkt und die Auswirkungen so schmerzlich am eigenen Leib zu spüren bekommt, völlig schwarz sähe? Jedoch, der Romancier hält an der „Kraft von Geschichten“ fest und bleibt „unvernünftigerweise optimistisch“. Daran kann man sich ein Beispiel nehmen.

Edith   Meinhart

Edith Meinhart

ist seit 1998 in der profil Innenpolitik. Schreibt über soziale Bewegungen, Migration, Bildung, Menschenrechte und sonst auch noch einiges