profil-Morgenpost

Sei mal konstruktiv!

Warum Journalismus öfter Lösungen aufzeigen sollte – aber dabei trotzdem nicht auf PR-Maschen hereinfallen darf.

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Erwartet uns ein Leben in Dauer-Krisenzeiten? Was für eine Frage zum Start in den Tag, denken Sie sich jetzt vielleicht. Auch ich musste erst mal schlucken, als ein guter Freund sie letztens stellte – und da hatte ich schon mehrere Tassen Kaffee getrunken. Kurzes Zögern. Dann meine Antwort: ja. Allein die Klimakrise ist gekommen, um zu bleiben. Seine Reaktion: „Warum soll ich mich dann überhaupt noch über das Weltgeschehen informieren, wenn sowieso alles ausweglos ist?“

Erneutes Schlucken.

Pandemie, Krieg, Teuerung, Klimakrise. Die letzten Jahre haben uns viel abverlangt. Zuversicht schwindet, Hoffnungslosigkeit grassiert. Gerade bei jungen Menschen: besagter Freund ist – wie ich – Anfang 20. Unsere Zukunft sieht in den Prognosen nicht rosig aus. Aber: ausweglos ist sie nicht. Ich glaube, Medien sollten daran öfter erinnern.

Haben Sie etwa die Meldung mitbekommen, dass die globale Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Energien vor oder bis 2050 (rein technisch) durchaus realistisch ist? Oder den kürzlich erschienenen Ted Talk des berühmten Historikers Yuval Noah Harari, in dem er erklärt, wie Investitionen von rund zwei Prozent des Welt-Bruttoinlandsprodukt pro Jahr die Klimakatastrophe zumindest deutlich entschärfen könnten? Vermutlich nicht.

Negativschlagzeilen klicken meist besser – auch das ist Teil der Realität. Aber lösungsorientierter Journalismus, also ein konstruktiver Recherche- und Erzählansatz, stößt auch auf große Skepsis in der Branche. Zu groß ist die Sorge in Wohlfühl-Berichte, Werblichkeit oder Schönmalerei zu verfallen. Das Kerngeschäft von Journalismus ist es, Missstände aufzudecken. Probleme benennen. Den Finger in die Wunde legen. Hinterfragen und Einordnen. Die Fakten ungeschönt sprechen lassen. Das sollte so bleiben.

Aber vermehrt zu fragen, ob und wie es auch anders gehen kann, würde das Bild ganzheitlicher und differenzierter machen. Freilich müssen dabei Lösungsansätze genauso kritisch hinterfragt werden. Und Scheinlösungen – Stichwort Greenwashing – gehören als solche entlarvt. Zu oft findet sich am Ende eines Artikels noch der gut gemeinte Energiespartipp für Privathaushalte als Mittel gegen das Gefühl der Ohnmacht. Der Blick ins brandenburgische Dorf Feldheim, das schon heute energieautark ist, kann sich hingegen durchaus lohnen. Mit der Frage, warum das in Österreich nicht geht, dürfte sich so mancher Bürgermeister in Verlegenheit bringen lassen. Der Fokus auf Missstände, Strukturen und politische Verantwortlichkeit muss auch in konstruktiven Berichten erhalten bleiben, damit sie den Problemlagen gerecht werden.

Gut gelungen ist das – wenn Sie mich fragen – in der aktuellen Ausgabe des profil. Meine Kolleginnen Siobhán Geets und Tessa Szyszkowitz begaben sich in drei Interviews auf die Suche nach möglichen Auswegen in einer scheinbar ausweglosen Situation. Sie fragten drei Expert:innen, wie der russische Krieg in der Ukraine ein Ende finden kann. Es bestand Einigkeit: rasch und einfach wird das nicht gehen. Dennoch: Handlungsspielraum besteht. Immerhin. 

Emilia Garbsch