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Siegt die Opposition in Niš?

In Serbien mussten die Lokalwahlen nach Betrugsvorwürfen wiederholt werden. Vučić siegte haushoch – aber nicht überall.

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Serbiens Präsident Aleksander Vučić ist omnipräsent in Serbien. Er bestimmt seit über zehn Jahren in wechselnden Funktionen die Politik des Balkanlandes und dominiert den Diskurs in den Medien. Unlängst hat er einen Premierminister ausgewählt, dessen Namen seinem zum Verwechseln ähnlich ist. Miloš Vučević, der ehemalige Verteidigungsminister, führt seit einigen Monaten die Regierungspartei (SNS). Vučević gilt als rechte Hand von Vučić. 

Die SNS hat am Sonntag die Lokalwahlen gewonnen. Und wenn Sie sich jetzt fragen: Waren da nicht gerade erst Wahlen? Ja. 

Die Proteste im Winter

Serbien, ein EU-Beitrittskandidat, befindet sich im Dauerwahlkampf. In den letzten zehn Jahren gab es vier vorgezogene Neuwahlen, zuletzt am 17. Dezember 2023. Der Urnengang hat Schlagzeilen gemacht, weil er vom Vorwurf der Wahlmanipulation überschattet wurde. Wir haben damals ausführlich berichtet – hier entlang. Zur Erinnerung: Internationale Wahlbeobachter, unter anderem von der OSZE, wiesen auf unfaire Bedingungen für die Opposition hin. Am Wahltag selbst wurden Fälle von Stimmenkauf dokumentiert, von organisierter Wählermigration sowie von Druck auf Mitarbeiter aus staatsnahen Betrieben und Behörden. 

All das brachte Vučić in Bedrängnis. Also ließ er die Lokalwahlen wiederholen. Das Ergebnis: Ein klarer Sieg für seine eigene Partei. In Belgrad konnte die SNS sogar zulegen und kann laut vorläufigem Wahlergebnis mit 64 Mandaten im 110-sitzigen Belgrader Stadtparlament rechnen. Damit bekommt man, anders als letztes Mal, eine satte Mehrheit zusammen.

Ein Herzchirurg als Bürgermeister?

Vedran Džihić, Politologe an der Universität Wien, nennt drei Phänomene als Grund für den Erfolgskurs. „Es gab eine geringe Wahlbeteiligung. Die Opposition, die im Dezember noch als Block antrat, hat sich zerstritten und zwei Parteien haben die Wahl sogar boykottiert“, sagt er. Das gilt zum Beispiel für Marinika Tepić, eine Oppositionelle, die im vergangenen Winter öffentlichkeitswirksam in den Hungerstreik trat. Im Süden des Landes hat dafür ein Quereinsteiger aus der Medizin die politische Bühne betreten. 

„Alle Augen sind derzeit auf Niš gerichtet, die drittgrößte Stadt Serbiens“, sagt Džihić. Dort erlangte die erst wenige Monate alte Liste eines Herzchirurgen namens Dragan Milic rund 23 Prozent der Stimmen. Dieser schließt aus, mit Vučićs SNS zusammenzuarbeiten und könnte, wenn die Opposition die nötigen Mandate erreicht,  Bürgermeister werden. 

Niš, glaubt Džihić, könnte ein „Nukleus für ein neues, politisches Klima“ in Serbien werden und das sei dringend notwendig. Denn auch diesmal sei die Wahl nicht fair abgelaufen: „In Belgrad wurden Oppositionelle krankenhausreif geprügelt. Die SNS hat Call-Center eingerichtet, um am Wahltag Wähler zu mobilisieren und vertrieb Beobachter, die darauf aufmerksam machten, mit Tränengas“, sagt er. Diese Szene ist auch mit einem Video dokumentiert. 

Kritik übt auch die Nichtregierungsorganisation „CRTA“. Diese hat am Montag einen ersten Bericht vorgelegt. Wie auch in den Jahren zuvor wurden Menschen gesichtet, die ihre Wahlzettel abfotografiert haben. In Serbien kann das ein Beweismittel sein, um seinen Job im öffentlichen Sektor zu behalten. Oder überhaupt einen zu bekommen. 

Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

schreibt seit 2021 im Außenpolitik-Ressort. Studium Zeitgeschichte und Journalismus in Wien. Schwerpunkt Südosteuropa / Balkan.