Der ehemalige FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache auf dem Weg zum Akademikerball in der Wiener Hofburg
Investigativ

Strache-Chats: Wie viel Russland steckt in der FPÖ?

Die gestern publik gewordenen Chats von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zeigen: Die Beziehungen der Freiheitlichen zu Russland wurden in der Vergangenheit stets gepflegt. Und wie ist es jetzt?

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Neue Polit-Chats sorgen für Aufregung. In gestern publik gewordenen Nachrichten, die profil vorliegen, will der damalige Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ein Treffen zwischen österreichischen und russischen Beamten einleiten. Das ist keine Überraschung, immerhin hatten die Freiheitlichen vertraglich mit dem Kreml vereinbart, Kontakte auf regionaler Ebene „aktiv“ zu entwickeln. 

„Russland ersucht um Gedanken-Austausch mit jungen Beamten in Österreich… über die Verwaltungsakademie muss hier ja etwas möglich sein. Bitte rufe ihn an und fixiert da etwas! Lg“

Diese Nachricht tippte Strache am 8. April 2019 an Roland Weinert. „Wir werden uns treffen“, versicherte ihm sein damaliger Kabinettschef im Sportministerium. 

Zusätzlich zu Networking-Events mit Russen chatteten sie über Personalentscheidungen und wie es ihnen nach dem Ibiza-Video ging. Die Chats sind als Vorbereitung auf den U-Ausschuss „rot-blauer Machtmissbrauch“ an die Fraktionen verschickt worden. Im Zuge der Ibiza-Ermittlungen wurde das Handy von Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) beschlagnahmt. Bisher kennt die Öffentlichkeit nur die Nachrichten zwischen ihm und dem früheren ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz.

Für Andreas Hanger, ÖVP-Fraktionsleiter, offenbaren die Chats „ein hoch-korruptes System“. Dabei würde sich ein hochkarätiger FPÖ-Kreis darüber austauschen, „wie nahestehende Personen mit Jobs versorgt werden sollen, wem bei Problemen mit der Finanz geholfen werden muss oder wem Inseratengelder entzogen werden, weil die Berichterstattung nicht gefällig ist.“

In der von Strache gegründeten Chat-Gruppe unterhielten sich die damaligen FPÖ-Regierungsmitglieder Norbert Hofer, Mario Kunasek, Beate Hartinger-Klein sowie Herbert Kickl. Letzterer scheint jedoch nur mitgelesen zu haben. Zum Beispiel diese Nachricht von Strache:

„Bitte weiter bei Fellner schalten. Wir haben es geklärt! Er kommt uns entgegen! Lg“

Damit könnte die Verlegerfamilie Fellner der Zeitung Österreich gemeint sein. Schalten heißt so viel wie: „Inserate buchen“.

Sobald die FPÖ in Regierungsverantwortung sei, bleibe „kein Stein mehr auf dem anderen - da wird dann besetzt, interveniert und beeinflusst“, was das Zeug halte. „Herbert Kickl steht an der Spitze eines blauen Skandal-Eisbergs und schämt sich dabei nicht Wasser zu predigen, während er und seine Jünger den Wein trinken.“ Kritik kommt auch aus anderen Parteien. Schließlich stehe „FPÖ für: Freunde Putins Österreich“, sagte der pinke Generalsekretär Douglas Hoyos bei einer Pressekonferenz am Donnerstag. Die FPÖ beklagt Schmutzkübel-Kampagnen der ÖVP in Zusammenhang mit Russland-Vorwürfen.

Die besagten Chats fanden 2019 statt. Nach der Krim-Annexion, vor dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Wie steht es jetzt um den „Gedankenaustausch“ unter österreichischen und russischen Beamt:innen?

Russisch-freiheitliche Freundschaft

Öffentlich wollen die Blauen die 2016 besiegelte Freundschaft zu Russland gekündigt haben. Eine Freundschaft, die 2016 ja gar schriftlich festgehalten wurde – den signierten „Freundschaftsvertrag“ mit Wladimir Putins Partei „Einiges Russland“ hat die FPÖ nach eigenen Angaben mittlerweile aufgelöst. Die Beziehungen zwischen Österreich und Russland galten damals trotz Krim-Annexion als ausgesprochen gut, wie auch mehrere hochrangige bilaterale Treffen zeigen.

Die öffentlich gewordenen Strache-Chats wollte die FPÖ gegenüber der APA nicht kommentieren, es hätte zwischen ihr und Russland jedenfalls nur „die üblichen Beziehungen im Rahmen der Regierung“ gegeben, zitiert APA die Freiheitlichen.

Doch wie sehr hat der jahrelange „Gedankenaustausch“ die Partei geprägt?

Argumentation auf Putin-Linie

Die FPÖ scheint ihrer russlandfreundlichen Linie treu geblieben zu sein.

So hat sie stets die russische Argumentation übernommen, Sanktionen würden Österreicher:innen mehr schaden als Putin. Als Kanzler, so Kickl, würde er diese „sofort blockieren“. Er plädiert für „Waffenstillstand“ anstatt für einen vollständigen Rückzug russischer Truppen. Als Österreich vergangenen April – als eines der letzten europäischen Länder übrigens – den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi zu einer Video-Rede über die Kriegsverbrechen in seinem Land im Parlament einlud, verließen die Freiheitlichen geschlossen den Saal.

Und zum verstorbenen Oppositions-Anführer in Russland Alexei Nawalny räumt der FPÖ-Chef zwar ein, dass es dort menschenrechtliche Probleme gebe, fordert bei einer Pressekonferenz diese Woche jedoch keine Konsequenzen: „Wenn Sie Nawalny ansprechen, dann sage ich Ihnen: Assange. Sie werden ja wissen, dass dieser Mann u.a. bei seinen WikiLeaks-Veröffentlichungen Papiere an die Öffentlichkeit gebracht hat, die eines dokumentieren: nämlich die systematische Eliminierung von politischen Gegnern der USA durch CIA-Killerkommandos. Ja was ist dann denn dort? Wollen sie jetzt die Beziehungen zu den Amerikanern auch abbrechen?“ Kickl vermeidet es also, Putins brutalen Umgang mit Oppositionellen klar zu verurteilen, stattdessen zeigt er mit dem Finger auf die USA.

Mehr noch: Aus dem Umfeld der freiheitlichen Familie wurde selbst nach Nawalnys Tod noch gegen den Oppositionellen gewettert. Die FPÖ scheint auch ohne Freundschaftsvertrag zu wissen, wo ihre Loyalitäten liegen.

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.