Morgenpost

Tatort Schule: Wenn Kinder kriminell werden

An Österreichs Schulen nehmen Delikte wie Diebstahl, Sachbeschädigung und Körperverletzung zu. Was Bildungsminister Polaschek dagegen tun will.

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Eine parlamentarische Anfragebeantwortung von Innenministerium Gerhard Karner (ÖVP) zeigt auf, wie sich die Kriminalität an österreichischen Schulen von 2021 bis 2023 verändert hat. Ergebnis: In allen neun Bundesländern kam es in den letzten beiden Jahren zu einer Steigerung an strafbaren Handlungen. 

Dreistellige Straftaten

Den größten Zuwachs an Gesetzesübertretungen gab es im Burgenland, in absoluten Zahlen liegt Wien mit deutlichem Abstand vorne. Wurden 2021 in Wien 962 Straftaten in Bildungseinrichtungen verzeichnet, waren es 2023 mehr als doppelt so viele: in Summe 1932. Zwischen den einzelnen Wiener Bezirken zeigen sich allerdings große Unterschiede: Nur in Hietzing blieb die Zahl der Straftaten gleich – bei 33. In Ottakring verdreifachte sie sich von 28 auf 95. In den Bezirken Landstraße, Favoriten, Simmering, Floridsdorf, Donaustadt und Liesing waren 2023 die verzeichneten Straftaten im dreistelligen Bereich – 2021 war dies in noch keinem Bezirk der Fall gewesen. Anzumerken ist jedoch, dass es im Jahr 2021 aufgrund der Corona-Pandemie und des Homeschoolings zu einem generellen Rückgang der Anzeigen kam.

Mord an Favoritner Schule

Am häufigsten kommt es in den Schulen zu Diebstählen und zu Sachbeschädigung; In Favoriten und Floridsdorf gab es allerdings mehr Gewaltdelikte als Sachbeschädigungen. Besonders brisant: 2022 kam es in einer Favoritner Schule sogar zu einem Mord. 

Täter:innen Großteils unter 14

Die Täter:innen sind laut der parlamentarischen Beantwortung meist zwischen zehn und 14 Jahren alt, also teilweise noch nicht einmal strafmündig, und zum Großteil selbst noch Schüler:innen. 

Kinderschutzkonzept ab Herbst

Was macht man mit diesen Jugendlichen? Diese beunruhigende Statistik stellt die Politik nun erneut vor die Herausforderung, die in den letzten Monaten im Zuge der Gewaltausschreitungen am Wiener Reumannplatz bereits Thema war.

Vergangenen Freitag präsentierte Bildungsminister Martin Polaschek ein Kinderschutzkonzept, das ab September 2024 an jeder Schule verpflichtend angewendet werden soll. Ziel ist es, Schüler:innen vor jeglicher Form von Gewalt zu schützen und ihnen gleichzeitig zu zeigen, dass Gewalt – egal ob psychisch, physisch oder als Missbrauch – inakzeptabel sei, so der Bildungsminister. 

Das Konzept sieht unter anderem vor, dass es an jeder Schule eine Person geben soll, die mit dem Kinderschutz beauftragt ist, also als Kommunikator, Prozessmanager:in und Ansprechperson fungiert. 

Bildungseinrichtungen sind dazu verpflichtet, ein Kinderschutzkonzept zu erstellen und dieses transparent darzulegen. Dieses soll die Punkte Risikoanalyse, Verhaltenskodex, Krisenleitfaden zum Umgang mit Beschwerden und Verdachtsfällen und Plan zur Umsetzung und Implementierung beinhalten. Die heikle Frage ist in vielen Fällen: Ab wann werden Kinder von den Schulen verwiesen - und was dann mit ihnen passiert.

Das Ministerium verspricht eine regelmäßige Qualitätskontrolle. Restlos überzeugt dürfte Polaschek von seinem Plan nicht sein. 

Denn zusätzlich zu seinem Paket unterstützte er auch den Vorschlag von Bundeskanzler Karl Nehammer, der bereits im März für ein Herabsetzen des Strafmündigkeitsalters plädierte. Laut dem Bildungsminister wäre das „ein wichtiges Signal an die Jugend” wäre. Expert:innen halten allerdings nichts davon: Das würde einfach nur dazu führen, dass wir elf- und zwölfjährige vorbestrafte Menschen in unserer Gesellschaft haben. Sie werden es als Erwachsene dann noch schwerer haben, einen Job zu finden. Das wäre extrem kontraproduktiv, sagte die pädagogische Bereichsleiterin und Jugendarbeiterin Merivan Kar in einem profil-Interview.

Natalia Anders

Natalia Anders

ist Teil des Online-Ressorts und für Social Media zuständig.