Morgenpost

Warum Meloni Wahlkampf auf dem Balkan macht

Migration ist eines der bestimmenden Themen im EU-Wahlkampf. Italiens Regierungschefin nutzt das für sich.

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Als es mich vor vielen Jahren zum ersten Mal in das albanische Fischerdörfchen Shëngjin verschlug, hätte ich nicht gedacht, dass es einmal als Bühne für den EU-Wahlkampf genutzt werden könnte. 

Stellen Sie sich einen flachen Sandstrand vor, an dem, wie die Sardinen in der Dose, bunte Sonnenschirme und Liegen dicht aneinander stehen. Mehrstöckige Appartementblocks mit Flachdächern. Eine Promenade mit Palmen, an der am Abend Familien mit ihren Kindern flanieren und Eis essen. Ein bisschen wie Lignano vor dreißig Jahren, nur nicht an der oberen, sondern an der unteren Adria. 

Was Meloni hier vorhat 

Gestern war hier Giorgia Meloni zu Besuch, die weit rechtsstehende Ministerpräsidentin Italiens. In Albanien will sie das umsetzen, von dem halb Europa redet und das sich auch Österreichs Kanzler Karl Nehammer vorstellen kann: Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der EU. Wir haben ausführlich über das Konzept berichtet. 

In aller Kürze: Pro Monat will Meloni 3.000 Menschen nach Albanien bringen und dort ihren Schutzstatus prüfen. Bereits im Sommer soll es losgehen. Die italienische Regierung hat bereits ein Schiff von einer Reederei angemietet, dass künftig mehrmals pro Monat in Shëngjin anlegen wird. "Ich hoffe, dass das ein Modell für andere, europäische Staaten wird", sagte Meloni während einer Pressekonferenz im Hafen. Neben ihr steht Edi Rama, der Ministerpräsident Albaniens und erklärt, dass sein Land "pronto", also bereit sei und außerdem "keinen einzigen Euro" für den Deal verlangt oder erhalten habe. Gut möglich, dass  Albanien, ein EU-Beitrittskandidat, so seinen Beitritt beschleunigen will, aber das ist eine andere Geschichte. 

Ihr Slogan: „Italien verändert Europa!“ 

Melonis Albanien Besuch ist Taktik. Heute, am 6. Juni, beginnt offiziell die EU-Wahl. Niederlande macht den Anfang. Italien stimmt am Samstag ab, Österreich am Sonntag. Ein Rechtsruck wird erwartet und die entscheidende Figur in diesem Lager ist: Giorgia Meloni. Sie gilt als Königsmacherin in Brüssel, nicht zuletzt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen umwirbt sie, um sich eine zweite Amtszeit zu sichern

Meloni wiederum will Europa verändern. Das ist der Slogan ihrer Partei für die EU-Wahl. Spitzenkandidatin ist übrigens Meloni selbst. Eine Scheinkandidatur. Es gilt als ausgeschlossen, dass sie ihren Posten im Rom gegen einen in Brüssel tauscht. Das käme einem Machtverlust gleich und Meloni hat das Gegenteil vor. 

In Italien will sie eine Verfassungsreform durchbringen und in Brüssel wird ihre Partei die stärkste Kraft in der Fraktion „Europäische Konservative und Reformer“ (EKR) stellen. Meloni spielt also nicht nur bei von der Leyens möglicher Wiederwahl eine entscheidende Rolle, sondern auch, wenn es darum geht, zukünftig Mehrheiten zu finden. Bei Migrationsthemen wird sie Europa ihren Stempel aufdrücken und die Abschottungspolitik vorantreiben. 

Auch deswegen war Melonis Besuch in Albanien gestern so wichtig für die Italienerin. Gelingt ihr Experiment, könnte es auch im Rest Europas salonfähig werden. Meloni, eine Trendsetterin. Wer hätte das vor ein paar Jahren noch für möglich gehalten? Ihre Partei hat Wurzeln im italienischen Faschismus. Manche verehren Benito Mussolini bis heute. Der hat Albanien im Zweiten Weltkrieg übrigens überfallen. Damals, im Jahr 1939 landete seine Armee auch – Sie werden es erraten – im Hafen von Shëngjin. 

Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

schreibt seit 2021 im Außenpolitik-Ressort. Studium Zeitgeschichte und Journalismus in Wien. Schwerpunkt Südosteuropa / Balkan.