Auf einer Wanderung mit Denisa.
Morgenpost

Wie ich beim Wandern eine Heldin kennenlernte

Das neue profil ist voller stiller Helden, die uns inspirieren und von denen wir Ihnen erzählen wollen.

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Ob wir mutige Menschen kennen, hat uns profil-Chefredakteurin Anna Thalhammer vor einigen Wochen gefragt. Für Journalistinnen und Journalisten, die sich Woche für Woche im News-Hamsterrad befinden, war das eine erfrischende Denkaufgabe. Also ging die Redaktion in sich und stöberte – zumindest gedanklich – durch alte Notizhefte und Visitenkarten.

Mir kamen einige bekannte Namen in den Sinn: ins Exil geflüchtete Journalistinnen, mutige Aktivisten, die ihr Leben für Menschenrechte aufs Spiel gesetzt haben. Aber dann fiel mir plötzlich Denisa ein. Sie würde sich selbst niemals als mutig bezeichnen – und genau das hat mich an ihr so fasziniert.

Beim Wandern kommen d'Leit zamm 

Denisa Kaca ist meine Wanderführerin in Albanien. Ich bin sehr dankbar, dass es sie gibt. Als Kärntnerin, die in Tirana lebt, geht mir (abseits von Schwarzbrot) nämlich nichts so sehr ab, wie eben wandern zu gehen. Man muss wissen: In Albanien ist das Wandern kein weit verbreitetes Hobby, was sich schon daran zeigt, dass es im sonst so reichen Wortschatz kein Verb dafür gibt. 

Auf der Suche nach Hobby-Wanderern lernte ich also Denisa kennen, eine 50-jährige Frau, die 20 Jahre in Kanada gelebt hatte, 2013 aber in ihre Heimatstadt Tirana zurückgekehrt ist. Sie organisiert jedes Wochenende Wandertouren in schattige Wälder, an die Küste oder ins Gebirge. Wie Sie sich denken können, sind viele Österreicher und Deutsche mit Funktionskleidung und fix-fertig geschmierten Käsebroten am Start.

Der Mauerfall des Balkans 

Kaca ist aber nicht mutig, weil sie auf Berge steigt. Sie ist mutig, weil sie vor 33 Jahren aus einem Freiluftgefängnis ausgebrochen ist. Albanien war damals das letzte stalinistische Land in Europa. Auch nach dem Fall der der Berliner Mauer blieb es isoliert. Flucht galt als Landesverrat und wurde mit Straflager geahndet.

Bis der Juli 1990 alles änderte. Damals hatten Tausende Menschen dieselbe waghalsige Idee: In die Gärten ausländischer Botschaften zu fliehen, wie das die DDR-Flüchtlinge bereits im Sommer zuvor getan hatten. Mitten drinnen: die damals 17-jährige Denisa Kaca. Danach war nichts mehr, wie es war, nicht nur in Albanien, sondern auch im Rest Europas. Der Kalte Krieg ging dem Ende zu.

Ein Polizist gibt sein erstes Interview 

Die Geschichte von Denisa und von vielen weiteren mutigen Menschen können Sie im neuen profil nachlesen. Edith Meinhart hat zum Beispiel mit Stefan S. gesprochen, ein Streifenpolizist, der am 2. November 2020 im Einsatz war. Damals, vor mittlerweile drei Jahren, richtete ein fanatischer IS-Sympathisant in der Wiener Innenstadt ein Blutbad an. Stefan S., damals 28 Jahre alt, feuerte die erste Kugel auf den Attentäter ab – und wurde bei seinem mutigen Einsatz schwer verletzt. Das Gespräch mit Meinhart war sein erstes Interview. Absurder Nebenaspekt: der Bundespräsident Alexander Van der Bellen verletzte sich just an diesem Abend bei einem Sturz die Hüfte und wurde in dasselbe Krankenhaus wie S. eingeliefert. Er schaute am Krankenbett des Polizisten vorbei, um ihn zu ehren.

Auch die Geschichte von Denisa ist reif für Hollywood. Wie sie ausgeht, werde ich Ihnen aber nicht verraten. Nur so viel: Der berühmte Schauspieler Sylvester Stallone kommt darin auch vor.

Einen schönen Montag wünscht,

Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

schreibt seit 2021 im Außenpolitik-Ressort. Studium Zeitgeschichte und Journalismus in Wien. Schwerpunkt Südosteuropa / Balkan.