Kultur

Nikolaus Geyrhalters neuer Film: Müll-Abfuhr

Nikolaus Geyrhalters jüngster Dokumentarfilm berührt ein virulentes Thema: „Matter Out of Place“ kreist um den Müll, der unseren Planeten unter sich begräbt.

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Nikolaus Geyrhalter ist ein weltreisender Dokumentarist. Die Werke des heute 51-Jährigen sind Wagnisse, weil sie sich nicht per Off-Kommentar erklären oder schlichte Lösungsangebote machen, sondern den desolaten Zustand, in dem dieser Planet sich befindet, lieber einfach nur vorführen. Geyrhalter hat in der verstrahlten Geisterstadt Pripyat und an den Rändern der Welt („Elsewhere“, 2001) Filme gemacht, hat postapokalyptisch anmutende Räume ausgelotet („Homo sapiens“, 2015) und den globalen Raubbau gegeißelt („Erde“, 2019). Erstaunlich furchtlos nimmt er die großen Themen in den Blick. Sein jüngster Film bildet in dieser Hinsicht keine Ausnahme: Den Begriff Trash-Film hat Geyrhalter ausnahmsweise wörtlich genommen – und unter dem Titel „ „Matter Out of Place“ eine Reihe von Szenen versammelt, die sich mit Vertuschung, Verbringung und Entsorgung von Müll befassen, mit dem verzweifelten Kampf gegen die überbordenden Mengen an sekündlich produziertem Abfall.

Geyrhalter begegnet der Aggression, mit der die Menschheit ihren Lebensraum herunterwirtschaftet, mit einer Art Gegengewalt, nämlich mit jener der Bilder (er fotografiert seine Werke grundsätzlich selbst) und der präzise gesetzten Töne (Sound-Design: Sergey Martynyuk, Nora Czamler). Gedreht wurde diesmal in Albanien, Nepal, Griechenland und Österreich, in den USA, auf den Malediven und in der Schweiz. Der Titel des Films, „Matter Out of Place“, bezieht sich auf jede Art von umweltfremdem Material; und Geyrhalter demonstriert, wie sich der Müll an den Stränden, in den Bergen und den Ozeanen, unter der Erde, an den entlegensten Orten angehäuft hat. Er zeigt die mühselige Gegenwehr abfallsammelnder Aktivist:innen, die dem öffentlichen Blick entrückten Müllhalden, die Verbrennungsanlagen und die nötigen Naturschutzpraktiken.

So ist „Matter Out of Place“ am Ende weniger Kampfansage als allerletzte Diagnose: ein filmisches Mahnmal gegen die kaum fassbare Sorg- und Gedankenlosigkeit des an sich selbst krankenden (und zugrunde gehenden) Homo insipiens.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.