Handy oder kein Handy in der Schule? Das ist hier die Frage.

Abgedreht: Brauchen wir ein Handyverbot an Schulen?

Brauchen wir ein Handyverbot an Schulen?

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Das geheime Kommunikationszentrum des Georg-von-Peuerbach-Gymnasiums in Linz befindet sich auf der Schultoilette. Von dort aus werden verschlüsselte Nachrichten via Whats-App verschickt, Instagramfotos gelikt oder Eltern heimlich über Prüfungsergebnisse informiert. Bei manchen Lehrern können es sich die Schüler aber einfacher machen, erzählen die Insider Leon und Laurenz, beide zwölf Jahre alt, die kommende Woche in die dritte Unterstufe des Linzer Gymnasiums starten: „Anstatt das Handy abzuschalten, einfach auf lautlos stellen.“ Das werde selten kontrolliert.

„Besonders hilfreich sind Handys bei Vokabeltests. In Latein sowieso“, weiß Hannah, 16, aus Wien, zu berichten. Wenn Lehrer, wie in den meisten Schulen, die Geräte vor Prüfungen einsammeln, habe die gefinkelte Schummlerin einfach ein Ersatzhandy dabei. Tipp: „Zur Sicherheit noch ein drittes Handy einpacken.“

In Österreich wird jedes Jahr pünktlich zu Schulbeginn über einen restriktiveren Umgang mit Handys an Schulen diskutiert.

Smartphones machen Lehrern das Leben schwer. Sie haben nicht nur das Schummeln revolutioniert, sondern gelten vielfach auch als Konzentrationskiller und Störenfriede. Um dem Piepsen, Klingeln und Wischen in Schulen ein Ende zu setzen, hat Frankreich nun einen radikalen Weg gewählt: An allen Vor-, Grund- und weiterführenden Schulen für Jugendliche bis 15 Jahre werden die Handys an der Schulpforte einkassiert und erst bei Unterrichtsschluss wieder ausgehändigt. Die Maßnahme ist heftig umstritten. Auch in Österreich wird jedes Jahr pünktlich zu Schulbeginn über einen restriktiveren Umgang mit Handys an Schulen diskutiert – eine Frage, an der sich die Geister scheiden.

Während Bundesschulsprecher Harald Zierfuß, der der ÖVP-nahen Schülerunion angehört, ein generelles Handyverbot für „unzeitmäßig“ hält und sich wünscht, dass das Smartphone stärker in den Unterricht eingebaut wird, ruft Paul Kimberger, oberster Pflichtschullehrervertreter, nach einem „viel strengeren Umgang“ mit Smartphones an Schulen. Damit teilt Kimberger auch die Meinung der Mehrheitsbevölkerung: Laut der aktuellen profil-Umfrage wünschen sich knapp drei Viertel der Österreicher ein generelles Handyverbot für Schüler bis 15 Jahre.

Handyverbot für Regierung aktuell kein Thema

Die österreichische Regierung wiederum will sich vorerst kein Beispiel an Frankreich nehmen: Smartphoneverbote seien nicht zielführend, heißt es im Bildungsministerium. In vielen heimischen Schulen ist das Handy aber längst aus dem Unterricht verbannt. In einigen Standorten, wie etwa am Georg-von-Peuerbach-Gymnasium in Linz, darf das Smartphone auch nicht in den Pausen genutzt werden – zumindest offiziell. Jede Schule kann das hierzulande autonom entscheiden, es braucht lediglich eine Zweidrittelmehrheit im Schulgemeinschaftsausschuss (SGA).

„Uns ging es weniger um Störungen im Unterricht als um die Pausen“, sagt Claudia Liebl, Direktorin am Bundesoberstufenrealgymnasium Bad Vöslau-Gainfarn. Die Schule in Niederösterreich war eine der ersten in Österreich, die sich zur handyfreie Zone erklärten. Seit 2012 müssen die rund 800 Schülerinnen und Schüler zwischen zehn und 19 Jahren vor Betreten des Schulgebäudes ihre Smartphones ausschalten oder auf Flugmodus stellen.

AHS-Direktorin Claudia Liebl: "In den Pausen haben die Kinder nicht mehr miteinander geredet. Jeder hat nur auf seinen Bildschirm gestarrt."

Vor dem Verbot habe man zwischen den Schulstunden überall nur gesenkte Köpfe gesehen, die auf Bildschirme starrten, erzählt Liebl: „Anstatt zu spielen oder miteinander zu reden, haben die Kinder WhatsApp-Nachrichten an ihre Sitznachbarn verschickt.“ Wer ein Handyverbot verhängt, müsse den Schülern aber unbedingt eine Alternative anbieten, betont die Direktorin. Zwischen den Unterrichtseinheiten öffnet die Schule deshalb die Turnhalle, den weitläufigen Außenbereich mit Fußballfeld und Volleyballplatz sowie die Terrasse im ersten Stock, wo sich die Jugendlichen unter Lehraufsicht frei bewegen können.

Ganz verhindern kann die Direktorin die Handynutzung damit aber auch an ihrer Schule nicht: „Von einem strikten Verbot wie in Frankreich halte ich trotzdem nichts. Wir fahren mit dieser Regelung ganz gut.“

Das sieht prinzipiell auch Gunnar Prokop, Elternvertreter am Gymnasium, so: „Meine Kinder hatten selbst eigentlich nie ein Problem mit dem Handyverbot, auch ihre Mitschüler nicht.“ Kritik am Handybann übt er dennoch: „Schwer zu akzeptieren ist es dann, wenn die Schüler trotz Verbot im Unterricht aufgefordert werden, ihr Handy auszupacken, um etwas zu googeln – oder wenn die Lehrer selbst das Smartphone auf dem Tisch liegen haben.“ Beides komme regelmäßig vor, sagt der Elternvertreter: „Leider lebt nicht jeder diese Vorbildwirkung.“

Elternvertreter Gunnar Prokop: "Schwer zu akzeptieren ist ein Verbot für Schüler dann, wenn Lehrer selbst das Handy auf dem Tisch liegen haben."

Peter Zwigl ist Direktor des Bundesoberstufenrealgymnasiums im steirischen Kapfenberg. Auch an seiner Unterstufe gilt seit 2015 ein Handyverbot. „Natürlich müssen sich Lehrer genauso daran halten“, sagt Zwigl. „Aber es sind auch die Eltern in der Pflicht. Sie fordern von der Schule zwar diese Verbote ein – daheim dürfen aber viele Kinder ihr Handy und das Internet uneingeschränkt nutzen.“

Die Schüler selbst sind oft gar nicht dagegen, sondern vielmehr die Eltern, weil sie ihre Kinder ständig erreichen wollen.

Barbara Buchegger bezeichnet generelle Handyverbote in Schulen grundsätzlich als „Augenauswischerei“. Buchegger ist Pädagogische Leiterin von „Saferinternet.at“. Die Initiative unterstützt Kinder, Eltern und Lehrende beim sicheren und kompetenten Umgang mit digitalen Medien und führt regelmäßig Workshops in Schulen durch. „Die Verbote bringen in Wahrheit nichts, weil sie kaum exekutiert werden können“, meint die Pädagogin: „Viele Lehrer sagen: ‚Ich bin eigentlich für etwas anderes da, als darauf zu achten, dass die Schüler nicht mit den Handys spielen‘.“

Punktuell könne ein Handyverbot aber sinnvoll sein – auf einer Schulwoche zum Beispiel, meint Buchegger. „Die Schüler selbst sind oft gar nicht dagegen, sondern vielmehr die Eltern, weil sie ihre Kinder ständig erreichen wollen.“ Das kann zum Stressfaktor werden: „Wenn man früher etwa einen Fünfer auf eine Schularbeit hatte, konnte man sich bis zum Nachmittag überlegen, wie man das seinen Eltern verklickert. Heute wollen die Eltern gleich in der nächsten Pause über Prüfungsergebnisse Bescheid wissen“, berichtet Buchegger. Zusätzlich sind Jugendliche heute dem ständigen Druck ausgesetzt, in der digitalen Welt Leistung erbringen zu müssen. Wenn ihnen manchmal handyfreie Zeiten von oben verordnet werden, seien sie „oft sogar dankbar dafür“, glaubt die Pädagogin.

Studie zeigt: Verbot steigert Lernerfolg

Laut einer Studie der London School of Economics aus dem Jahr 2015 steigern Handyverbote den Lernerfolg. Forscher untersuchten sechs englische Schulen, bevor und nachdem dort ein Verbot der Geräte eingeführt worden war. Die Testergebnisse der 16-jährigen Schüler steigerten sich im Schnitt um 6,4 Prozent. In Bayern wurde aus einem anderen Grund bereits im Jahr 2006 ein generelles Handyverbot verhängt. Die Landesregierung reagierte damit auf Vorfälle auf dem Pausenhof, bei denen Schüler verprügelt und dabei gefilmt wurden. Der Freistaat ist bisher das einzige Bundesland Deutschlands, das Smartphones aus den Klassenzimmern und Pausenhöfen verbannt hat, aber auch dort ist das Verbot ins Wanken geraten. Inzwischen wehren sich Schülerverbände, Eltern und auch Lehrer gegen die entsprechende Regelung im bayerischen Schulgesetz.

Unumstritten war die Durchsetzung des Verbots schon seinerzeit nicht: Viele Experten bemängelten, dass man die Schüler nicht ständig kontrollieren könne. Außerdem werde das Problem der Gewaltvideos nur in die Freizeit verlagert und keineswegs gelöst.

Aufklärung besser als Verbot

Buchegger von „Saferinternet.at“ hält es auch deshalb für sinnvoller, Kinder in Schulen für den Umgang mit Handys zu sensibilisieren, anstatt die Geräte vollkommen zu verbannen: „Digitale Medien gehören heute zum Alltag der Kinder und Jugendlichen. Es ist ein Themenbereich, der sie unglaublich motiviert, der aber auch Gefahren mit sich bringt.“

Wenn die Pädagogin Workshops in Schulen hält, erschrickt sie oft, wie wenig Schüler über sicheres Surfen im Netz wissen. Dem will nun auch der neue Unterrichtsplan entgegenwirken: Ab diesem Schuljahr startet in den AHS-Unterstufen und Neuen Mittelschulen die verpflichtende Übung „Digitale Grundbildung“, wo Schülern neben Office-Anwendungen etwa ein vernünftiger Umgang mit Social Media vermittelt werden soll. Ob und wie Lehrende Smartphones einbinden, können allerdings die Schulen selbst entscheiden.

„Bei Handyverboten besteht auch die Gefahr, dass sich Lehrer nicht für Konflikte zwischen Schülern in WhatsApp-Gruppen zuständig fühlen, weil es ja ein Handyverbot an der Schule gibt“, fürchtet Buchegger. Diese „unsichtbaren“ Konflikte im Klassenverband könnten aber zu einem schlechten Lernklima und einem Vertrauensverlust der Kinder führen: „Lehrer müssen heute wissen, was WhatsApp ist, und diese Online-Welt auch einbeziehen.“