Sanktionen für Ungeimpfte: Auch Mindestsicherung betroffen

Auch wer Mindestsicherung bezieht und einen Job ablehnt, weil dafür eine Impfung verlangt ist, kann die Bezüge verlieren.

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Beschäftigungslosen kann das Arbeitslosengeld gestrichen werden, wenn sie einen Job aufgrund einer verlangten Coronavirus-Impfung ablehnen. Diese Regelung hat Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) nun in Kraft gesetzt. Über die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme tobt eine heftige Debatte. Wie profil erfuhr, sind auch Mindestsicherungsbezieher automatisch davon betroffen. Für die Auszahlung der Mindestsicherung sind zwar die Bundesländer zuständig. Seit einer Reform 2018 schlagen Sanktionen des Arbeitsmarktservice (AMS) jedoch automatisch auf Mindestsicherungsbezieher durch. Auch sie müssten also einen Job annehmen, für den eine Impfung Voraussetzung ist. "Wir sehen im System, ob jemand dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht oder die Arbeitsaufnahme verweigert. Wenn zweiteres der Fall ist, kürzen wir die Bezüge in einem ersten Schritt automatisch um 25 Prozent, dann um 50 Prozent und am Ende um 100 Prozent", schildert der Sprecher des Wiener Soziallandesrates Peter Hacker, Mario Dujaković.

Wien ist das Bundesland mit den meisten MIndestsicherungsbeziehern. Von insgesamt 128.000 Beziehern im August 2021 mussten 46.500 dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Diese Gruppe könnte - sofern ungeimpft - theoretisch von der neuen Maßnahme betroffen sein. Der Rest sind Kinder, Pensionisten oder körperlich beeinträchtigte Personen, die nicht ans AMS angedockt sind.

FPÖ will verfassungsrechtlich prüfen

Eine Kürzung für Ungeimpfte würde sowohl Aufstocker wie auch arbeitsfähige Vollbezieher treffen. In Wien sind nur 20.000 Vollbezieher, darunter anerkannte Flüchtlinge, die in der MIndestsicherung starten und vom AMS vermittelt werden.

Der viel größere Teil sind sogenannte Aufstocker, deren Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe unter dem Grenzwert von aktuell 950 Euro liegen. Der Rest wird durch die Mindestsicherung aufgestockt. Wer aufstockt, verliert das Arbeitslosengeld und die Mindestsicherung bei Kürzungen und Sperren zu gleichen Teilen. In Wien gibt es pro Monat durchschnittlich 1500 Sanktionen bei der Mindestsicherung. 2020 sank die Zahl wegen größerer Milde des AMS auf 1000. Nicht berührt von Sanktionen ist der Wohnanteil, der laut Dujaković in Wien bei 25 Prozent liegt. Das heißt: Ein Vollbezieher, der ungeimpft bleiben möchte, und deswegen Jobs mit Impfpflicht hartnäckig verweigert, muss im Extremfall mit 237 Euro im Monat auskommen.

Die FPÖ läuft Sturm gegen Nachteile für ungeimpfte Arbeitslose. Und auch Sanktionen bei der Mindestsicherung lehnt sie ab, kann aber wegen des Automatismus wenig dagegen machen. In Niederösterreich ist Gottfried Waldhäusl für die Mindestsicherung zuständig. "Nachteile für Ungeimpfte sind der falsche Weg. Das spaltet die Bevölkerung." Er betont die Unterschiede zwischen der Versicherungsleistung des Arbeitslosengeldes und der existenzsicherenden Mindestsicherung. Deswegen will er allfällige Kürzungen der Mindestsicherung für Ungeimpfte verfassungsrechtlich prüfen lassen.

Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.