Josefinismus

BZÖ: Parteichef Josef Bucher kämpft um das politische Überleben

BZÖ. Der verzweifelt-sonnige Kampf von Parteichef Bucher um das politische Überleben

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Am 3. Oktober 2008 bestellte Jörg Haider seine zwei wichtigsten Vertrauten ins Ristorante "Firenze“ in der Klagenfurter Bahnhofstraße: Stefan Petzner, damals 27, Wahlkampfleiter und Generalsekretär des BZÖ, und Harald Dobernig, 28, Bürochef des Landeshauptmanns, später Finanzlandesrat in Kärnten. Wenige Tage zuvor, am 28. September, hatte das Bündnis Zukunft Österreich bei den Nationalratswahlen - Spitzenkandidat: Jörg Haider - mit 10,7 Prozent einen Überraschungserfolg erzielt. Im "Firenze“ verkündete der Landeshauptmann seinen Mitstreitern nunmehr anstehende Personalentscheidungen. "Haider wollte, dass Petzner Klubobmann in Wien wird“, so Harald Dobernig vergangene Woche gegenüber profil. Doch der Wahlkampfmanager winkte ab. Petzner habe Haider stattdessen vorgeschlagen, den Friesacher Abgeordneten Josef Bucher zum Klubobmann zu machen. Haiders Reaktion in Dobernigs Erinnerung: "Der Seppi Bucher kann das nicht. Der ist zu schwach und zu schwarz.“

Acht Tage danach verunglückte Jörg Haider auf der Loiblpass-Straße in Lambichl nahe Klagenfurt tödlich.

Politisches Existenzminimum
Knapp fünf Jahre später vegetiert das BZÖ auf dem politischen Existenzminimum dahin. Unter dem Eindruck verheerender Umfragen - die Orangen liegen derzeit bei zwei bis drei Prozent - schickt Parteichef Josef Bucher die letzten Haiderianer in die Frühpension. Die Ironie dieser politischen Enterbung: Von Haiders Vermächtnis ist - dessen strafrechtliche Aufarbeitung ausgenommen - ohnehin nichts übrig.

Donnerstag vorvergangener Woche hatten Stefan Petzner und EU-Mandatar Ewald Stadler ihren Parteichef in dessen Büro in der Wiener Doblhoffgasse beim Parlament gestellt. Ohrenzeugen erzählen von lautstarken Auseinandersetzungen. Der Parteichef verließ schließlich fluchtartig das Büro.

„Next Generation”
Zwei Tage später meldete profil in einer Vorausmeldung, auf der BZÖ-Bundesliste für die Nationalratswahl seien keine Parteipromis aus der Haider-Ära an wählbarer Stelle vertreten - weder Petzner noch Stadler noch der steirische BZÖ-Obmann Gerald Grosz. Bucher tauchte ab.

Montag vergangener Woche präsentierte der BZÖ-Obmann seine - wie er es nannte - "Next Generation“ aus eigenen Mitarbeitern und No-Names. Stefan Petzner dürfte den Gunstentzug schon geahnt haben, schließlich war statt ihm der in Kampagnenbelangen unerfahrene Generalsekretär Markus Fauland zum Wahlkampfleiter erkoren worden. Buchers Dream-Team kommentierte Petzner knapp: "Ich will gar nicht zu dieser Next Generation gehören. Ich bleibe Haider-Generation.“ Ewald Stadler rächte sich mit dem boshaftesten aller Vergleiche: "Das ist eine andere Partei, als sie Jörg Haider gegründet hat. Das ist ein Bucher-LIF.“

Tatsächlich ist es ein gewagtes Manöver. Und ein halbherziges und verspätetes. Gewagt, weil die Degradierung die orange Kernwählerschaft - Haider-Verehrer auf immer und ewig - massiv irritieren dürfte. Halbherzig, weil sich Bucher zwar von dessen engsten Mitstreitern, aber nicht von Haider selbst distanziert. Verspätet, weil der BZÖ-Chef einen derartigen Big Bang früher initiieren hätte müssen. So wirkt der Befreiungsschlag wie ein Verzweiflungsakt.

Und Grund zur Desperation hat Bucher wahrlich genug. Vor fünf Jahren hatte Haider dem BZÖ im Alleingang 21 Mandate verschafft. Heute sind noch zwölf davon übrig.

Im Herbst 2009 liefen das Kärntner BZÖ und mit ihm drei Abgeordnete unter Führung von Uwe Scheuch beinahe geschlossen zur FPÖ über. Bucher hatte die Warnsignale übersehen - auch weil er sich weigerte, bei Sitzungen des Landesparteivorstands in Klagenfurt anwesend zu sein. Und seit knapp einem Jahr desertieren regelmäßig BZÖ-Abgeordnete zum Team Stronach.

Josef Buchers beeindruckendste Leistung besteht angesichts dieser Erosionen darin, dass es ihn und das BZÖ überhaupt noch gibt.

Rechtsliberale Partei
In den vergangenen Jahren hatte der BZÖ-Chef versucht, das Bündnis als rechtsliberale Partei zu positionieren. Aus dem Jäger der Koalitionsparteien wurde allerdings selbst ein Gejagter. Frank Stronach knöpft dem BZÖ die Frustwähler ab, die NEOS die besser gebildeten Urban-Liberalen, die Bucher mit seiner "Next Generation“ ködern wollte.

Stefan Petzner und Ewald Stadler hatten intern einen kantigen Wahlkampf mit offensiver Gegnerbekämpfung als Erfolgsrezept propagiert. Der BZÖ-Chef forcierte - gestützt durch seinen engsten Vertrauten, Generalsekretär Markus Fauland - eine sachpolitische Wahlkampagne um Steuersenkungen und Verwaltungsreform. Für die Haiderianer war darin kein Platz vorgesehen. Ein Bucher-Vertrauter: "Leute wie Petzner, Grosz und Stadler sind politische Nihilisten. Sie sind gute Rhetoriker und lautstarke Verkäufer, dahinter steckt aber null politische Substanz.“

Einsamer Wahlkampf
Ohne die bisherigen Parteipromis - Peter Westenthaler, Herbert Scheibner und Haider-Schwester Ursula Haubner nehmen freiwillig ihren Abschied - führt der BZÖ-Chef einen einsamen Wahlkampf an der Spitze seines Bündnisses. Wohl und Wehe seiner Partei hängen nun ausschließlich von der Strahlkraft der Marke "Bucher“ ab. Mangelnder Einsatz ist ihm nicht vorzuwerfen. Ob beim Altstadtfest in Schärding, im Einkaufszentrum in Liezen, der Fête Blanche in Velden oder den Kirtagen in Villach, Altaussee und Neustift am Walde - allerorts kämpft der BZÖ-Obmann nicht nur um Wählerstimmen, sondern vor allem gegen den Fluch der vermeintlich verlorenen Stimme und der sich selbst erfüllenden Prophezeiung: Warum das BZÖ wählen, wenn die Partei ohnehin an der Vier-Prozent-Hürde für den Einzug in den Nationalrat scheitern dürfte?

Zwangsoptimismus
Josef Bucher setzt auf Zwangsoptimismus ("Das BZÖ wird es ewig geben“) und auf sein selbst vermutetes Talent bei TV-Duellen. In der Öffentlichkeit präsentiert sich der gelernte Koch als fescher Sonnyboy im scharf geschnittenen Anzug. Intern gilt er als schwieriger Charakter; Bucher tendiert zur Übersensibilität. Sein Sekretariat ist angehalten, dem Chef möglichst keine Mails mit negativer Kritik vorzulegen. Buchers Harmoniesucht macht Konfliktbewältigung kaum möglich. Entlässt die Klubdirektorin mit Einverständnis ihres Chefs einen Mitarbeiter, steht Bucher nach interner Kritik nicht zu seiner Entscheidung. Attackieren die BZÖ-Landeschefs den Bundesgeschäftsführer wegen der Budgetzuteilung, zieht auch der Chef den von ihm abgesegneten Etatplan wieder in Zweifel.

Eine politische Führungsfunktion hatte Bucher sich selbst in der Stunde null nach Haiders Tod nicht zugetraut. Auch nach seiner Kür zum Bündnissprecher beim Linzer Parteitag im April 2009 plagten ihn Selbstzweifel. Hilfreich bei deren Überwindung war Buchers durchaus vorhandene Eitelkeit und deren Befriedigung durch den neuen Spitzenposten.

Die Nichtberücksichtigung der Haiderianer kommentierte der BZÖ-Obmann mit einer kleinen Flunkerei: Alles sei abgesprochen gewesen. Und mit einer bewussten Schmähparade: Petzner, Stadler und Grosz würden ohnehin auf den Landeslisten in Kärnten, Niederösterreich und der Steiermark kandidieren. Scheitert Bucher mit seiner "Next Generation“ an der Vier-Prozent-Hürde, sind freilich auch die Ergebnisse in den Ländern wertlos. Von der Strahlkraft seiner unbekannten Kandidaten im Vergleich zu den abservierten gab er sich überzeugt: "So eine Mannschaft hat Österreich verdient.“ Sie repräsentiere eine von ihm "handverlesene Auswahl von Persönlichkeiten“.

Dass der BZÖ-Chef weit reichende Entscheidungen - wie etwa Personalauswahl - nicht immer rational fällt, macht sein im Internet veröffentlichtes politisches Motto deutlich: "Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt.“

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.