Dariadaria: "Ich werde keinen Wahlkampf führen"

Die Öko-Influencerin Madeleine Alizadeh über ihren symbolischen Listenplatz bei den Grünen, die Zersplitterung der Linken und das plötzliche Interesse der FPÖ am Klimaschutz.

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profil: Frau Alizadeh, Ihnen folgen bei Instagram unter dem Namen Dariadaria fast eine Viertelmillion Menschen, Sie machen einen Podcast, verkaufen faire Mode und haben gerade ein Buch geschrieben. Im Herbst wollen Sie für die Grünen bei der kommenden Nationalratswahl kandidieren. Warum das auch noch? Alizadeh: Politisch war ich schon in der Jugend, ich habe ja auch Politikwissenschaften studiert. Und in meinen Kanälen habe ich jetzt viele Jahre lang auf soziale und ökologische Themen aufmerksam gemacht. Nun stellte ich fest: Ich will noch mehr tun, nur wählen zu gehen reicht mir nicht mehr. Ich hatte trotzdem Angst vor diesem Schritt. Die Parteipolitik lag mir wie vielen Menschen eher fern und ich wollte auch nicht die vielen Leute verschrecken, die meiner Arbeit folgen.

profil: Warum haben Sie sich doch aufstellen lassen? Alizadeh: Ganz einfach: Ich will, dass die Grünen wieder Teil der politischen Landschaft in Österreich sind. Sie brauchen jetzt jede Unterstützung.

profil: Sie sind aber kein Parteimitglied? Alizadeh: Nein.

profil: Auch kandidieren Sie auf eigenen Wunsch auf dem letzten Listenplatz, warum? Alizadeh: Ich wollte nicht in eine Position weiter vorne gehen, weil ich zu dem Zeitpunkt tatsächlich noch nicht das Know-how dafür mitbringe. Ich bin auch sehr überzeugt von den Spitzenkandidatinnen, die zur Wahl stehen. Frauen wie Leonore Gewessler und Sibylle Hamann sind super und ich stelle mich gern hinter sie.

profil: Sie sagen, Ihre Kandidatur sei eher symbolisch. Weshalb so zögerlich? Alizadeh: Ich wachse gern langsam in Dinge hinein. Ich würde nicht in die Politik gehen wollen und nach zwei Jahren sagen: Na, taugt mir doch nicht. Zum jetzigen Zeitpunkt könnte ich auch gar keine Berufspolitikerin sein und meine anderen Aufgaben so schnell einstellen. Das müsste ich in meinen Augen aber, um dem demokratischen Ethos zu entsprechen.

profil: Was wird also Ihre Rolle im kommenden Wahlkampf sein? Alizadeh: Ich habe kein Soll von der Partei und keine Agenda, ich darf alles frei entscheiden. Sicherlich werde ich keinen Wahlkampf führen und auch keine direkte Wahlempfehlung an meine Community geben. Es wird Inhalte zur Wahl geben, aber das entscheide ich spontan und nach Gefühl. Allein das Statement, dass ich da vorne auf der Bühne stand und dieses politische Coming-Out hatte, hatte schon eine Wirkung.

profil: Wie waren die Reaktionen darauf? Alizadeh: Es kam unglaublich viel Zuspruch, was mich sehr gefreut und bestätigt hat. Aber es kamen auch alle erwartbaren Klischees.

profil: Welche? Alizadeh: Die Leserkommentare in der "Kronen Zeitung" zielten natürlich auf meine iranischen Wurzeln ab: Soll sie doch zurück in ihr Land gehen und sich dort um die Frauen kümmern. Ein anderes Medium schnitt einen Beitrag mit Schminkvideos von 2013 zusammen. Da wird suggeriert: Bisher schminkte sie sich, jetzt wird sie politisch aktiv. Dass ich seit Jahren was anderes mache, zählt nicht. Dann hieß es: "Wenigstens mal eine Hübsche, aber im Kopf hat sie vermutlich nichts."

Für eine starke, attraktive Frau, die etwas erreichen will, sind manche Menschen nicht bereit

profil: Das Los der Frauen in der Politik? Alizadeh: Sicher auch. Für eine starke, attraktive Frau, die etwas erreichen will, sind manche Menschen nicht bereit. Aber es trifft schon alle, die sich verletzlich zeigen. Ich finde diese Art von Offenheit wichtig, sie könnte gesamtgesellschaftlich die Menschlichkeit kultivieren. Die Politik ist aber einer der wenigen Orte, wo man das wohl nicht darf. Meine Vision von einer Politik der Zukunft wäre, dass Menschen, die gefühlsbetonter und weicher sind, sich auch hineintrauen. Und dass sie dafür nicht zerfleischt werden.

profil: Sie sind dafür bekannt, dass Sie frei heraus Ihre Meinung sagen. Für Aufsehen sorgte 2015 Ihr offener Brief ans Innenministerium, in dem sie die Situation von Geflüchteten kritisierten. Nun könnten Sie mit so etwas der Partei schaden, wie gehen Sie damit um? Alizadeh: Das war eine meiner größten Sorgen. Aber ich lasse mich da einfach von meinem moralischen Kompass leiten. Die ganze Parteipolitik ist ja so ein Apparat, der nach uralten Regeln funktioniert. Mein Traum wäre, dass es möglich wird, bei einer Partei zu sein, sich für deren Sache auszusprechen oder sie mitzugestalten – und trotzdem in Bündnissen zu denken. Als ich die Kandidatur bekannt gegeben habe, schrieb mich Mirelle Ngosso von der SPÖ an: "Gratuliere, voll cool. Sollen wir vor der Wahl gemeinsam zum Wählen aufrufen?" Sowas meine ich, das ist doch richtig so. Wir müssen uns gegenseitig den Rücken stärken.

profil: Der Eindruck vieler Menschen ist eher, dass die Linke zersplittert ist. Wie sehen Sie das? Alizadeh: Meine persönlichen Erfahrungen sind leider auch so. Irgendwann ist die linke, journalistische Twitter-Blase auf mich aufmerksam geworden und hat wöchentlich was über mich verbreitet. Die kommunistische Jugend behauptete vor kurzem, ich sei kapitalistisch und neoliberal. Aus der feministischen Ecke wurde ich schon als "Eso-Funzel" bezeichnet und regelrecht beschimpft.

profil: Wie geht es Ihnen mit solchen Angriffen? Alizadeh: Vor allem fand ich es ernüchternd: Wir stehen ja politisch im selben Spektrum. Klar gibt es Nuancen, unsere Deckungsgleichheit wird nie 100 Prozent sein, nicht mal in derselben Partei. Man kann bei den Grünen im Bundeskongress in einer Reihe dieselbe Frage an fünf verschiedene Menschen stellen und man wird fünf verschiedenen Antworten bekommen. Es ist nicht der Sinn der Sache, dass alle dieselben Antworten geben.

profil: Sie haben Ihren Fokus auf ökologische und soziale Probleme gelenkt, obwohl sie als Influencerin mehr Geld damit machen könnten, Luxusmarken zu bewerben. Was prägte diese Entwicklung? Alizadeh: Sicherlich mein Vater. Er hatte eine extrem schwierige Kindheit, ist mit sechzehn Jahren aus dem Iran gekommen, hatte Knochenkrebs. Sie haben ihm das Bein amputiert, er ist Taxi gefahren und hat dann als Menschenrechtsaktivist gearbeitet, unter anderem auch in Ruanda. Ich habe diese Themen über ihn mitbekommen und verinnerlicht. Es war aber bei mir als Kind schon so: Ich konnte nie akzeptieren, wenn es unfair zuging.

profil: Als Aktivistin waren Sie schon in Flüchtlingslagern und Kriegsgebieten. Wie schauen Sie auf die Situation in Österreich, einem der reichsten Sozialstaaten der Welt? Alizadeh: Österreich ist immer noch ein Elfenbeinturm. Allerdings beruhen unsere weißen Privilegien und zivilisatorischen Errungenschaften hier oft darauf, dass es an anderen Punkten der Erde ziemlich unfair zugeht. Ungerechte Entwicklungen sehe ich auch bei uns: allein, wie die Verteilung von Wohlstand sich immer mehr konzentriert und was aus diesem Sozialstaat gemacht wird. Wir hatten zuletzt wirtschaftsliberale Strömungen und kurzfristig gedachte Steuerreformen, die niemals nachhaltig sein können. Die Liste ist sehr lang.

profil: Im Herbst wird entschieden, wer Österreich künftig regieren soll. Wenn sie genug Unterstützungserklärungen sammeln, konkurrieren die Grünen mit Parteien, die jetzt auch alle den Klimaschutz hochhalten. Alizadeh: Da haben manche mit Tempo 140 die Kurve gekratzt, ja.

Die österreichischen Rechten haben lange geleugnet, dass es den menschengemachten Klimawandel überhaupt gibt

profil: Sie nehmen es der FPÖ also nicht ab? Alizadeh: Die österreichischen Rechten haben lange geleugnet, dass es den menschengemachten Klimawandel überhaupt gibt. Harald Vilimsky teilte noch im EU-Wahlkampf irreführende Studien über Elektroautos. Plötzlich steht Klimaschutz scheinbar ganz oben auf der Prioritätenliste der FPÖ. Daran merkt man, wie situationselastisch diese Schwerpunkte gesetzt werden. Da muss ich als mündige Bürgerin schon überlegen: Welche Partei hat diese Themen schon länger auf der Agenda und verfolgt sie auch mit gutem Gewissen und Tiefgang?

profil: Was erwarten Sie sich also von der Wahl? Alizadeh: Ich glaube nicht, dass unsere nächste Regierung eine Blau-Schwarze sein wird. Na gut, ich hoffe es zumindest nicht. Ich wünsche mir eine Zusammensetzung, die mehr im Sinne des Gemeinwohls ist. Soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz müssen jetzt ganz oben auf der Agenda sein. Und zwar wirklich.

Madeleine Alizadeh ist unter dem Namen Dariadaria als Modebloggerin im deutschsprachigen Raum bekannt geworden. Seit einigen Jahren widmet sich die 30 Jahre alte Aktivistin aber Themen wie fairem Konsum, Tierwohl und Klimaschutz. Sie führt ein eigenes Modelabel, bringt den Podcast "A mindful mess" heraus und veröffentlicht im Herbst das autobiografisch geprägte Buch "Starkes weiches Herz".

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