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Debatte um Lohnnebenkosten: Neos für Senkung, SPÖ hat andere Pläne

Während ÖVP, FPÖ und Neos die Lohnnebenkosten für Unternehmer senken wollen, forciert die SPÖ eine Senkung der Lohnsteuern von Arbeitnehmern. In beiden Fällen stellt sich die Frage: Lässt sich das finanzieren?

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Die meisten Wirtschaftsexperten sind sich einig: Der Faktor Arbeit wird in Österreich zu hoch belastet. Zählt man Einkommenssteuer, Sozialversicherungsabgaben und die Lohnnenbenkosten der Dienstgeber zusammen, gehört Österreich zu den drei OECD-Ländern mit den höchsten Abgaben.

Der Ärger darüber ist groß: Laut dem Austrian Tax Survey des Beratungsunternehmens Deloitte ist es Unternehmen die Senkung der Lohnnebenkosten wichtiger als niedrigere Unternehmenssteuern.

ÖVP, FPÖ und Neos sind sich einig: Sie wollen die Lohnnebenkosten senken. Die Grünen und die SPÖ sind skeptisch, stattdessen schwebt den Sozialdemokraten eine Senkung der Einkommenssteuer vor. Das sind alles populäre Forderungen für die verschiedenen Zielgruppen der Parteien. Schwieriger ist die Frage der Gegenfinanzierung: Steuern und Lohnnebenkosten finanzieren Gesundheitsleistungen, Schulbücher und Pensionen.

Ein Arbeitnehmer mit einem durchschnittlichen Jahresbruttolohn von 57.400 Euro (monatlich 4100 Euro), muss 33 Prozent an Lohnsteuern und Sozialversicherung abführen. Dem Arbeitgeber kommt der Dienstnehmer aber insgesamt deutlich teuer, er muss weitere 29,7 Prozent vom Bruttolohn als Lohnnebenkosten abführen. Ein Durchschnittsverdiener kostet einem Betrieb damit 74.400 Euro, dem Dienstnehmer bleibt davon netto nur die Hälfte.

Die Bundesregierung hat Oktober vergangenes Jahr die Dienstnehmerbeiträge für den Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) um 0,2 Prozent gesenkt, was eine Entlastung für Unternehmen von 1,5 Milliarden Euro bis 2026 bewirken soll. Der FLAF finanziert Sozialleistungen wie die Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld und den Selbstbehalt für Schulbücher.

Die Volkspartei rühmt sich gegenüber profil, damit eine „langjährige Forderung der Wirtschaft umgesetzt“ zu haben. Außerdem wurde der Unfallversicherungsbeitrag, also die Unternehmerhaftpflicht, um 0,1 Prozent gesenkt – ebenso der Beitrag zum Insolvenzentgeldfonds. „Das ergibt eine dauerhafte Senkung der Lohnnebenkosten und eine Entlastung von über 600 Millionen Euro pro Jahr“, so die ÖVP.

Was Neos wollen

Den Neos geht das nicht weit genug. Vergangene Woche schlug die wirtschaftsliberale Partei vor, die Lohnnebenkosten um 6,55 Prozentpunkte zu senken – auf den OECD-Schnitt. Das, so die Neos, könnte im Vorfeld der Kollektivvertragsverhandlungen den Druck von den Unternehmen nehmen – und dafür sorgen, dass die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs nicht verloren geht.

Laut einer Schätzung der Arbeiterkammer für profil würde eine Senkung in dieser Höhe eine Budgetlücke von sieben bis zehn Milliarden Euro bedeuten – auch die Neos rechnen mit neun Milliarden, die dem Staat dadurch fehlen.

Bei der Streichung der Kammerumlage „braucht es unserer Meinung keine Gegenfinanzierung der öffentlichen Hand, sondern Einsparungen bei der Wirtschaftskammer“, so die Neos. Den Wunsch, die Wirtschaftskammerumlage zu streichen, teilt auch die FPÖ. Die Freiheitlichen wollen auch die Arbeiterkammerumlage streichen, die von Dienstnehmer zu zahlen ist.

Der Neos-Vorstoß beruht auf Berechnungen des Forschungsinstituts Economica. Potenziale für die Gegenfinanzierung sehen Neos teilweise durch Effizienzsteigerungen, denn Österreich habe ein „Ausgaben- und kein Einnahmenproblem“. Wäre die Regierung sparsamer im Ausgeben, zitieren die Neos eine Eco Austria-Studie, würde das 7,8 Milliarden Euro sparen. Potenziale sehen die Wirtschaftsforscher in der Verwaltung, im Gesundheits- und im Schulwesen. Einen weiteren Teil des Einnahmenentfalls durch die Lohnnebenkostensenkung wollen die Neos mit höherem Steuereinnahmen kompensieren – steigende Gehälter sorgen auch dafür, dass der Staatshaushalt wächst.

Die Arbeiterkammer ist nicht so optimistisch und befürchtet Einschnitte im Sozialstaat: „Wir sehen weder im Gesundheitsbereich, bei den Pensionen oder bei der Bildung Einsparungspotentiale, die ansatzweise an die Summe heranreichen.“

Babler gegen Senkung

SPÖ-Chef Andreas Babler erklärte im ORF-Sommergespräch erstmals, dass er den Faktor Arbeit entlasten will: „Arbeit gehört niedriger besteuert … Ich hätte einen konkreten Vorschlag, wie man das auch finanzieren kann: Über die Vermögensbesteuerung der Superreichsten.“ Babler sprach weiters von „mehr netto vom brutto im Börserl“.

Anders als die Neos will Babler nicht die Lohnnebenkosten der Unternehmer senken, sondern die Einkommenssteuer der Arbeitnehmer, wie die SPÖ auf profil-Anfrage klarstellt. Wie das finanziert werden könnte? Die SPÖ verweist auf ihr neues Modell zur Vermögensbesteuerung.

Grüne wollen abwarten

Über die Senkung lohnbezogener Abgaben wollen die Grünen erst dann reden, wenn es mit CO2-Steuern oder Millionärssteuern andere Finanzierungsquellen gibt. Denn „eine Lohnnebenkosten-Senkung ohne Gegenfinanzierung würde Unternehmen Milliarden an Steuern und Abgaben sparen – den Menschen in diesem Land aber teuer zu stehen kommen“, so die Argumentation.

Weiters bezeichnen sie die „oberflächliche Pauschalforderung“ nach einer Lohnnebenkostensenkung als „populistisch“ und nicht „ökonomisch durchdacht“. Wer Abgaben auf Arbeit senken wolle, müsse auch erklären, was künftig mit den daraus finanzierten öffentlichen Leistungen geschehen soll. Damit gemeint ist etwa die Kommunalabgabe, mit der auch Pflegeeinrichtungen finanziert werden.

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.