Der Polterknecht: Was ist mit Landeshauptmann Doskozil los?

Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil bringt sich mit seltsamen Auftritten selbst in Schwierigkeiten. ROSEMARIE SCHWAIGER über einen eigentlich instinktsicheren Politiker, dem zuletzt das Gespür abhandenkam.

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SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hätte sich an ihrem parteiinternen Widersacher revanchieren können, aber sie ließ die Gelegenheit elegant verstreichen. "Es geht jetzt nicht darum, mit einem erhobenen Zeigefinger irgendetwas zu sagen", erklärte sie bei einer Pressekonferenz, als sie zu den jüngsten Aktivitäten des burgenländischen Landeshauptmanns Hans Peter Doskozil befragt wurde. Bei der Commerzialbank Mattersburg handle es sich um einen Kriminalfall, der so schnell wie möglich und lückenlos aufgeklärt werden müsse, sagte Rendi-Wagner. Genau das habe Doskozil angekündigt.

Allerdings tat der Parteifreund ein wenig mehr als das. Hans Peter Doskozil, einst Verteidigungsminister und seit eineinhalb Jahren SPÖ-Landeshauptmann in Eisenstadt, nutzte die Pleite der kleinen Bank im Mittelburgenland zu ein paar Auftritten, die das Publikum einigermaßen ratlos zurückließen. Vor allem ein Pressetermin am Montag vergangener Woche geriet zu einem Rundumschlag: gegen die ÖVP, gegen Österreichs "Geldadel", gegen die Medien. Am heftigsten echauffierte sich Doskozil bei diesem Anlass über einen Bericht der Tageszeitung "Kurier", der eine mysteriöse Kontobewegung zum Thema hatte. Wenige Stunden, bevor die Commerzialbank Mattersburg behördlich geschlossen wurde, habe die Regionalmanagement Burgenland GmbH, kurz RMB, 1,2 Millionen Euro abgehoben, schrieben die Kollegen. Hans Peter Doskozil erboste das maßlos. "Das ist nicht wahr, das ist eine Lüge", schimpfte er. "Was ist das bloß für ein Journalismus?"

Versuch einer Abbuchung

Offenbar war der Landeshauptmann nicht umfassend informiert gewesen. Wenige Stunden später stellte sich heraus, dass es den Versuch einer Abbuchung sehr wohl gegeben hatte. Zur Durchführung kam es nur deshalb nicht, weil der Regierungskommissär die Transaktion stornierte. "Der Versuch ist falsch dargestellt worden. Es wurde dargestellt, als wäre es passiert", blieb der Landeshauptmann im ORF-Interview trotzig bei seiner Linie.

Wie jeder Mensch kann sich auch ein Politiker einmal verrennen. Fraglich ist allerdings, warum sich Doskozil ohne Not gerade jetzt angreifbar macht. Natürlich ist es unangenehm, wenn im eigenen politischen Verantwortungsbereich ein Finanzskandal dieser Größenordnung passiert. Es war auch peinlich, als bekannt wurde, dass Wirtschaftslandesrat Christian Illedits zum Geburtstag von Bankchef Martin Pucher ein mehr als 5000 Euro teures "Goldblatt" bekommen und angenommen hatte. Aber der Landesrat trat umgehend zurück, und kein ernst zu nehmender Diskussionsteilnehmer hat bisher behauptet, dass die Landesregierung Schuld an der Bankenpleite trage. Versagt haben, soweit bekannt, die Wirtschaftsprüfer, die Bankenaufsicht und andere Experten. Für Doskozils verunglückten Aktionismus gibt es eigentlich keinen Grund. Weiß er etwas, was außer ihm noch keiner weiß? Oder hat der sonst so instinktsichere Politiker sein Gespür verloren? Anzeichen für Letzteres gab es in der jüngeren Vergangenheit schon einige.

Steile Karriere

Fast auf den Tag genau fünf Jahre ist es her, seit Hans Peter Doskozil einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde: Am 27. August 2015 entdeckte ein Mitarbeiter der Asfinag in einer Nothaltebucht auf der Ostautobahn zwischen Parndorf und Neusiedl am See einen abgestellten, führerlosen Lkw. Im Laderaum lagen 71 tote Flüchtlinge, die in ihrem Gefängnis hilflos erstickt waren. Hans Peter Doskozil war zu dieser Zeit Landespolizeidirektor im Burgenland. Wann immer die damalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner vor die Presse trat, um weitere Details der Tragödie bekannt zu geben, stand Doskozil neben ihr. Er wirkte kompetent und besonnen und traf in dieser schwierigen Situation stets den richtigen Ton. Das galt auch in den Monaten danach, als Doskozil während der Flüchtlingskrise für das Grenzmanagement in Nickelsdorf zuständig war.


Bundeskanzler Christian Kern holte den damals 45-jährigen Burgenländer Anfang 2016 als Verteidigungsminister in sein Kabinett. Nicht einmal zwei Jahre später kehrte Doskozil ins Burgenland zurück und wurde Landesrat für Finanzen, Kultur und Infrastruktur. Seit Februar 2019 ist er Landeshauptmann - und errang bei der Landtagswahl Anfang dieses Jahres für die SPÖ die absolute Mehrheit.

Nicht nur mit der Karriere ging es schnell, auch die Außenwirkung veränderte sich im Blitztempo: Hatte Doskozil vor fünf Jahren noch als Vertreter der Willkommenskultur gegolten, erwarb er sich bald darauf den Ruf eines Hardliners in Migrationsfragen. Im Sommer 2017 ventilierte er sogar kurz die Idee, die Grenze am Brenner mithilfe von Bundesheerpanzern zu sichern. Einen empathischen Sozialdemokraten stellt man sich wahrlich anders vor. Aber Doskozil ist kein Ideologe, sondern durch und durch Pragmatiker. "Narrativ! Ich kann das Wort nicht mehr hören",erklärte er Ende vergangenen Jahres in einem Interview mit der Tageszeitung "Der Standard".Das sei doch alles verrückt: "Ich brauche den Leuten keine Geschichte erzählen. Ich muss Glaubwürdigkeit rüberbringen. Muss, was ich sage und verspreche, auch umsetzen. Muss wissen: Was bewegt die Leute?"

Linke Wirtschafts- und rechte Sicherheitspolitik

Die Landtagswahl im Burgenland gewann Doskozil mit einer Mischung aus linker Wirtschafts- und rechter Sicherheitspolitik. Und wer Wahlen gewinnt - zumal für die Not leidende Sozialdemokratie -, der hat vermutlich einiges richtig gemacht. Die innerparteiliche Kritik an Doskozil wurde nach dem Triumph deutlich leiser. Nicht wenige Genossen halten den gelernten Polizisten und sein robustes Politikverständnis für das bessere Zukunftsmodell als die stets freundliche, um alle Interessen gleichermaßen besorgte Parteichefin.

Auch Doskozil selbst dürfte der Erfolg verändert haben - und zwar nicht ausschließlich zum Positiven. Im vergangenen Februar wollte er allen Ernstes seine damalige Lebensgefährtin (und nunmehrige Ehefrau) Julia Jurtschak als Referentin im eigenen Büro anstellen. Die fachliche Eignung der angehenden Gemahlin stehe außer Streit, ließ er ausrichten, als Kritik an der Personalie laut wurde. Erst nach einer Nachdenkpause sah Doskozil ein, dass so etwas heutzutage einfach nicht mehr geht. Auf seiner Facebook-Seite veröffentlichte er eine Mitteilung seiner Verlobten, in der sie sich über die Anfeindungen beklagte und ihre Bewerbung zurückzog.

Nicht aufhören will Doskozil mit seinen ständigen Sticheleien gegen die Parteiführung in Wien. Die letzte Breitseite ist erst ein paar Tage her: Im Ö1-"Mittagsjournal" sprach er sich dafür aus, nicht automatisch Pamela Rendi-Wagner zur Spitzenkandidatin bei der nächsten Nationalratswahl zu küren. Ins Rennen gehen sollte der Kandidat oder die Kandidatin mit den höchsten Zustimmungswerten in der Bevölkerung. Tatsächlich kommt die SPÖ auf Bundesebene einfach nicht in Schwung. Aber die Legislaturperiode hat gerade erst begonnen, die nächste Wahl ist mutmaßlich weit entfernt. Was diese Diskussion jetzt bringen soll, weiß wohl nur ihr Urheber.

Wenige Tage zuvor hatte Doskozil gemeinsam mit Max Lercher, Nationalratsabgeordneter der SPÖ und ebenfalls kein Fan der Chefin, der "Kronen Zeitung" ein Doppelinterview gegeben, in dem sich beide Herren weit aus dem Fenster lehnten. Auf die Frage, ob Doskozil ein guter SPÖ-Chef wäre, antwortete Lercher: "Darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren! Er ist für jedes Amt in unserer Republik geeignet."Ob er gerne Kanzlerkandidat wäre, wurde anschließend Doskozil gefragt: "Wenn man politisch denkt und die Sozialdemokratie weiterbringen will, kann es ja nur das Ziel sein, die eigenen Ideen und Inhalte durchzubringen."Aber zurzeit sei er dem Burgenland verpflichtet. Mittelfristig stelle sich die Frage also nicht.

Nach den ungeschriebenen Regeln politischer Kommunikation war das eine ziemlich eindeutige Bewerbung. Dabei weiß Doskozil sicher selbst am besten, dass er derzeit unter keinen Umständen Parteichef werden könnte. Seit Monaten laboriert er an einer hartnäckigen Erkrankung der Stimmbänder, die ihn zeitweise überhaupt zum Verstummen brachte. Für einen Politiker ist das eine Katastrophe: Nichts braucht man in dieser Branche so sehr wie eine starke Stimme. Ob es diese Behinderung war, die Doskozil zuletzt etwas aus der Bahn geworfen hat? Nein, meint ein Vertrauter. "Es geht ihm seit der dritten Operation schon deutlich besser. Er wird logopädisch betreut und macht große Fortschritte."In der Causa Commerzialbank habe sich der Landeshauptmann einfach deshalb zu Wort gemeldet, weil er eben ein offensiver Typ sei, meint der Freund.

Angriff ist die beste Verteidigung, heißt es. Ob es etwas gibt, gegen das sich Hans Peter Doskozil verteidigen muss, wird sehr wahrscheinlich ein Untersuchungsausschuss klären.

Rosemarie Schwaiger