Die Mythen über die Pensionen

Titelgeschichte. Die Altersvorsorge strotzt vor Ungerechtigkeiten, gehüteten Paradiesen und Staatsgeheimnissen

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Angeblich beschäftigt die Österreicher nichts so sehr wie das P-Wort. Selbst fidele 20-Jährige verschwenden weniger Gedanken an die Weltverbesserung, coole Partys oder Familiengründung, als sich lieber schon im Jungspund-Alter den Kopf über ihre Pension zu zerbrechen. So ist es seit Jahrzehnten in Meinungsumfragen zu lesen – und so rückt auch das Pensionssystem ins Zentrum politischer Debatten.

In der Realität scheint vielen Österreichern ihre künftige Pension herzlich egal zu sein. Nicht einmal jeder Zweite hat das amtliche Schreiben der Pensionsversicherung beantwortet und angegeben, wann er wo gearbeitet, studiert oder sich um die Kinder gekümmert hat.

„Manchmal könnte man schon schizophren werden. Einerseits jammern die Leute, dass sie eh keine Pension mehr kriegen werden. Andererseits ist es ihnen wurscht“, seufzt Winfried Pinggera. Der Jurist war einst im Kabinett von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel das Mastermind der Pensionsreformen. Heute sitzt er als Generaldirektor im neunten Stock der Pensionsversicherungsanstalt in Wien, einem Gebäudemonster mit dem Charme der 1970er-Jahre-Architektur. Pinggera wird alle Antwortverweigerer noch einmal anschreiben und den „ganz Unbelehrbaren“ im Frühjahr einen RSB-Brief schicken lassen. Dann ist Schluss mit Warten auf die Briefträger und die 3,4 Millionen Pensionskonten werden erstellt, auf denen jeder nachschauen kann, welche Summe im Ruhestand zu erwarten ist.

Schockerlebnisse sind dabei durchaus einkalkuliert. Denn die Erkenntnis, dass es jedem frei steht, einige Jahre an der Uni zu verbrodeln, um die Welt zu reisen oder Teilzeit zu arbeiten, sich aber alles in der Pensionshöhe bemerkbar macht, wird für viele neu sein. „Es ist in der breiten Masse noch lange nicht angekommen, dass lebenslang durchgerechnet wird und jedes Monat für die Pension zählt. Das Pensionskonto wird bei der Bewusstseinsbildung helfen“, hofft Pinggera.

Dann fehlt eigentlich nur mehr Schritt zwei: Aus Österreich, dem Frühpensions-Weltmeister, ein Land zu machen, in dem es normal wird, länger als bis 56 zu arbeiten. Darauf sind weder die Betriebe noch die Arbeitnehmer vorbereitet: „Das bedeutet riesige Umwälzungen im Kopf und am Arbeitsplatz“, prognostiziert Pinggera. Denn egal, ob die Unternehmensbilanz aufgemotzt werden muss, die Arbeit keinen Spaß mehr macht, der Chef nervt oder der Rücken schmerzt – für all diese Probleme gab es bisher eine Lösung: Ab in Pension!

Seit Anfang der 1990er-Jahre wird am Pensionssystem herumgedoktert, über 50 kleine undgroße Rentenreformen zählen Sozialexperten seither. Dennoch bleibt die Altersversorgung eine Riesenbaustelle: Das Pensionssystem strotzt noch immer vor Ungerechtigkeiten, weil es verschiedene Berufsgruppen unterschiedlich behandelt – und etwa Beamte massiv schont. Zahlen über ihr Sonderpensionssystem werden als „Staatsgeheimnis“ behandelt, wie nicht nur Andreas Khol zürnt (siehe Interview). Im Zentrum der Reformen stehen immer die fünf Millionen Arbeiter und Angestellten, also die ASVG-Versicherten. Nach wie vor gibt es aber in Nischen des staatsnahen Sektors Pensionsparadiese, die Milliardensummen verschlingen. Und für jedes Schlupfloch in die Frühpension, das versperrt wird, geht ein neues auf ...

Lesen Sie die Titelgeschichte von Eva Linsinger in der aktuellen Printausgabe oder als e-Paper (www.profil.at/epaper)!

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin