Exekutive

Ein Polizist wehrt sich und bekommt nach zehn Jahren Recht

Tatbestand: Diskriminierung aufgrund der Weltanschauung. Ein Kriminalbeamter wurde wegen der falschen Gesinnung nicht befördert.

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Die Wut ist verraucht. Resignation stellte sich ein, doch selbst diese erschöpfte sich mit den Jahren. Klaus H., der sein berufliches Leben lang zuerst Gendarm und dann Polizist „mit Leib und Seele“ gewesen war, trat er mit 60 in den Ruhestand. „Keine Minute“ habe er seither an „den Dienst“ gedacht, sagt er. Er genieße es, Zeit mit seinen Enkelkindern zu verbringen.

Dann, vor wenigen Wochen, bekommt er es schwarz auf weiß: Sein Vorgesetzter hatte ihn 2011 bei einer Postenbesetzung in Kärnten ausrutschen lassen, weil ihm die politische Gesinnung des Kriminalbeamten nicht passte. Bis hinauf zum Bundesverwaltungsgericht hatte H. um sein Recht gekämpft. Nun ist die Sache entschieden: „Diskriminierung aufgrund der Weltanschauung“ nennt sich der Tatbestand; im Parteienstaat Österreich als „Postenschacher“ geläufig.

Um die Verwaltung effizient  zu halten, müssen wir die Vielfalt der Weltanschauungen einbeziehen.

Verwaltungsjurist Peter Bußjäger

Der Kriminalbeamte Klaus H. hatte den Kürzeren gezogen, obwohl er fachlich als erste Wahl und im Kollegenkreis als verlässlich und umgänglich galt. Rasch erhob sich der Verdacht, er könnte die „falsche Farbe“ haben, denn er kandidierte als Personalvertreter auf der FSG-Liste (Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen). Im ÖVP-regierten Innenministerium stempelte ihn das zum unliebsamen „Roten“. Der Kollege, der ihm als Stellvertreter des Kommandanten eines Kärntner Polizeipostens vorgezogen wurde, war jünger und weniger erfahren, aber ohne diesen Makel: Er brachte ein schwarzes Parteibuch mit und stand auf der FCG-Liste (Fraktion Christlicher Gewerkschafter).

Im Namen der Republik

Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts: Nicht sachlich, nicht objektiv in der Causa Klaus H.

„Wie du mir, so ich dir“-Geschäfte

Dank der richtigen Verbindungen nach oben zu segeln, gilt hierzulande als Unkulturerbe, das in wiederkehrenden parlamentarischen Untersuchungsausschüssen – zuletzt zum Thema ÖVP-Korruption – ausgiebig erörtert wird. ORF, Aufsichtsräte halbstaatlicher Unternehmen, Berufungen an Höchstgerichte und Besetzungen von Behörden: „Wie du mir, so ich dir“-Geschäfte und maßgeschneiderte Ausschreibungen sind „Part of the game“. Vor wenigen Monaten formulierte ein ÖVP-Funktionär die Position der Kanzlerpartei in einem profil-Gespräch so: „Sich für verdiente und fähige Parteifunktionäre einzusetzen, ist politischer Alltag. Jeder weiß, dass man im politischen Getriebe Leute in Machtpositionen braucht.“

Dem Argument kann Peter Bußjäger, Verwaltungs- und Verfassungsjurist, Professor an der Universität Innsbruck, fast eine Dekade lang Direktor des Vorarlberger Landtags und profunder Kenner der öffentlichen Verwaltung, ein Quäntchen Wahrheit abgewinnen: „In Positionen, wo das verantwortliche politische Organ – ein Minister oder ein Landesrat – auf ein besonderes Vertrauensverhältnis zu engen Mitarbeitern angewiesen ist, mag das stimmen. Die Polizei jedoch ist streng an Gesetze gebunden, da spielt das eine untergeordnete Rolle, und in den unteren Chargen, die stark auf den Vollzug ausgerichtet sind, ist das sehr kritisch zu sehen.“ Zumal eine „Einfärbung in die andere Richtung“ drohe, sobald die politische Spitze des Ministeriums wechselt, so Bußjäger: „Die Bevorzugung aus politischen Gründen kriegt man irgendwann zurück.“

Beamtinnen und Beamte müssen loyal sein, eine politische Gesinnung ist freilich auch ihnen gestattet. Bruno Kelz, der bis vor einem Jahr die Polizeigewerkschaft in Kärnten leitete, sagt auf profil-Anfrage, er habe im Innenressort schon „viel dreisten Postenschacher und menschliche Niedertracht“ mitbekommen. Nur die wenigsten Fälle würden publik, denn kaum ein Betroffener setze sich zur Wehr.

Klaus H. ging es gegen den Strich, dass Karrieren in der Exekutive je nach politischer Gesinnung beflügelt werden oder jäh ins Stocken geraten. Er hatte als Kriminalbeamter zahllose Stunden Schlaf geopfert und an Wochenenden durchgearbeitet, um Verbrecher zu überführen. Er war auch in eigener Sache nicht gewillt, Ungerechtigkeiten hinzunehmen. 2013 berichtete profil über den streitbaren Polizisten, der als erster österreichweit eine „Diskriminierung aufgrund der Weltanschauung“ geltend machte. Vor der Bundes-Gleichbehandlungskommission bekam er auch gleich recht. Das siebenköpfige, im Bundeskanzleramt angesiedelte Gremium verfasste ein Gutachten, das den Tatbestand erfüllt sah.

Streit durch alle Instanzen

Die Landespolizeidirektion Kärnten hätte die leidige Causa rasch wieder zu den Akten legen können. H.s Kampf jedoch sollte fast zehn weitere Jahre währen, denn die Dienstbehörde bestritt die Diskriminierung bis zum Bundesverwaltungsgericht. Als H. dort recht behielt und der ordentliche Rechtsweg erschöpft war, legte sie eine außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof ein – und blitzte erneut ab. Auf profil-Anfrage heißt es aus der Landespolizeidirektion Kärnten, dass diese Entscheidung „selbstverständlich zur Kenntnis genommen und vollinhaltlich umgesetzt“ werde.

Wolfgang Kofler von der Klagenfurter Anwaltskanzlei Juridicom, der den bei der Beförderung übergangenen Kriminalbeamten H. vertrat, ortet einen grundsätzlichen „juristischen Missstand“: Gutachten der Bundes-Gleichbehandlungskommission sind Beweisurkunden, die in Gerichtsverfahren vorgelegt werden, entfalten aber keine eigene rechtliche Wirkung. Im Fall öffentlich Bediensteter ist die erste Instanz für Bezugsdifferenzen oder Schadenersatzansprüche die vorgesetzte Dienstbehörde, jene Stelle also, der die Diskriminierung vorgehalten wird. Sie könnte – theoretisch – ihren Fehler umstandslos einbekennen, „praktisch ist das in sämtlichen Fällen, die ich vertreten habe, noch nie vorgekommen“, berichtet Kofler.

Danach bleibt Betroffenen nur der Gang zum Bundesverwaltungsgericht. Hier pochten sowohl der damalige Landespolizeidirektor als auch ein vom Innenministerium als Zeuge entsandter Referatsleiter darauf, „ausschließlich objektiven, sachlichen Gründen und keinesfalls parteipolitischen Motiven“ gefolgt zu sein. Das Gericht überzeugten sie nicht. In der nunmehr rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts heißt es: „Sie machten den Eindruck, dass sie einzelne, teils auch weiter zurückliegende Führungsqualitäten des Mitbewerbers L. hervorhoben, während sie zu den Führungstätigkeiten des Beschwerdeführers (Klaus H., Anm.) angaben, dass ihnen diese nicht bekannt gewesen seien, oder diese als nicht relevant bezeichneten.“

Vermögensschaden

Das profil vorliegende Schriftstück ist eine Rarität. Kaum ein Polizist oder eine Polizistin ficht einen vermuteten unlauteren Postenschacher rechtlich durch. „Viele scheuen davor zurück, aus Angst, als Querulanten abgestempelt oder mit einem ewigen Bann abgestraft zu werden“, schildert Polizeigewerkschafter Hermann Greylinger (FSG): „Oft hält man still und hofft, beim nächsten Mal zum Zug zu kommen.“ Oder man dient sich mit zusammengebissenen Zähnen bis zur Pensionierung durch.

Die Signale im Fall H. sind gemischt: Einerseits lieferte er einen rechtskräftig gewordenen Beweis, dass man sich gegen Diskriminierung durchaus wehren kann. Andererseits: Der Weg ist steinig und kann mehr als zehn Jahre dauern.

Die Folgen politischer Willfährigkeit sind schwer zu ermessen: Spricht sich herum, dass Posten bevorzugt „eigenen Leuten“ zugeschanzt werden, bewerben sich geeignete Kandidatinnen und Kandidaten mit der „falschen“ Weltanschauung gar nicht mehr. In der Folge schwindet die Motivation, ist guter Nachwuchs schwerer zu bekommen und geht Expertise verloren. Sprich: Die Qualität der öffentlichen Verwaltung sinkt. Das sieht auch Verwaltungsexperte Bußjäger so: „Politisch kaltgestellte Leute, deren Wissen nicht mehr herangezogen wird, gibt es genug.“ Und: „Um die Verwaltung weiterhin effizient zu halten, müssen wir die Vielfalt der Weltanschauung einbeziehen.“

Die Landespolizeidirektion Kärnten muss H. den Vermögensschaden für vier Dienstjahre erstatten, der ihm aus der versagten Beförderung erwachsen war, dazu kommt eine Entschädigung für „erlittene persönliche Beeinträchtigung“ in der Höhe von 2000 Euro. Viel wichtiger ist H. im Rückblick, dass „Ehrlichkeit und Gerechtigkeit gesiegt haben“. Nachsatz: „Auch wenn es ziemlich lange gedauert hat.“

Edith   Meinhart

Edith Meinhart

ist seit 1998 in der profil Innenpolitik. Schreibt über soziale Bewegungen, Migration, Bildung, Menschenrechte und sonst auch noch einiges