Gekommen, um zu bleiben

Einwanderungsland Österreich: Gekommen, um zu bleiben

Wie Österreich im Laufe von Jahrzehnten lernte, sich als Einwanderungsland zu sehen.

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30 Millionen Menschen irrten kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa umher. In Österreich waren es laut Schätzung der Alliierten etwa 1,4 Millionen. Die politischen Lager waren rasch einig, dass man Vertriebene und insbesonders jüdische Flüchtlinge außer Landes bringen und ihre Integration verhindern müsse, wie einem Aufsatz des Politikwissenschafters Bernhard Perchinig zu Arbeitsmigration und Integrationspolitik in der Zweiten Republik zu entnehmen ist. Eine Ausnahme bildeten die „Volksdeutschen“, die ab Mitte der 1950er-Jahre per Deklaration eingebürgert wurden.

Zehntausende Gastarbeiter als „Puffer“

Bereits damals stand der Arbeitsmarkt im Fokus hitziger Debatten. Unter dem Eindruck der Massenarbeitslosigkeit der 1930er-Jahre kämpften Gewerkschaften und Sozialdemokratie für eine Bevorzugung von Inländern. Die Arbeitgebervertreter liefen gegen die restriktive Politik zwar Sturm, scheiterten jedoch am Verfassungsgerichtshof. Der Mitte der 1950er-Jahre einsetzende Wirtschaftsaufschwung beflügelte die Nachfrage nach Arbeitern. Österreich behalf sich zunächst mit Personal aus strukturschwachen Regionen in Kärnten, der Steiermark und dem Burgenland und verlegte sich – gemessen etwa an Deutschland oder der Schweiz – nur sehr zögerlich auf Anwerbungen in Ex-Jugoslawien und der Türkei. Zehntausende Gastarbeiter sollten schließlich als „Puffer“ auf dem Arbeitsmarkt dienen, nach einem Jahr zurückgehen und durch neue ersetzt werden. Eine Aufenthaltsverfestigung galt es um jeden Preis zu unterbinden. Die Rotation scheiterte grandios, auch weil Arbeitgeber keine Lust hatten, stets neue Hilfskräfte anzulernen. Bald holten die Gastarbeiter ihre Frauen und Kinder nach.

Dauerhafte Gäste

Während sich die Politik weiter an die Illusion klammerte, sie würden eines Tages das Land verlassen, ließen sich die Einwanderer dauerhaft nieder. In den späten 1980er-Jahren rückte das Migrationsthema auf der Agenda nach oben: Neben Sozialpartnern und Großer Koalition gab es plötzlich auch Grüne, die Migration unter menschenrechtlichen Gesichtspunkten betrachteten, und auf der anderen Seite eine FPÖ, die sich strikt gegen Einwanderung positionierte und mit dem Ausländerthema mobilisierte. Die Kabinette Schüssel I (2000 bis 2003) und Schüssel II (bis 2006) widmeten sich vor allem sicherheitspolitischen Aspekten. Auf Betreiben der FPÖ wurden Migranten mit der Fremdenrechtsnovelle 2002 zu einer „Integrationsvereinbarung” verpflichtet, deren praktische Bedeutung jedoch durch zahlreiche Ausnahmen geschmälert wurde. Mit dem Fremdenrechtspaket 2005 traten weitere Verschärfungen in Kraft, gleichzeitig setzte es EU-Regelungen um, die aufenthaltsrechtliche Verbesserungen für lange ansässige Einwanderer brachten.

Edith   Meinhart

Edith Meinhart

ist seit 1998 in der profil Innenpolitik. Schreibt über soziale Bewegungen, Migration, Bildung, Menschenrechte und sonst auch noch einiges