Hart, aber teuer: Schludrige erste Instanz in Asylverfahren

Ein IT-Unternehmer berechnete, wie viele Kosten entstehen, wenn die erste Instanz im Asylverfahren schludert: insgesamt 107 Millionen Euro pro Jahr.

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Wolfgang Salm von der Initiative „Fairness Asyl” hat eine Leidenschaft für Zahlen, Daten und Fakten rund um das Asylverfahren. Weil er darüber hinaus zu den Menschen gehört, die nicht mehr loslassen, wenn sie sich in ein Thema verbissen haben, flossen die Erkenntnisse aus den vergangenen zwei Jahren in zahllose Excel-Tabellen und Folien ein, die er mit wenigen Mausklicks auf den Bildschirm seines Laptops zaubert.

„Mehr als das Budget des Bundesverwaltungsgerichts“

Seit einer Weile geht Salm der Frage nach, welche Kosten eine schludrige erste Instanz verursacht. Nun hat er das Puzzle beisammen. Das Ergebnis ist bemerkenswert: Vier von zehn Bescheiden des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) werden in der zweiten Instanz aufgehoben. Laut Salm zog dies „allein 2018 über 107 Millionen Euro an Folgekosten nach sich“. Nachsatz: „Das ist mehr als das gesamte jährliche Budget des Bundesverwaltungsgerichts.“

Mit Schätzungen begnügte sich Salm nicht. Seine Berechnungen basieren auf 19.700 Beschwerden gegen BFA-Entscheidungen, die im Vorjahr verhandelt wurden. Dem Tätigkeitsbericht des Bundesverwaltungsgerichts ist zu entnehmen, dass 37,7 Prozent davon aufgehoben wurden; laut einer Anfragebeantwortung im Bundesrat sind es sogar 45 Prozent. Salm geht von medial breit zitierten 42 Prozent aus. Das entspricht in Summe 8274 Bescheiden, wobei für jedes BVwG-Verfahren 1800 Euro Aufwand zu veranschlagen sind. Dazu kommen 400 Euro Rechtsberatung pro Person. Im kürzlich von Justizminister Clemens Jabloner vorgelegten Wahrnehmungsbericht ist nachzulesen, dass die Verfahren sich in der zweiten Instanz rund 17 Monate hinziehen. In dieser Zeit fallen außerdem öffentliche Mittel für die Grundversorgung an. In Summe kommt Salm auf die erwähnten 107 Millionen Euro.

„Mangelnde Qualität des BFA"

Eine fehlerfreie erste Instanz ist ein unerfüllbarer Wunschtraum, aber schon eine Halbierung der Fehlerquote würde 50 Millionen Euro einsparen. Fazit Salm: „Man wirft einer angeblichen Asylindustrie vor, Verfahren in die Länge zu ziehen, in Wirklichkeit treibt die mangelnde Qualität des BFA die Kosten in die Höhe. Von der menschlichen Belastung für die Betroffenen rede ich gar nicht.“ Die volkswirtschaftlich auflaufenden Kosten, wenn Asylwerber 17 Monate auf eine Entscheidung warten müssen und in dieser Zeit nicht arbeiten dürfen, fehlen in seiner Kalkulation übrigens noch.

Quellen:

Edith   Meinhart

Edith Meinhart

ist seit 1998 in der profil Innenpolitik. Schreibt über soziale Bewegungen, Migration, Bildung, Menschenrechte und sonst auch noch einiges