Erwin Pröll. Der 69-jährige Niederösterreicher wäre wahrscheinlich Bundespräsident geworden – nun muss seine Partei sogar um den Aufstieg in die zweite Runde bangen.

Erwin Pröll: Prosit!

Erwin Pröll: Prosit!

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Große Entscheidungen haben einen langen Verlauf. Das gilt auch für die Bundespräsidentenwahl. Schon vor Monaten ließ die ÖVP in geheimen Großumfragen die Chancen verschiedener Kandidaten abtesten. Das Ergebnis: Erwin Pröll würde einen SPÖ-Kandidaten Rudolf Hundstorfer deutlich besiegen. Maximal der Grüne Alexander Van der Bellen könnte ihm gefährlich werden. Spätestens da war klar, dass ÖVP-Bundesparteiobmann Reinhold Mitterlehner dem niederösterreichischen Landeshauptmann ein entsprechendes Angebot machen müsste.

Donnerstag vergangener Woche war alles anders. Im „ZIB 2“-Interview erklärte Reinhold Mitterlehner, Prölls „Lebensplanung“ schließe eine Kandidatur für das höchste Amt im Staat aus. Der Landeshauptmann kommentierte seinen Verzicht lakonisch: „Für mich ist das nicht überraschend.“ Für weite Teile der Partei war es das doch: Beinahe jeder Spitzenfunktionär in der Volkspartei rechnete fix mit Prölls Kandidatur. Noch in der Vorwoche hatten schwarze Landeshauptmänner ihrem Kollegen in hymnischen Tönen gehuldigt.

Nur einige wenige Vertrauensleute um Reinhold Mitterlehner wussten schon kurz vor Weihnachten, dass sich der Niederösterreicher wohl verweigern würde. In einem finalen Gespräch vergangenen Donnerstag sagte Pröll seinem Bundesparteiobmann endgültig ab.

Für Erwin Pröll kam seine Absage nicht überraschend, für den Rest der ÖVP-Spitzenfunktionäre umso mehr.

Als Grund für die mangelnde Ambition werden ÖVP-intern zwei Gründe genannt. Zum einen sei sich Pröll trotz der guten Umfragedaten seines Sieges nicht ganz sicher gewesen. Und zum zweiten habe er sich Sorgen um seine Nachfolge gemacht.

Pröll plante, im Abgang Innenministerin Johanna Mikl-Leitner als Nachfolgerin zu installieren. Doch sein bisheriger Kronprinz, Landeshauptmann-Stellvertreter Wolfgang Sobotka, wollte sich nicht ganz widerstandslos fügen. Das Duell der Niederösterreicher ist durchaus pikant: Mikl-Leitner ist Bundesobfrau des ÖVP-Arbeitnehmerbunds ÖAAB, Sobotka Chef der niederösterreichischen Landesgruppe. Der NÖ-ÖAAB soll freilich Sobotka als Landeshauptmann gegenüber Mikl-Leitner bevorzugen.

Erwin Pröll musste also den Ausbruch von Nachfolgekämpfen und damit die Schädigung seines Erbes befürchten. Kombiniert mit der mangelnden Garantie auf einen Wahlsieg dürften ihm die Unwägbarkeiten einer Kandidatur dann doch zu hoch gewesen sein.

Im äußeren Erscheinungsbild glich die ÖVP nach der Absage nicht unbedingt einer professionellen Truppe. Zwar durfte sich Reinhold Mitterlehner dank der heißen Pröll-Info über einen Knaller in seinem „ZIB 2“-Auftritt freuen. Sein ironisches Argument, aufgrund der Spekulationen bleibe die ÖVP wenigstens im Gerede, wirkte aber doch etwas bemüht.

Intern hatte Mitterlehner ab Weihnachten bereits an einem Plan B gebastelt. Und schon Stunden nach Prölls Absage kursierte der Name eines Überraschungskandidaten: Andreas Khol. Freitag Nachmittag nannten profil und „Kleine Zeitung“ den 74-jährigen Obmann des ÖVP-Seniorenbundes erstmals als Mitterlehners Favoriten.

Für Khol spricht aus ÖVP-Sicht dessen langjährige Routine als Klubobmann und Nationalratspräsident, die er gegen die zwar ebenfalls bürgerliche, aber unerfahrene Kandidatin Irmgard Griss einsetzen kann. Dass Khol einer der Architekten von Schwarz-Blau war, wird ihn im Wahlkampf freilich unter Rechtfertigungsdruck bringen, für so manchen FPÖ-Wähler aber attraktiv machen.

Gegen Khol spricht die mangelnde Finanzkraft seines Seniorenbundes. Hätte sich Mitterlehner für Wirtschaftsbund-Obmann Christoph Leitl entschieden, wäre der Wahlkampf die Bundespartei billiger gekommen. Freilich verfügt der Seniorenbund mit seinen 300.000 Mitgliedern über eine beeindruckende Mobilisierungsfähigkeit. Bei der Wiener Wahl wurde die hinten gereihte Seniorenbund-Kandidatin Ingrid Korosec nur dank der Vorzugsstimmen in den Gemeinderat gewählt.

Ins Rennen geht Khol – nach seiner Nominierung durch den ÖVP-Parteivorstand am Sonntag – als Außenseiter. Der Ex-Nationalratspräsident gilt zwar als gewandter Intellektueller, großer Sympathieträger war er freilich nie. Auch in der eigenen Partei ist er nicht überall beliebt. Damit Khol überhaupt die erste Runde am 24. April übersteht, muss er hoffen, dass die linken Kandidaten Alexander Van der Bellen und Rudolf Hundstorfer einander kannibalisieren. In einer Stichwahl gegen einen der beiden müsste er auf die Unterstützung der FPÖ-Sympathisanten setzen. Zumindest die politische Großwetterlage mit dem dominanten Flüchtlingsthema begünstigt Khol.

Freilich stünde am Beginn seiner Kampagne der Makel, nicht erste Wahl gewesen zu sein. Der frühere EU-Kommissar Franz Fischler – selbst als möglicher Kandidat gehandelt – hält das Manöver um Erwin Prölls Kandidatur für nicht besonders geglückt: „Nachdem man monatelang versucht hat, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass Erwin Pröll der einzig richtige Kandidat ist, sieht jeder andere jetzt wie die zweite Wahl aus. Damit hat man jedem Kandidaten, der aus der Partei kommt, die Chance vermurkst.“

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.