Gerhard Zeiler lässt kein gutes Haar an der SPÖ

Abschusskundgebung: Gerhard Zeiler rechnet mit der SPÖ ab

Medienmanager Gerhard Zeiler, immer wieder als SPÖ-Chef im Gespräch, rechnet in einer Streitschrift mit fehlender Programmatik und untauglichen Parteivorsitzenden ab. profil bringt einen exklusiven Teil-Vorabdruck.

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Es war, wieder einmal, keine gute Woche für die SPÖ. Der Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer sorgte mit geladener Waffe in seinem Porsche für einen Polizeieinsatz am Innsbrucker Flughafen. In der Steiermark wurde gewählt. Und Gerhard Zeiler meldet sich mit einem Buch zu Wort, das Sprengstoff birgt. „Wenn die SPÖ nicht versteht, was die echten Sorgen der Menschen sind, wird sie zu einer Kleinpartei werden“, prophezeit der Medienmanager, der selbst immer wieder als SPÖ-Parteivorsitzender im Gespräch war – zuletzt im Wahlkampfsommer 2019, als ihm maßgebliche Kräfte in der Partei zutrauten, die SPÖ besser zu führen als die unerfahrene Pamela Rendi-Wagner.

Ein Buch als Bewerbungsschreiben? „Die Antwort ist ein klares Nein"

Viele fragen sich nun, was der 64-Jährige Manager mit seinem Buch bezweckt. Soll es ein Bewerbungsschreiben sein? Zeiler schreibt: „Die Antwort ist ein klares Nein. Nicht, dass es nicht Zeiten gegeben hätte, in denen ich mir sehr gut vorstellen hätte können – und es auch explizit angestrebt hatte – mitzuhelfen, die SPÖ wieder zu einer erfolgreicheren Partei zu machen. Aber diese Zeiten sind vorbei.“ Und über Rendi-Wagner gibt er zu Protokoll: „Ob sie auf Dauer Parteivorsitzende bleiben wird, kann ich nicht vorhersagen. Ich weiß nicht einmal, ob ich es ihr wünschen soll.“

Massiv kritisiert Zeiler aber auch Rendi-Wagners Vorgänger an der Parteispitze, allen voran Christian Kern, seinen Konkurrenten aus dem Jahr 2016, dem er vorwirft, der SPÖ schwer geschadet zu haben: „Hätte ich nur annähernd geahnt, aus welchem Persönlichkeitsholz Christian Kern geschnitzt ist, wäre ich im Mai 2016 in einer Kampfabstimmung um den Parteivorsitz gegen ihn angetreten.“ Zeiler hatte damals seine Ambitionen begraben und Kern, der die Mehrheit hinter sich wusste, seine Unterstützung zugesagt.

Intervention zum richtigen Zeitpunkt?

Zeilers Programm einer neuen SPÖ hat das Potenzial, eine heftige Grundsatzdebatte auszulösen. Seine Kritik an Gewerkschaften und linken Ideen entwickelt er in neun Buchkapiteln fast beiläufig, aber entschieden. Er geißelt das rote Nein zur Arbeitszeitflexibilisierung als „weltfremd“, vermisst sozialverträgliche Vorschläge zur CO2-Steuer und sieht im Slogan „Menschen statt Konzerne“ eine falsche Polarisierung. Und er schlägt vor, die SPÖ solle eine Minderheitsregierung von Sebastian Kurz unterstützen.

Kommt Zeilers Intervention zum richtigen Zeitpunkt? Wird sie eine inhaltliche Diskussion oder eine weitere Personaldebatte auslösen? Einer der angesehensten ehemaligen SPÖ-Granden, Ex-Finanzminister Ferdinand Lacina, hat das Buch gelesen und Zeilers Ideen für gut befunden.

Lesen Sie den exklusiven Teil-Vorabdruck im aktuellen profil.

Gerhard Zeiler Leidenschaftlich rot. Darum mehr Sozialdemokratie 168 Seiten, Brandstätter-Verlag Erscheinungstermin: 25. November

Zitate aus dem Buch:

„Ich würde die Umsetzung des gesetzlichen Mindestlohns nicht den Sozialpartnern überlassen, auch wenn die Gewerkschaften und die Wirtschaftskammer dagegen Sturm laufen sollten.“

„Ein spezielles staatlich gefördertes Unterstützungsprogramm für alleinerziehende Mütter ist ein Gebot der Fairness.“

„Dass die SPÖ im Wahlkampf gegen die Einführung einer CO-2-Steuer eingetreten ist, ist inhaltlich und strategisch unerklärlich.“

„In vergangenen Jahren ist die SPÖ vielfach auf Distanz zur Wirtschaft gegangen. Ich halte das für einen Fehler.“

Die gemeinsame Schule der zehn bis 14-Jährigen „nicht zum alleinigen Zentrum der Bildungsüberlegungen machen.“

„Nicht alle Sozialleistungen müssen für alle Bürger und Bürgerinnen gleich sein. Ich kann mir vorstellen, dass Familienbeihilfen nur für wirklich Bedürftige vorgesehen sind.“

Zur Verstärkung des Sicherheitsempfindens: „Erhöhung der Anzahl der Polizisten und möglichst flächendeckende Video-Überwachung des öffentlichen Raums.“

Zur Person Gerhard Zeiler und sein Zwillingsbruder Helmut werden 1955 in eine sozialdemokratische Familie in Ottakring hineingeboren. Nach Studienjahren an der Universität und Pressesprecherfunktionen bei SPÖ-Ministern wird Zeiler 1986 ORF-Generalsekretär. 1990 wechselt er in die Chefetage privater Medienunternehmen, 1994 wird er ORF-Generalintendant. Zeiler ist heute Präsident von Turner Broadcasting System International und verantwortet alle Unterhaltungs-, Nachrichten- und Kinderkanäle des Unternehmens außerhalb Nordamerikas, darunter CNN International.

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin