Glock, Steyr und Co.

Österreichs schallgedämpfte Waffengeschäfte

Österreich zählt zu den größten Exportnationen von Schusswaffen. Dabei hält der Staat vieles geheim.

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Dichter Rauch nimmt den Passagieren der New Yorker U-Bahn die Sicht. Dann fallen Schüsse. 33-mal feuert der Attentäter am 12. April 2022 in die Schwaden, die aus seinen Nebelgranaten quillen. Zehn Menschen werden durch Schüsse aus seiner Glock 17 verletzt. Bei seiner Festnahme 33 Stunden später vertrauen auch die Polizisten auf Pistolen der österreichischen Waffenschmiede. Für den heimischen Schusswaffenfabrikanten könnte der Anschlag ein teures Nachspiel haben: Ein Opfer klagt Glock auf Schadenersatz, die Waffenindustrie sieht die Klage allerdings nicht mit der amerikanischen Verfassung vereinbar.

Beim Export von Schusswaffen spielt Österreich in der ersten Liga. Jeder dritte US-Polizist führt eine Glock, die tunesischen Streitkräfte schießen mit Steyr-Sturmgewehren. Laut der EU-Ratsgruppe zur Ausfuhr konventioneller Waffen (COARM) lieferten Firmen aus Österreich 2021 306 Millionen Euro an „Waffen mit glattem Lauf mit einem Kaliber kleiner als 20 mm, andere Handfeuerwaffen und Maschinenwaffen mit einem Kaliber von 12,7 mm oder kleiner“ sowie deren Zubehör und Bestandteile. Kein EU-Land exportierte mehr in dieser Kategorie.

Bei der legalen Ausfuhr von Handfeuerwaffen könnte Österreich sogar an der internationalen Spitze stehen. Transparente Information über Waffenexporte gibt es hierzulande hingegen nur, wo die EU sie vorschreibt. Der Nationale Sicherheitsrat, das zentrale Beratungsgremium der Regierung in Außen-, Sicherheits-, und Verteidigungspolitik, erhält zwar eine Zusammenfassung über Waffenlieferungen. Der Geheimbericht, der profil vorliegt, ist allerdings nicht mehr als eine achtseitige Zusammenfassung der öffentlichen COARM-Liste. Eine Veränderung der Export- und Transparenzkultur zeichnet sich nicht ab – auch zum Ärger der österreichischen Rüstungsindustrie, die über die strenge Auslegung des heimischen Gesetzes klagt.

Österreichische Waffen für Konfliktregionen

Dabei nutzt Österreich beim Waffenexport durchaus Lücken: Mehr als 1,7 Millionen Euro an Schusswaffen und Munition wurden 2021 etwa nach Russland exportiert, zeigt der COARM-Jahresbericht. Österreich war somit das einzige EU-Land, das 2021 noch Schusswaffen an den heutigen Aggressor lieferte. Zwar hatte die EU bereits seit der Annexion der Krim 2014 ein Embargo gegen die Ausfuhr von Rüstungsgütern beschlossen. Verträge, die vor August 2014 abgeschlossen wurden, durften aber abgearbeitet werden – und auch österreichische Firmen lieferten weiter. Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 war damit Schluss.

Begründungen für die ursprünglichen Ausfuhrgenehmigungen werden hierzulande nicht veröffentlicht. Ein genehmigter Export zeuge bereits davon, dass keine Ausschlussgründe vorlägen, argumentiert das Wirtschaftsministerium. So wanderten 2021 österreichische Verteidigungsgüter etwa auch nach Bahrain, Brunei, Indonesien, Kasachstan, Katar, Tadschikistan, Uganda oder die Vereinigten Arabischen Emirate. Jagd- oder Sportgewehre würden etwa ebenso Ausfuhrlizenzen benötigen, sich zur Unterdrückung der Bevölkerung aber nicht eignen, argumentiert das Wirtschaftsministerium. Öffentlich überprüfen lassen sich die gelieferten Produkte nicht.

Die SPÖ-Abgeordnete Julia Herr fordert daher einen eigenen Waffenexportbericht nach deutschem Vorbild, in dem begründet wird, warum der Auslieferung stattgegeben wurde. Auch FPÖ, Grüne und Neos wünschen sich mehr Transparenz bei Waffenexporten. Nur die Volkspartei sieht keinen akuten Bedarf. Auf parlamentarische Anfragen verweisen Innen-, Außen- und Wirtschaftsministerium allesamt auf den COARM-Bericht. Erst durch die Vergleichbarkeit würden die Daten an Aussagekraft gewinnen, argumentiert etwa das Innenministerium.

Verwirrende Zuständigkeit

Doch im EU-Bericht wird gewarnt, dass österreichische Exportzahlen inakkurat sein könnten. Hierzulande werden militärische Güter per Gesetz in zwei Kategorien geteilt: Pistolen, Jagdgewehre und Co. fallen in das Außenhandelsgesetz und in die Zuständigkeit des Wirtschaftsministeriums. Alles andere – vom halbautomatischen Gewehr bis zum Kriegsschiff – ist per Verordnung „Kriegsmaterial“, dessen Ausfuhr das Innenministerium prüft. Beide Ressorts verlassen sich bei der Prüfung von Anträgen auf die Expertise des Außenministeriums. Da Österreichs Definitionen für Waffen aber nicht mit der EU-Kategorisierung übereinstimmen, könnten Ausfuhrlizenzen im EU-Bericht mehrfach gezählt werden.

Gerhard Unterganschnigg, Geschäftsführer von Steyr Arms, will Exportbewilligungen durch eine einzige unabhängige Behörde „entpolitisieren“. Zurzeit herrsche bis zum Bescheid ständige Unsicherheit, klagt Unterganschnigg: „Es kann sein, dass man einen Vertrag abschließt, in Vorleistung geht – und dann der Export versagt wird. Das ist natürlich ein unhaltbarer Zustand.“

Es ist vielleicht nicht so gescheit, wenn jedes Land nachlesen kann, wie schlecht es von Österreich beurteilt wird.

Gerhard Unterganschnigg

hat als Geschäftsführer von Steyr Arms auch außenpolitische Bedenken gegen mehr Transparenz bei Waffenlieferungen.

Österreichs Industrie wurde daher vorsichtiger. 2021 musste das Wirtschaftsministerium keinen einzigen Ausfuhrantrag ablehnen, das Innenministerium einen. Menschenrechts- und Sicherheitslage im Zielland waren nicht ausreichend, heißt es im COARM-Bericht. Welche Nation zu unsicher für österreichische Waffen war, ist nicht erkennbar. „Es ist vielleicht nicht so gescheit, wenn jedes Land nachlesen kann, wie schlecht es von Österreich beurteilt wird. Das könnte der Außenpolitik schaden“, hat Unterganschnigg Verständnis für mangelnde staatliche Transparenz.

Unter der Hand erfahren Kunden geplatzter Export-Deals dennoch oft, was die Alpenrepublik von ihnen hält – und reagieren mitunter pikiert, wie Insider berichten. Kein Wunder, dass sich Österreichs Rüstungsindustrie um die bisher sicheren Gefilde des US-amerikanischen Privatmarktes bemüht.

Das könnte sich ändern. Wenn die Klage nach den Schüssen in New York etwa damit endet, dass Waffenhersteller für Verbrechen mit ihren Pistolen oder Sturmgewehren haften.

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Hat ein Faible für visuelle Kommunikation, schaut aufs große Ganze und kritzelt gerne. Zuvor war er bei der "Kleinen Zeitung".