"Gut, dass man schon so alt ist“

Eine Herrenrunde bespricht den Ausgang der Bundespräsidentschaftswahl

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Ein paar ältere Herren betreten jeden Mittwoch zu festgelegter Stunde nacheinander ein Wiener Kaffeehaus, setzen sich an ihren Tisch und beginnen ein Gespräch. Sie sind alle fast 90 Jahre alt und ohne ihre Frauen gekommen, das hat sich so eingebürgert. Sie kennen einander aus Wien, Theresienstadt und Auschwitz - und aus der Hakoah, dem jüdischen Sportverein mit großer Vergangenheit. Gemeinsam ist ihnen das Schicksal verfolgter Juden, aber auch die Lust an Debatte und Wortwitz. Sie flachsen und frotzeln einander. Sie sind echte Freunde. Als profil vor den Präsidentschaftswahlen bei ihnen zu Besuch war, gab es folgenden Wortwechsel: "Wenn der Hofer gewinnt, gehe ich in die USA.“ - "Zu Trump? Gratuliere, da kannst gleich hierbleiben.“ - "Nein, wir gehen alle zur NSDAP, dann passiert uns nichts.“

Eine Woche danach geht es hoch her. Ein Gesprächsprotokoll:

Herbert Löwy (eben erst aus dem Spital entlassen - er hat in Wien als U-Boot überlebt): "Ich hab einen Auftrieb für Neonazis befürchtet.“ Herbert Schrott (der als Volksschüler im Wien der 1930er-Jahre "Heiland-Mörder“ geschimpft wurde): "Der Ton wäre rauer geworden mit Hofer.“ Herbert Schwarz (der in den USA ein erfolgreicher Geschäftsmann wurde und erst im Alter nach Wien zurückkehrte): "Mich hat gestört, dass der Hofer nach der verlorenen Wahl gesagt hat, er probiert’s wieder.“ Schrott: "Drum ist es gut, dass man schon so alt ist.“

Der Hofer tut sich schwer, irgendetwas positiv zu sehen. (Walter Fantl-Brumlik)

Er wendet sich an Philipp Kornreich, den ‚Professor‘, der sich als Wissenschafter in den USA einen Namen gemacht hat und die Hälfte des Jahres dort verbringt.

Schrott: "Du bist auch nicht gerade auf Rosen gebettet mit deinem Herrn Trump. Der kann so viel anstellen, dass er die ganze Welt ruiniert.“ Kornreich: "Was kann ich dafür?“ Herbert Wonsch (ein Herrenschneider, der Anzüge nach alter Schule fertigt, aufwendig und genau): "Wenn man dem Hofer in die Augen schaut, sieht man, wie gefährlich der Mann ist.“ Schwarz: "Sind wir Psychologen?“ Wonsch: "Ich geh auf die Augen.“ Schwarz: "Der Hofer, die FPÖ: Das alles erinnert mich schon stark an die Nazis.“ Wonsch: "Der Strache ist kein Hitler. Aber der Hitler war anfangs ja auch kein Hitler. Alles fangt klein an. Wenn irgendwelche Anklänge kommen aus dieser Zeit, dann kommen sie immer von den Freiheitlichen.“ Bernhard Morgenstern (der aus dem Stegreif schon einmal Couplets von Hermann Leopoldi vorträgt, ist heute eher still, aber seine Augen blitzen vor Vergnügen): "Meiner Ansicht nach haben die Österreicher jetzt genug von ganz rechts. Sie haben gesehen, dass das nichts bringt, außer Ärger. Jetzt sind alle begeistert, dass Österreich zur Vernunft gekommen ist. Ich hoffe, dass das so bleibt.“ Schwarz: "Wenn man diese Fernseh-Duelle gesehen hat … da hat sich die Mentalität dieser zwei Menschen herauskristallisiert. Der Van der Bellen war vernünftiger, nicht so ambitioniert, besonnener und ruhiger als der Raufbold, der Hofer. Der wollte die Regierung auflösen. Solche Spompanadeln brauchen wir nicht.“ Walter Fantl-Brumlik (der als Einziger seiner Familie Auschwitz überlebt hat): "Juden können gar nicht anders, als Van der Bellen zu wählen. Der Hofer tut sich schwer, irgendetwas positiv zu sehen.“

Ein ewiges Thema in der Runde ist der Antisemitismus. Österreicher haben sie verraten. Österreicher haben sie deportiert. Sie trauen ihren Landsleuten nicht ganz über den Weg. Einige von ihnen versuchten deshalb nach der Befreiung 1945 ihr Glück in den USA.

Schwarz: "Wer nach 1945 in die USA emigrierte, tat das aus demselben Grund wie heute Wirtschaftsflüchtlinge, die zu uns kommen. Wir sind in Wien gesessen und haben gehungert. Wir wollten uns verbessern. Das hat mit Antisemitismus nichts zu tun.“ Alfred Schreier (der nach 1945 in die USA auswanderte und im Alter aus Heimweh nach Wien zurückkam): "Das stimmt nicht.“ Auch Kornreich protestiert: "Als wir 1947 aus Russland zurückkamen, wussten wir nicht, was hier passiert war. Und dann: die Verwandten, die Freunde - alle umgekommen. Zu meiner Mutter sagten sie:, Ah, die ‚Vergasten‘ sind zurückgekommen.‘“ Schreier: "Wir sind nur wegen dem Antisemitismus ausgewandert. Wir haben gewusst, wer uns ausgeraubt hat, und nicht einen Groschen zurückgekriegt.“ Schwarz: "Das ist eine seelische Geschichte. Darüber brauchen wir nicht streiten. Es gibt auf der ganzen Welt Antisemitismus.“ Schreier: "Sie haben nicht einmal geleugnet, dass sie es waren, aber der Richter hat gesagt, wenn die nicht, dann hätte es ein anderer genommen. Mein Hund wurde vergiftet, als der Tierarzt erfuhr, dass ich Jude bin.“ Schwarz: "War das ein jüdischer Hund?“ Schreier: "Das ist nicht zum Lachen.“ Schrott: "Ehrlich gesagt: An den Antisemitismus habe ich mich schon gewöhnt. Mit dem lebe ich.“ Wonsch: "Wie an enge Schuhe.“

Wir brauchen junge Leute in unseren Gesellschaften. (Philipp Kornreich)

profil: "Nicht wenige Juden haben den Norbert Hofer gewählt. Warum?“ Kornreich: "Die rechten Juden, Netanjahu und der Strache sind einander politisch sehr ähnlich.“ Schwarz: "Politische Huren.“ Wonsch: "Sie haben ihn gewählt, weil er gegen die Moslems ist. Er will die Moslems vertreiben. Man sollte immer am Anfang auch das Ende bedenken.“ Schwarz: "Das Hauptthema heute sind die Flüchtlinge. Schon vor der Invasion hat Strache dieses Thema gespielt. Die Mehrheit will sie weghaben. Ich bin da in gewisser Beziehung ein Diktator: Wenn einer in ein Land kommt, und er geht nicht einmal in die Schule, um Deutsch zu lernen, dann schieb ich ihn ab.“ Schrott: "Richtig.“ Schwarz: "Und wenn einer Frauen vergewaltigt: abschieben.“ Wonsch: "Weißt du, dass du auch ein Rassist bist, mit dem, was du sagst? So traurig es ist: Es geschehen von Österreichern viel mehr kriminelle Sachen.“ Schwarz: "Sogar Merkel hat eingesehen, dass sie sich überfordert hat, und schiebt auch schon ab.“ Kornreich: "Sie hat es nicht schlecht gemeint.“ Schreier: "Hätte sie die Flüchtlinge nicht aufgenommen, hätten wir auch mit dem Finger auf sie gezeigt.“ Kornreich: "Wir brauchen junge Leute in unseren Gesellschaften.“ Schwarz: "Aber keine Verbrecher. Es wird einfach nicht genug gevögelt.“

Befreites Gelächter.

Christa   Zöchling

Christa Zöchling