Hitler-Zitat auf Grab des früheren Kärntner Gauleiters Rainer entdeckt

Am Grab des früheren Kärntner Gauleiters Friedrich Rainer findet sich NS-Symbolik und ein Zitat Adolf Hitlers. Jahrzehntelang blieb das offenbar unbemerkt – die Stadt Klagenfurt lässt die Angelegenheit nun prüfen.

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Der Friedhof Annabichl, unweit des Klagenfurter Flughafens, ist die letzte Ruhestätte vieler bekannter Töchter und Söhne Kärntens. Die Schriftstellerin Ingeborg Bachmann liegt hier ebenso begraben wie der Komponist Thomas Koschat. Spaziert man entlang der Reihe N auf dem Friedhofsfeld 3, stößt man auf eine Parzelle, die auf eine dunkle Seite der Landesgeschichte hinweist: Friedrich Rainer, früherer Reichsstatthalter und Gauleiter von Salzburg und Kärnten, hat hier ein hübsch gepflegtes Familiengrab.

Nun mag es nicht allzu groß verwundern, dass auf städtischen Friedhöfen auch frühere NS-Funktionäre begraben liegen. Doch die Symbolik, mit der das Grab Rainers – eines der schlimmsten und prominentesten Nationalsozialisten Österreichs – versehen ist, hat es in sich: Neben einer Elhaz-Rune – die vom NS-Regime als Zeichen der Lebensborne sowie als Geburts- und Sterbesymbol verwendet wurde – ziert das Grab eine kryptische Gravur: „Nur aus Vergangenem und Gegenwärtigem zugleich baut sich die Zukunft auf“, so die Inschrift.

profil-Recherchen ergaben nun, dass hinter dem harmlos anmutenden Satz ein versteckter Nazi-Code stecken dürfte: Das Zitat stammt nämlich von Adolf Hitler. Gesprochen wurde der Satz während seiner Rede auf dem NSDAP-Parteitag 1933 in Nürnberg, in der Hitler im gleichen Atemzug über „Gesetze der rassischen Vererbung“ und das Judentum als „ohne künstlerisch produktive Fähigkeit“ hetzte.

"Das ist ein Skandal"

Jahrzehntelang dürfte die fragwürdige Inschrift des Grabes unbemerkt geblieben sein. Selbst das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) erfuhr nun zum ersten Mal von der Angelegenheit – äußert sich aber deutlich: „Das ist ein Skandal, den Friedhofsverwaltung und Angehörige hier gemeinsam zu verantworten haben“, meint Antisemitismusforscher Andreas Peham. Zwar sei es fraglich, ob hier der Strafbestand nach dem Verbotsgesetz greife – die Verwendung der Elhaz-Rune ist in Österreich an sich nicht strafbar, die Inschrift kein ausgewiesener NS-Spruch –, für Peham stellt der Kontext aber dennoch neonazistische Propaganda dar. „Falls der Stein so bleibt, kann dem nur durch eine historisch-kritische (Gedenk-)Tafel Abbruch getan werden.“

Um die Todesumstände Rainers ranken sich Mythen, das fragwürdige Grab gibt es seit den 1990er-Jahren.

Schon öfter gab es Wirbel um Grabstätten früherer NS-Täter. So lebte der ehemalige steirische Gauleiter Siegfried Uiberreither über Jahrzehnte unter falscher Identität im deutschen Sindelingen und wurde dort schließlich auch mit diesem Namen bestattet. Baldur von Schirach, Gauleiter von Wien, kam nach seiner Haft in Kröv unter. Sein dortiges Grab, mit der seltsamen Inschrift „Ich war einer von euch“, wurde 2015 eingeebnet. Das geschah 2011 auch mit der Grabstätte von Rudolf Hess in Wunsiedel, nachdem diese jahrelang als Pilgerort von Neonazis genutzt worden war. Den Reichsstatthalter Niederösterreichs, Hugo Jury, verscharrte man nach Kriegsende wiederum namenlos am Syrnauerfriedhof in Zwettl. Dass das Grab eines österreichischen Gauleiters ausgerechnet mit einem Hitler-Zitat dekoriert ist, scheint jedenfalls beispiellos zu sein.

Um Friedrich Rainers Todesumstände selbst ranken sich Mythen. Rainer, geboren in Sankt Veit an der Glan, war glühender Nationalsozialist der ersten Stunde. Bereits 1923 trat er der SA bei, 1930 folgte der Eintritt in die NSDAP, als „Illegaler“ machte er dann ab dem „Anschluss“ steile Karriere und kam bis in den Rang eines SS-Obergruppenführers. 1938 war er zunächst Gauleiter von Salzburg und erklärte nach der Reichspogromnacht stolz, dass Salzburg „restlos judenfrei“ wäre. Ab 1941 wechselte er als Gauleiter in sein Heimatbundesland Kärnten. Rainer drängte auf den Bau des Loibltunnels nach Slowenien, wofür eigens das KZ Loibl als Außenstelle von Mauthausen errichtet wurde. Daneben trieb er mit Deportationen der slowenischen Minderheit die „Germanisierung“ Kärntens voran. Rainers enger Freund Odilo Globocnik war es, der in Polen mit der „Aktion Reinhard“ die systematische Ermordung von Juden und Roma organisierte und die Errichtung von Vernichtungslagern persönlich abwickelte. Zu Kriegsende versteckten sich Rainer und Globocnik zunächst gemeinsam in der Nähe des Kärntner Weißensees. Während Globocnik Selbstmord beging, kam Rainer zunächst in britische Gefangenschaft und wurde schließlich an Jugoslawien übergeben. Dort wurde 1947 ein Todesurteil gegen ihn ausgesprochen und angeblich auch exekutiert. Später ergaben sich jedoch Zweifel an dieser Version. So soll Rainer möglicherweise bis in die 1950er-Jahre gelebt haben, was Dokumente aus der Kriegsgefangenschaft belegen sollen, die 2001 auftauchten. Über den konkreten Verbleib seines Leichnams ist nichts bekannt.

Verbindung zu Revisionisten

Wie profil erfuhr, ist das fragwürdige Familiengrab überhaupt erst 1991 entstanden, als Rainers 1935 geborener Sohn verstarb. Dieser pflegte in den Jahrzehnten zuvor eine Verbindung zu Revisionisten, war mit dem Holocaust-Leugner Gerd Honsik bekannt und stand wegen Wiederbetätigung zwei Mal vor Gericht – wurde aber freigesprochen. Die am Grab eingravierte Elhaz-Rune war zudem das Logo der 1988 verbotenen Nationaldemokratischen Partei Österreichs.

Heute kümmere sich um das Grab in erster Linie eine über 80-jährige Tochter Friedrich Rainers, die mit ihrem Bruder einst ebenfalls vor Gericht stand. profil erreichte die Frau am Telefon – dass es sich bei der Grabinschrift um ein Zitat Adolf Hitlers handle, will sie bezweifeln. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass heutzutage viele Lügen im Umlauf sind.“ Der Spruch sage ihrer Meinung nach etwas Schönes aus. „Es geht um das Leben und das Leben nach dem Tod.“

Das ungewisse Schicksal des Vaters hätte für sie „eine tiefe Wunde“ hinterlassen. Später seien viele Personen auf sie zugekommen, die gemeint hätten, Friedrich Rainer sei „ein feiner Mann gewesen“, woraufhin sie sich mit „anderen Quellen“ beschäftigt habe. Über Verbrechen während der NS-Zeit herrsche ihrer Meinung nach ein „Zwangsglaube“, einer Mahntafel oder Kommentierung des Grabes steht die Frau ablehnend gegenüber: „Soll da vielleicht ein großer Zion-Stern drauf, dass man beruhigt ist?“

Kenner der Familie erklären gegenüber profil, dass sich unter den vielen Nachkommen Friedrich Rainers – er hatte insgesamt acht Kinder – aber auch vehemente Gegner des Nationalsozialismus befinden.

Bei der Klagenfurter Stadtverwaltung zeigt man sich über die profil-Recherchen zum Grab Friedrich Rainers überrascht: „Wir lassen die Angelegenheit vom Erinnerungs- und Gedenkbeirat der Landeshauptstadt Klagenfurt klären“, teilt ein Sprecher des Magistrats mit. „Da ein solcher Fall einer belasteten Grabinschrift erstmals aufgetreten beziehungsweise entdeckt worden ist, muss genau abgeklärt werden, ob und in welcher Form eine Reaktion möglich ist.“