profil-Morgenpost

Inflation: Wie kommen wir da wieder raus?

Die Preise steigen wie ewig nicht mehr, die Zinsen sind völlig verrutscht, die Europäische Zentralbank muss handeln – die österreichische Bundesregierung sowieso.

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Letzthin, beim Aufräumen, hielt ich einen Kreditvertrag aus 1998 in Händen. Historisch, in jeder Hinsicht. Die Währung gibt’s nimmer, die Bank auch nicht – und erst die Konditionen: Die Creditanstalt verlieh damals 150.000 Schilling als „Privat-Sofort-Kredit“ und verlangte bei fünf Jahren Laufzeit effektiv 9,7 Prozent Zinsen pro Jahr. Auf die Inflation war mit Blick auf die Schuldenentwertung kein Verlass. Ende der 1990er lag die Teuerungsrate bei plusminus einem Prozent jährlich, Anfang der 2000er Jahre bei plusminus zwei Prozent. Kredite waren teuer, Sparzinsen vergleichsweise hoch, die Inflation ließ sich durchaus bändigen, der Vermögensaufbau war machbar. Wie gesagt, historisch. Jetzt leben wir in einer Zeit, wo zunehmend viele Menschen Not haben, ihre Rechnungen zu bezahlen, wer redet da noch von Vermögensaufbau.

Laut einer ersten Schätzung der Statistik Austria stiegen die Verbraucherpreise von Mai 2021 auf Mai 2022 durchschnittlich um acht Prozent, das hat es seit den 1970er Jahren nicht mehr gegeben (als die Zinslandschaft noch eine völlig andere war). Die Teuerung zehrt zunehmend an unser aller Liquidität und sie zehrt an den Sparvermögen; umgekehrt nutzt sie den Schuldnerinnen und Schuldnern – allen voran den hochverschuldeten Staaten –, deren Verbindlichkeiten mitentwertet werden.

Die eingangs genannten 150.000 Schilling entsprechen heute inflationsbereinigt mehr als 17.000 Euro. Für einen „Online-Kredit“ dieser Größenordnung auf fünf Jahre weist die Bank Austria (in welcher die CA einst verschwand) aktuell eine Effektivverzinsung 4,2 Prozent pro Jahr aus – sohin deutlich unter der aktuellen Inflationsrate. Von Immobilienfinanzierungen gar nicht zu reden. Die waren hierorts zuletzt noch für jährlich plusminus zwei Prozent effektiv zu haben und das auch noch fix auf zehn Jahre.

Geldschwemme, Pandemie, Ukraine-Krieg

Das ist so einiges verrutscht, und die Europäische Zentralbank (EZB) schaut nun schon viel zu lange zu – in deutschen Medien wird EZB-Präsidentin Christina Lagarde mit Hinweis auf deren hartnäckig lockere Geldpolitik bereits „Mutter der Inflation“ genannt (einstweilen debattieren Ökonominnen und Ökonomen angeregt darüber, was denn nun den größeren Anteil an den erdrückenden Preissteigerungen habe: Pandemie und Ukraine-Krieg oder die EZB-Geldschwemme).

Wir blicken also nach Frankfurt, wo die EZB-Spitze heute, Donnerstag, zu Beratungen zusammentritt. Ob im Anschluss daran eine Zinswende verkündet wird, die den Namen auch verdient – abwarten. Wunder darf man jedenfalls keine erwarten, werden die Zinsen zu stark angehoben, hieße der nächste Halt in der Eurozone wohl Rezession (oder vereinzelt auch: Staatsbankrott). Die Kapitalmärkte sind so oder so in Unruhe, Volatilität ist das neue Normal.

Wir blicken nach Wien, wo die Bevollmächtigten dieser Republik zum Wochenende hin ihre Maßnahmen gegen die Teuerung – prioritär: niedrige Einkommen – vorstellen sollten. Wunder sind auch hier keine zu erwarten; man ist ja grundsätzlich gut beraten, von österreichischen Bundesregierungen keine Wunder zu erwarten.

Inflation – für ein Gespenst ist sie mittlerweile erschreckend fassbar – und zugleich der Ausgangspunkt für viele Fragen: Wie leben mit der Teuerung? Verarmen wir jetzt kollektiv? Wohin mit dem Sparvermögen (so noch vorhanden)? Jetzt noch Schuldenmachen (so noch möglich)? Wer profitiert eigentlich von Inflation? Und vor allem: Wie kommen wir da wieder raus?

Die Antworten würden den Rahmen dieses Formats sprengen – aber: die profil-Redaktion arbeitet quer durch die Ressorts und mit Hochdruck an einer nahenden Titelgeschichte, die all das (und vieles mehr) beleuchten wird. Seien Sie gespannt!

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.