Bundesheerübung (Symbolbild)
Islamistenalarm im Bundesheer: Gegen Grundwehrdiener wird ermittelt

Islamistenalarm im Bundesheer: Ermittlungen gegen Grundwehrdiener

Islamistenalarm im Bundesheer: Gegen Grundwehrdiener wird ermittelt

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Es ist eine kleine Geste mit großer Wirkung, bei der es auf den Kontext ankommt. Wenn zwei das Gleiche tun, ist es schließlich nicht dasselbe. Ein erhobener, in den Himmel gestreckter Zeigefinger zum Beispiel: In Deutschland nennt man die Geste auch den "Vettel-Finger“. Der Formel-1-Weltmeister bejubelt mit diesem Markenzeichen seine Rennerfolge, was ihm vor allem in Großbritannien verübelt wird, weil es an den "Stinkefinger“ erinnert. Wenn ein junger Österreicher einen Zeigefinger in den Himmel streckt, sollte dies eigentlich nicht weiter von Belang sein. Es sei denn, der Bursch trägt die Uniform des Bundesheers; und einen Bart; und lässt sich fotografieren - neben dem Militär-Imam für muslimische Soldaten.

Vor einem Monat lösten im Netz aufgetauchte Fotos österreichischer Grundwehrdiener erhöhte Nervosität im Verteidigungsministerium und im Heeres-Abwehramt, dem Werksschutz des Bundesheers, aus. Handelt es sich um harmlose Schnappschüsse anlässlich eines Festakts? Oder um bedenkliche islamistische Umtriebe innerhalb einer österreichischen Kaserne?

Seit einiger Zeit gilt der erhobene Zeigefinger als Glaubenszeichen unter Kämpfern des Islamischen Staates (IS) in Syrien und im Irak

Veröffentlicht wurden die Fotos Mitte Juni auf der Website der türkischsprachigen Zeitung "Avusturya Günlügü“ (Österreich Journal) zur Illustration eines harmlosen Artikels. Thema des Berichts war die Unterzeichnung eines Vertrags zwischen Verteidigungsministerium und der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) über die Einrichtung einer islamischen Militärseelsorge in der Maria-Theresien-Kaserne in Wien. Auf einem der Fotos sind der neu bestellte Imam, Abdulmedzid Sijamhodzic, der Militärkommandant von Wien, Brigadier Kurt Wagner, und zwei Zivilisten zu sehen - vor ihnen in Hocke fünf Rekruten. Ein Zivilist, laut profil-Informationen ein weiterer Imam, und ein Soldat heben den rechten Zeigefinger Richtung Himmel. Neutral gesehen symbolisiert die Geste den "Tauhid“, den Glauben an die Einheit und Einzigartigkeit Allahs. Seit einiger Zeit gilt der erhobene Zeigefinger aber auch als Glaubenszeichen unter Kämpfern des Islamischen Staates (IS) in Syrien und im Irak, dessen weltweiten Sympathisanten, ultrakonservativen Salafisten und anderen Fundamentalisten-Gruppen. Ausgedrückt wird der "Tauhid“ im ersten Satz der "Shahada“, des islamischen Glaubensbekenntnisses: "Es gibt keinen Gott, außer Gott.“ Der Schriftzug findet sich auch auf der berüchtigten schwarzen IS-Fahne.

Vor allem in sozialen Medien wie Twitter oder Facebook posten junge Muslime, auch aus Österreich, Fotos von sich mit erhobenen Zeigefinger - wie IS-Kämpfer auf Panzern, mit Gewehren oder gar Geiseln.

Im Bundesheer werden radikale Tendenzen religiöser oder politischer Natur sehr ernst genommen. (Oberstleutnant Peter Barthou)

Von profil befragte Islamwissenschafter verweisen auf den prinzipiell neutralen Charakter der Zeigefinger-Geste. Als bedenklich sei es aber einzuordnen, wenn das Zeichen in der popkulturellen Internetszene von jungen Muslimen verwendet werde, die etwa aus einer Protesthaltung heraus mit dem IS sympathisieren.

So sah man das auch im Heer. Das inkriminierte Foto wurde keineswegs als harmlos oder "Bubenstreich“ gewertet. Oberstleutnant Peter Barthou, Sprecher des Verteidigungsministeriums: "Im Bundesheer werden radikale Tendenzen religiöser oder politischer Natur sehr ernst genommen.“ Wie vom Ministerium gegenüber profil bestätigt wird, wurde der Vorfall vom Abwehramt gründlich überprüft. Barthou: "Es kann hier keine religiöse Radikalisierung festgestellt werden. Bei allen auf dem Bild gezeigten Rekruten konnten keine Hinweise auf radikale Tendenzen gefunden werden.“

Strafbar dürfte der Islamisten-Fingerzeig kaum sein. Zwar verabschiedete der Nationalrat im Dezember 2014 ein Gesetz, das die Verwendung und Verbreitung von Symbolen des Islamischen Staates und der Al Kaida unter Strafe stellte, Gesten fallen aber nicht darunter.

Auffällig ist, dass sämtliche Burschen auf dem Foto Bärte tragen. An sich gilt für Muslime beim Heer keine Rasurbefreiung. Weist ein Rekrut bei der Stellung oder beim Einrücken allerdings eine Bestätigung der IGGiÖ vor, dass er ein streng gläubiger Muslim sei, wird er von der Rasurpflicht befreit. So sieht es ein Erlass des Verteidigungsministeriums vor.

Die Ausbildner sind angehalten, auf etwaige islamistische Tendenzen bei ihren Grundwehrdienern zu achten

In Wien rückt die Mehrzahl der muslimischen Rekruten - wie auch die jungen Männer auf dem Foto - in die Maria-Theresien-Kaserne zu Garde ein. Allerdings absolvieren sie dort nur die Grundausbildung, weil die Garde über entsprechende Infrastruktur wie Küchen und Gebetsräume für muslimische Soldaten verfügt. Nur wenige muslimische Rekruten wechseln danach zur Ehrenkompanie, die meisten werden auf andere Kasernen verteilt.

Jährlich werden geschätzt 1800 Muslime vom Heer eingezogen. Die Ausbildner sind angehalten, auf etwaige islamistische Tendenzen bei ihren Grundwehrdienern zu achten. Vom Bundesheer wurde dazu eigens ein Indikatoren-Katalog ausgearbeitet. Wird ein Rekrut auffällig, erfolgt eine Meldung an das zuständige Militärkommando oder direkt ans Abwehramt. Vor drei Jahren löste der Fall eines muslimischen Soldaten mediales Aufsehen aus, der sich nach Ende seines Wehrdienstes nach Afghanistan abgesetzt hatte.

Vor einem Jahr berichtete profil über das Schicksal eines jungen Mannes mit türkischen Wurzeln. Er war erst beim Bundesheer über Kameraden mit dem Islam in Kontakt geraten und hatte sich in der Folge zunehmend radikalisiert. Eines Tages verschwand er mit der Ankündigung, nach Syrien gehen zu wollen. Seine Eltern fanden ihn einige Wochen später schwer verletzt in einem Spital an der türkisch-syrischen Grenze.

Bisher wurden 233 Personen - in der Mehrheit Tschetschenen oder Bosnier - identifiziert, die aus Österreich ausreisten, um im Heiligen Krieg für den Islamischen Staat zu kämpfen

Dass heimische Behörden Hinweise auf mögliche islamistische Aktivitäten derzeit mit erhöhter Sensibilität verfolgen, kommt nicht von ungefähr. Laut dem aktuellen Verfassungsschutzbericht, veröffentlicht Anfang Juli, geht die größte Gefahr für die Sicherheit Österreichs von radikal-islamistischen Gruppen aus. Bisher wurden 233 Personen - in der Mehrheit Tschetschenen oder Bosnier - identifiziert, die aus Österreich ausreisten, um im Heiligen Krieg für den Islamischen Staat zu kämpfen, davon allein 60 im ersten Halbjahr 2015. Vor allem österreichische Muslime der zweiten und dritten Generation sowie Konvertiten sind laut Verfassungsschutzbericht für die IS-Propaganda empfänglich und würden "zur Bildung einer, home-grown‘-Szene in Österreich“ beitragen. Kein Wunder, dass das Bundesheer eine gewisse Achtsamkeit entwickelt hat. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz stellte 20 zusätzliche Mitarbeiter für Ermittlungen gegen mutmaßliche Jihadisten an.

Insgesamt wurden bisher 174 Strafverfahren nach dem Terrorismus-Paragrafen gegen mutmaßliche Jihadisten eingeleitet. Bisher gab es freilich erst 14 Verurteilungen. Erst in der Vorwoche sprach das Wiener Landesgericht über einen 17-jährigen IS-Heimkehrer - ein Konvertit ohne Migrationshintergrund - eine nicht rechtskräftige, zweieinhalbjährige unbedingte Freiheitsstrafe wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und Aufforderung zu terroristischen Straftaten aus. Und Mitte Juni wurden in einem großen Islamistenprozess in Wien neun Tschetschenen - nicht rechtskräftig - verurteilt, die sich dem Islamischen Staat anschließen und in den Jihad ziehen wollten.

In der Islamischen Glaubensgemeinschaft wollte man das Foto nicht kommentieren. Der von profil kontaktierte Imam, Abdulmedzid Sijamhodzic, rief nicht zurück. Ermöglicht wurde die Einrichtung einer muslimischen Militärseelsorge durch das im März in Kraft getretene neue Islamgesetz als neuer Rechtsgrundlage für die geschätzt 560.000 Muslime in Österreich.

Im Jahr 2008 war der erste Versuch, eine muslimische Militärseelsorge im Heer einzurichten, gescheitert. Das Abwehramt hatte Bemerkenswertes über die zwei Kandidaten herausgefunden. Der eine war Mitglied der radikalen Muslimbruderschaft, der andere ein Hochstapler mit gefälschtem Diplom einer Religionsakademie in Istanbul.

Mitarbeit: Edith Meinhart

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.