Kanzler Karl Nehammer in seinem Büro, wo er auch die harten Gefecht mit den Grünen austrägt.
Interview

Karl Nehammer: „Politik ist wie Spitzensport“

Bundeskanzler Karl Nehammer hält es für notwendig, auch Tabuthemen anzusprechen. Prinzipiell ist ihm Popularität weniger wichtig, als Verantwortung zu zeigen. Dennoch glaubt er an Platz 1 für die ÖVP bei der Wahl. Und schließt eine Regierungszusammenarbeit mit FPÖ-Chef Herbert Kickl strikt aus.

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Kanzlermenü“ ist das Wort des Jahres. Sie sind Rhetoriktrainer – sind Sie stolz oder ist Ihnen das peinlich?
Karl Nehammer
Ich bin zumindest froh, dass es nicht das Unwort des Jahres ist.
Warum schaffen Sie es nicht, einen Kanzlerbonus zu generieren? Sie liegen in allen Umfragen hinten.
Karl Nehammer
Umfragen sind immer Momentaufnahmen. Vor ein paar Monaten war Pamela Rendi-Wagner Nummer eins und ist jetzt nicht einmal mehr in der Politik. Ich gebe darauf nicht viel.
Sie sind nun seit zwei Jahren im Amt, was war Ihr größter Fauxpas?
Karl Nehammer
Wo viel gearbeitet wird, passieren hie und da auch Fehler. Wichtig ist, was man daraus lernt. Ich habe – weil Sie den Burger-Sager angesprochen haben – gelernt, dass es keine Unterscheidung mehr gibt, vor welchem Forum man was sagt. Das war früher anders. Es war zulässig, dass man in Ansagen je nach Publikum variiert. Dieses Recht steht einem Kanzler offenbar nicht mehr zu. Bei anderen politischen Entscheidungen ist es oft eine Frage des Blickwinkels, was als „Fehler“ betrachtet wird. Man wird es in der Politik nie allen recht machen können. Aber man muss sich redlich einer Diskussion stellen.
Es war nie Ihr Wunsch, Kanzler zu werden – Sie haben nach dem etappenweisen Abgang von Sebastian Kurz übernommen. Wären Sie erleichtert oder traurig, wenn Sie diesen Job nach der Wahl nicht mehr machen müssten?
Karl Nehammer
Das ist eine sehr ernsthafte Frage. Es ist ein Privileg, den Menschen als Bundeskanzler dienen zu dürfen. Diese Aufgabe hat gewichtige Verantwortung. Ich bin bereit, sie weiter zu tragen – und betrachte es in einer Zeit der Polarisierung, in der die Ränder stärker werden, auch als wichtig, für eine Politik der Ausgewogenheit und der Mitte zu kämpfen. Darum würde ich mich freuen, wenn mir die Verantwortung von den Wählerinnen und Wählern wieder übertragen wird. Es gab viele nicht vorhersehbare Herausforderungen. Mit Beginn des Krieges in der Ukraine stellte sich die große Frage der Energiesicherheit. Es ist mir und uns gelungen, die Versorgung gut sicherzustellen. Wir haben eine große Verantwortung für neun Millionen Menschen im Land getragen – es ist aber ein unglaubliches Gefühl, zu wissen, dass man gebraucht wird. Das bekommt man zurückgespiegelt.
Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin

Anna  Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.