Führungsdebatte

Konkurrenz für Rendi-Wagner und Doskozil: Wer SPÖ-Parteichef werden möchte

Sechs Genossinnen und Genossen haben Interesse an einer Kandidatur bekanntgegeben; einer hat seine wieder zurückgezogen, ein anderer darf erst gar nicht antreten.

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Pamela Rendi-Wagner

Joy Pamela Rendi-Wagner wurde 1971 in Wien geboren. Sie studierte ebenda und in London Medizin und spezialisierte sich auf Tropenmedizin. Rendi-Wagner ist keine klassische Berufspolitikerin. Erst kurz vor ihrer Angelobung zur Gesundheits- und Frauenministerin im März 2017 trat sie der SPÖ bei. Nach der Nationalratswahl im November 2017 und dem darauf folgenden Regierungswechsel zog sie als Abgeordnete in den Nationalrat ein. 2019 folgte sie Christian Kern als erste Frau an der Spitze der SPÖ und wurde Parteivorsitzende. Die Partei erreichte bei der letzten Nationalratswahl mit knapp über 21 Prozent ihr historisch schlechtestes Ergebnis.

 

Ein politischer Schwerpunkt Rendi-Wagners war der Nichtraucherschutz. Gemeinsam mit den NEOS und der Liste Pilz stellte sie 2019 den Antrag im Nationalrat, mit dem das Rauchverbot in der Gastronomie beschlossen wurde. Nach einer Mitgliederbefragung 2020, bei der Rendi-Wagner über 70 Prozent der Parteimitglieder das Vertrauen aussprachen (Wahlbeteiligung 41,3 Prozent), präsentierte sie ihr politisches Konzept “Neue Solidarität für Österreich”. Darin forderte sie die Stärkung des Sozialstaates und setzte Schwerpunkte auf Gesundheit und Pflege. Laut einer Umfrage der Gratiszeitung Heute lag Rendi-Wagner zum Jahreswechsel 2020/2021 auf Platz eins der beliebtesten Politiker:innen. 

Hans Peter Doskozil

Harte, parteiinterne Kritik an Rendi-Wagner folgte meist aus dem Burgenland. Direkter gesagt: Von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. 

 

Doskozil wurde 1970 in Steiermark geboren, studierte Jus in Wien und startete zeitgleich seine Karriere als Polizist. Nach Abschluss seines Studiums wechselte er zunächst in die Sicherheitsdirektion Burgenland, danach in die Bundespolizeidirektion und anschließend ins Innenministerium. 2010 holte ihn Burgenlands Ex-Landeshauptmann Hans Niessl zurück nach Eisenstadt und machte Doskozil zu seinem Büroleiter und später zum Landespolizeidirektor.

 

In dieser Tätigkeit erlangte Hans Peter Doskozil mediale Bekanntheit durch den Fund von 71 Leichen in einem Kühl-LKW auf der Ostautobahn nahe Nickelsdorf zu Beginn der Flüchtlingskrise 2015. Ein Jahr später wurde er Verteidigungsminister und kurz darauf wechselte er zurück in die burgenländische Landesregierung und übernahm in Eisenstadt die Ressorts Finanzen und Kultur sowie die Spitäler, bis er 2019 schließlich selbst Landeshauptmann wurde.

 

Doskozil wird oft nachgesagt, er stehe für den rechten Flügel der SPÖ. Er forderte stets eine strenge Asyl- und Migrationspolitik. In sozialpolitischen Themen steht der burgenländische Landeshauptmann allerdings weit links der Mitte. Er führte einen Mindestlohn von 2000 Euro netto für Landesbedienstete ein, Jungärzte sollen mit einem Anfangsgehalt von 140.000 Euro ins Burgenland gelockt werden und Mieten in 10.000 Genossenschaftswohnungen wurden eingefroren - die Differenz bezahlt das Land. Seit 2019 können sich pflegende Angehörige beim Land Burgenland anstellen lassen. Einige Paradebeispiele für die "Doskonomics", also sein Weg des Wirtschaftens, der darin besteht, eigenmächtig zu verstaatlichen und Geld auszugeben. Vor allem Wiener Genossen ätzen, die “Doskonomics” würden im Bund oder in größeren Bundesländern in die Pleite führen. 

Andreas Babler
Überregional bekannt wurde Andreas Babler ab 2014 als Bürgermeister von Traiskirchen (Bezirk Baden). Das örtliche Erstaufnahemzentrum und seine klaren Aussagen zu den Themen Asyl und Migration machten ihn zum Liebling der SPÖ-Basis. Der gelernte Maschinenschlosser, der sich gerne als Politiker zum Anfassen gibt, steht für eine liberale und integrative Flüchtlingspolitik. Bei der Landtagswahl in Niederösterreich schaffte er heuer Platz vier im Gesamtranking. Belohnt wurde das Resultat mit einem Sitz im Bundesrat. 2019 war Traiskirchen zudem die erste österreichische Stadt, die den Klimanotstand ausrief. 

Berthold Felber

 Neben Hans Peter Doskozil gibt es einen zweiten Kandidaten aus dem Burgenland. „Das ist ein über sechs, sieben, acht Jahre gereifter Beschluss“, schrieb der Unternehmer (SPÖ-Mitglied seit 1971) aus dem Bezirk Oberpullendorf in seinem Bewerbungsmail. Sein Hauptkritikpunkt: Die SPÖ habe innerparteilich keine Linie; beworben habe er sich, weil er ein so führungsloses und konzeptloses Konstrukt für eine große Partei nicht länger mit ansehen könne. Felber habe sich vom Lehrling zum Unternehmer hinaufgearbeitet. Jetzt will der 69-Jährige SPÖ-Chef werden. 
Gerhard Weißensteiner
Seit Mittwochabend ist nun auch fix: Gerhard Weißensteiner aus dem Waldviertel in Niederösterreich zieht ebenso ins Rennen um den Chefsessel der SPÖ. Weißensteiner ist zwar Parteimitglied, führt allerdings kein politisches Mandat aus. 2020 wurde er jedoch zum ehrenamtlichen Gemeindpartei-Kassier gewählt. Gerhard Weißensteiner ist LKW-Fahrer. Seine Kandidatur überraschte selbst die Bezirks-Partei in seiner Heimat Gmünd. Dort habe niemand von seinem Interesse an der Parteispitze gewusst. “Wir unterstützen aber jeden”, sagt SPÖ-Bezirksparteichef Bierbach gegenüber der NÖN. Schwerpunkte will er im Bereich Teuerung und Asyl setzen.  
Nikolaus Kowall
Der Volkswirt und Vizeparteichef der SPÖ in Wien Alsergrund hatte als erster angekündigt, eine Alternative zu Rendi-Wagner und Doskozil sein zu wollen. Kowall gilt als lauter Kritiker der SPÖ sowohl in Bund als auch Stadt, wofür er auch gerne als Partei-Rebell bezeichnet wurde. Mit der Bekanntgabe der Kandidatur von Andreas Babler hat Kowall seine wieder zurückgezogen.  
Gerald Grosz
Die Kandidatur von Ex-BZÖ-Politiker und Präsidentschaftskandidat Gerald Grosz hielt indes nicht lange. Der rechtspopulistische YouTuber und Kommentator hatte versucht, im Rennen um den SP-Vorsitz, oder zumindest um Aufmerksamkeit, mitzumischen. Grosz hatte die dafür notwendige Mitgliedschaft beantragt. Aus der Partei hieß es dazu aber nur knapp: "Das Beitrittsansuchen des Rechtspopulisten Gerald Grosz wird natürlich abgewiesen. Grosz repräsentiert das Gegenteil der Grundsätze der Sozialdemokratie." Grosz reagierte auf das Nein der SPÖ auf Twitter in gewohnter Art und Weise – und mit dem Vorschlag, zumindest seine Katze anmelden zu wollen.  
Maximilian Mayerhofer

Maximilian Mayerhofer

war bis Mai 2023 Online-Redakteur bei profil. Davor war er beim TV-Sender PULS 4 tätig.

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.