Krankenhaus Nord: Eden in Floridsdorf

Neues Kapitel in der Skandalchronik um das Krankenhaus Nord: Die Grünanlagen sind massiv überdimensioniert und kosten Millionen.

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Dienstag vergangener Woche ging es heiß her im Arkadenhof des Wiener Rathauses – und zwar im doppelten Sinn: Bei der Sitzung der Untersuchungskommission zur Affäre um das Krankenhaus Nord herrschten tropische Temperaturen. Und die Aussagen der Zeugen waren ebenfalls dazu geeignet, Hitzeschläge auszulösen. So erläuterte der Geschäftsführer des Austrian Institute of Technology, Anton Plimon, der Standort für das Spital an der Brünner Straße im 21. Bezirk sei wegen des Lärms, der Vibrationen und der elektromagnetischen Belastung „nicht optimal“. Ohne technische Gegenmaßnahmen hätte man „dort laut Ö-Norm kein Krankenhaus bauen dürfen“.

Diese Gegenmaßnahmen gingen ins Geld, wie so vieles beim Bau des Skandalspitals. Im September 2019 soll das KH Nord endlich in Betrieb gehen – drei Jahre später und in der Errichtung um etwa 400 Millionen Euro teurer als geplant. Der Rechnungshof hielt trocken fest, dem Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) habe schlicht das „Know-how“ gefehlt, um ein solches Megaprojekt abzuwickeln. Und in regelmäßigen Abständen werden neue Fälle von Verschwendung (95.000 Euro für die energetische Reinigung der Baustelle) oder Fehlplanung (600.000 Euro für einen nutzlosen Brunnen) bekannt. Der vorerst letzte: Auch bei der Gestaltung der Grünanlagen des Spitals gab es große Pläne und geringes Kostenbewusstsein – eine verhängnisvolle, aber häufige Kombination, die das Debakel beim KH Nord mitverursachte.

Am Anfang stand pure Begeisterung. Das „modernste Krankenhaus Europas“, wie die SPÖ-dominierte Stadtregierung das Projekt gern pries, sollte auch ein Wohlfühlspital werden, im Gegensatz zur Betonwüste des AKH. Im Juni 2016 präsentierte Thomas Balázs, damals Vize-Generaldirektor des KAV, das Garten- und Grünraumkonzept für das Krankenhaus Nord: „Natur hilft Menschen, gesund zu werden. Deshalb war von Anfang an klar, dass wir einen großen schönen Heilgarten für die künftigen Patienten haben möchten, aber auch für deren Besucher und das Personal.“

Der Heilgarten – gemeint sind damit sämtliche Grünflächen – sollte nichts zu wünschen übrig lassen: eine grüne Piazza, begrünte Dachgärten, fünf Therapiegärten, Pflanztröge, Spiel- und Versteckmöglichkeiten für die kleinen Patienten, Hochbeete, Wasserspiele. Teil des Heilgartens ist laut KAV-Konzept auch ein Mischwald-Park mit Stauden- und Gräserflächen mit „unterschiedlichen Blühfolgen“ und „schwerpunktmäßiger Farbgebung“, die „von weiß bis blau, grünlich bis gelb oder rosa bis violett“ verlaufen soll. Insgesamt werden 1000 Bäume gepflanzt, bei deren Auswahl „auch die Herbstfärbung und die Fruchtentwicklung“ berücksichtigt werden sollten. Kurz: ein Garten Eden mitten in Floridsdorf.

Jährliche Erhaltungskosten von 250.000 Euro

Das Paradies ist großzügig dimensioniert. Man könnte auch von einer Parklandschaft mit angeschlossener Klinik sprechen. Denn insgesamt belegt der Heilgarten 47.000 Quadratmeter. Die bebaute Krankenhausfläche beträgt 51.000 Quadratmeter. Das gesamte Grundstück des KH Nord inklusive Verkehrsflächen ist 111.000 Quadratmeter groß. Für die Anlegung des Heilgartens veranschlagte der KAV 120 bis 140 Euro pro Quadratmeter. Das ergibt in Summe etwa sechs Millionen Euro. Die jährlichen Kosten für Erhaltung und Pflege belaufen sich auf 250.000 Euro. Die positiven medizinischen Effekte von Heilgärten in Spitälern werden seit Mitte der 1990er-Jahre wissenschaftlich erforscht, vor allem in den USA. Im internationalen Vergleich leistet sich das Wiener KH Nord allerdings einen wahren Luxuspark. Das Smilow Cancer Hospital in New Haven im Bundesstaat Connecticut besitzt ebenfalls einen Healing Garden, der allerdings nur 300 Quadratmeter umfasst. Der Healing Garden im Kinderspital in Montreal hat eine Fläche von 1000 Quadratmetern bei 150 Betten. Umgelegt auf die 800 Betten im Krankenhaus Nord, ergäbe das einen Garten in der Größe von 5300 Quadratmetern, also neunmal kleiner. Selbst die Designerin des Parks des KH Nord, die renommierte US-Landschaftsarchitektin Martha Schwartz, wies in einem ORF-Interview darauf hin, dass ein Heilgarten „in so einem Umfang mit so vielen Möglichkeiten“ einzigartig sei.

Die Wiener ÖVP-Gesundheitssprecherin und Gemeinderätin Ingrid Korosec sieht den Heilgarten ebenfalls positiv, kritisiert allerdings dessen Größe: „Dachterrassen, Therapiegärten und Spazierwege helfen bei der Genesung der Patienten, aber hier wäre mehr Augenmaß gefordert gewesen.“ Korosecs Argumente: Die Mehrheit der Patienten verbringe jeden Tag nur einige Minuten im Freien. Auch die Krankenhausaufenthalte würden kürzer, ein Patient werde im Schnitt nach fünf Tagen bereits wieder entlassen. In einer Stellungnahme des KAV heißt es, der Heilgarten sei in dieser Größe „ein wesentlicher Bestandteil des Siegerprojekts im Architekturwettbewerb“ gewesen.

Fest steht: Ohne einen derart groß konzipierten Park wäre auch ein kleineres – und eventuell geeigneteres – Grundstück für das Spital möglich gewesen.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.