Liebe HebammInnen!

DIe LIst der Männer, Frauen mIttels eines BInnenbuchstabens Interesse an Ihnen vorzuschwIndeln, hat SInn und Sprache fast demolIert.

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Dieser Text erschien im profil Nr. 17 / 97 vom 21.4.1997

Von Reinhard Tramontana

Ehe ich auf Ihr weiß Gott berechtigtes Interesse am Da-Sein im allgemeinen Sprachschatz eingehe und ehe ich den befürchteten Vorwurf, mich nun doch als Macho demaskiert zu haben, in der Unfähigkeit, ihn zu widerlegen, übergehe, möchte ich versprechen, dass in diesem Text keine großen I mehr vorkommen, sofern sie unsere gemeinsame Muttersprache uns nicht vorschreibt.

Vorschreibt. Danke, setzen. Autoritär. Wer schreibt wem was vor? Muttersprache. Anzugeben auf jedem Fragebogen, der wie natürlich männlich sein muss. (Das dazugehörende Amt ist wenigstens vornehm neutral.) Gemeinsam. Wie gemeinsam ist eine Sprache noch, die für das anglikanische "you" einfach man schreibt? Und die für jede entsprechende Anrede die direkt in Geschlechter unterteilte erfunden hat, um sich für gewöhnlich mit dem gesellschaftlich Vorherrschenden zu begnügen und so statt der gemeinsamen zu einer gemeinen zu werden?

Aber hilft es den Bewerberinnen beim Jobsuchen was, wenn der neunte Buchstabe im Inserat groß geschrieben wird? Erfüllt die SPÖ ihre Frauenquote aus dem Jahre Schmäh, wenn sie nicht mehr nur Genossen zum Parteitag lädt? Ist die Anerkennung des wachen Geschlechts durch deren, nunmehr kokett verbrieften, Surrogat gestiegen?

Seitdem die zauberhafte Frau Doris Knecht in der Wiener Stadtzeitung "Falter" dies in differenzierten Zweifel zog, darf ich endlich mit meinem plumpen Vorurteil herausplatzen: Ich glaube, die diesbezügliche Verstümmelung des Schriftbilds nützt einen Tinnef. Sie ist, was sie von Anfang an sein wollte: suggestives, machtmäßig unentgeltliches Alibi.

Selbstverständlich hat der Rausch der Sinnlosigkeit etwas Verführerisches, verlockt er doch dazu, Antworten auf semantisch ewig rätselhafte Fragen zu finden. Die fangen schon im angeblich gnädigeren Jenseits an: warum gibt es zum Engel kein Äquivalent? Mag es auch noch hingehen, daß die Geister, die wir riefen, allesamt anlassige Mannsbilder sind - aber haben sich Frauen, die ein Gespenst vor sich sehen, kein geschlechtsspezifisches Feindbild verdient?

Von den unterdrückten männlichen Hebammen war schon die Schreibe, ihre Aufopferung wird auch reiferen Patienten gegenüber minder eingestuft, denn der sofort blutnahen Krankenschwester steht bloß ein anämischer Krankenpfleger entgegen. Auf Schritt und Tritt wird wiederum der Frau ein Haxel gestellt: denn sie kann (trotz Jeanne d'Ohnal) keine Gendarm(in? euse? ierre?) werden, sondern allenfalls Politesse (ihr männliches Pendant restauriert Kommoden), aber auf dem Amtsweg bewegt sie sich, und wenn dort Dutzende Frauen einkaufen, auch in Fußgänger-Zonen.

Warum waren Frauen zu zaghaft, um zu den hervorragenden Erscheinungsformen der zivilisierten Welt kein sprachliches Gegenstück zu ersinnen? Warum führt uns der Kapitän durch die Geschicke des Meers und der Butler durch die Gemächer (und wenn er mit Vornamen Rhett heißt, in eines)? Weshalb ergötzt uns der Troubadour, der allenfalls unter der Fuchtel des Maestro steht? Weshalb ist der schlechtweg edle Mensch der Ritter, das wirklich lebentreue Wesen der Hawara, der Schärfstsehende der Sozietät der Adler - und sogar das eitelste Schwein von da bis Nebraska der Narziss? Aus welchem Grund anderseits sind die Schreckenssymbole, die wir alle in unserem Herzen tragen, allesamt weiblich, ohne dass Frauen Feuer schreien? Die Schlange läßt sich seit ersten Menschengedenken nicht vermännlichen, die Nemesis ist und bleibt die wirkungsvollste Rachegöttin der Geschichte (obwohl Kali auch keine Hündin ist), die Erinnyen haben noch keinen testosteronischen Widerpart gefunden, und wer glaubt, ein dutzendfeiler männlicher Kotzbrocken sei das Übelste vom Sinistren, hat noch keine Megäre erlebt.

Auch versuchte Übersetzungen funktionieren nicht: ein weiblicher Chef ist kein DaKapo, eine ausgelieferte Bedienstete keine Kulisse. Wohl nimmt der Volksmund in vager Ahnung an, daß das Ungute vom Mann herrührt, und behängt ihn, dem Grad der Schufterei entsprechend, hallodrisch mit Spitzbub, halunkisch mit Filou, hämisch mit Schlurf - doch obgleich ihm verinnerlicht ist, daß das unbestreitbar Gute bloß feminin sein kann, wie es uns die Fee verheißt, ist sein abwertendes Alltagsstereotyp die Putzfrau, sein Götze hingegen der Star.

Männer stellen auch nie die Hänschenfrage: Wie hältst du's mit der Religion?, weil sie sprachlich dazu ermutigt werden, sich als einziges Geschlecht mit Innenleben zu wähnen; sie halten ein Mann - ein Wort für wahr, sich lebenslang für das Kind im Manne, schustern herum, werden Haushaltsvorstand, bis daß der männliche Lebensvermieter Gevatter Tod vorbeischaut.

All das sind vertraute Versatzstücke unserer üblichen Zuordnungen, und die werden auch mit noch mehr Innenansichten des Schriftbilds nicht verändert werden, selbst wenn, zufolge des Iden der Märzin, eine mondinsüchtige Gnomin einen Langusten verspeist.