Nahost-Konflikt

Mann hinter Demos: Die krude Welt eines linken Hamas-Relativierers

Wilhelm Langthaler, 54, technischer Angestellter, ist eine zentrale Figur hinter den Pro-Palästinenser-Demos in Österreich.

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Sie wurden mir als Ansprechperson für die Pro-Palästina-Demos in Wien genannt.
Wilhelm Langthaler
Ich bin ein Mitbegründer der Palästinenser Solidarität Österreich (PSÖ) und einer der Organisatoren unserer Demos. Ich setze mich seit 30 Jahren für ein freies Palästina ein.
Es herrscht große Empörung darüber, dass Sie ausgerechnet nach dem Massaker an Juden Demos gegen Israel veranstalten. Dort werden judenfeindliche Parolen gerufen.
Wilhelm Langthaler
Wir haben nichts gegen Juden. Wir kämpfen gegen die Kolonialgewalt Israel. Jetzt strebt der Völkermord an Palästinensern wieder einem Höhepunkt entgegen, deswegen demonstrieren wir noch mehr als sonst.
Auslöser der israelischen Angriffe auf den Gazastreifen war das Pogrom an jüdischen Zivilisten, verübt von der Terrororganisation Hamas.
Wilhelm Langthaler
Terroristen sind in erster Linie die israelische Armee. Aber ja, nicht jede Aktion des Widerstands ist moralisch gerechtfertigt. Der palästinensische Kampf gegen das Apartheidsregime Israel ist kein Mädchenpensionat. Der Ausbruchsversuch der Palästinenser aus dem Freiluftgefängnis Gaza kann mit dem Ausbruchsversuch der Juden aus dem Warschauer Ghetto verglichen werden. Hierbei verübten Juden aus Sicht der Nazis auch terroristische Akte.
Dieser Vergleich ist eine unfassbare Verharmlosung des NS-Terrors. Seit dem Nationalsozialismus wurden noch nie so viele Juden an einem Tag getötet wie durch die Terrorbande aus Gaza.
Wilhelm Langthaler
Ich finde umgekehrt, dass der Westen den Zionismus verharmlost. Es starben bisher im Nahost-Konflikt um ein Vielfaches mehr Palästinenser als Israelis. Die israelische Armee ist eine Terrororganisation, die vertreibt, ermordet, Lebensgrundlagen zerstört.
Die Handlungen der israelischen Armee stehen in historischem Zusammenhang mit dem Kampf um Israel. Vom ersten Tag an wollten die umliegenden arabischen Staaten Israel auslöschen – erklärtes Ziel von Hamas oder Iran. Mit diesen Islamisten machen Sie als Linker nun gemeinsame Sache. Das ist absurd.
Wilhelm Langthaler
So viele Jahre der Besatzung und Unterdrückung drücken sich auch in verhärteten politischen Zuständen aus. Der Islamismus der Hamas ist Folge der israelischen Besatzung.
Und was ist dann mit dem Islamismus der Ayatollahs im Iran?
Wilhelm Langthaler
Die iranische Revolution gegen den persischen Schah 1979 war eine Reaktion auf den US-Imperialismus.
Das scheint der Kern Ihrer Retro-Ideologie zu sein: Die USA und Israel sind an allen Fehlentwicklungen in der Welt schuld.
Wilhelm Langthaler
Das US-Imperium hat kein Interesse an Demokratie, Entwicklung, Selbstbestimmung in der Peripherie. Israel ist nur Speerspitze im Nahen Osten. Auch die EU macht brav mit. Ohne den Einfluss des US-kapitalistischen Weltsystems könnten sich in der arabischen Welt Demokratien durchsetzen.
Von Ihrer These ausgehend ist es nicht mehr weit zur „jüdischen Weltverschwörung“.
Wilhelm Langthaler
Nein. Ich spreche von der amerikanischen Vorherrschaft. Auch Juden sind Opfer dieser Vorherrschaft.
Juden sind Opfer von Islamisten, die Israel auslöschen wollen. Anerkennen Sie die Existenz des Staates Israel?
Wilhelm Langthaler
Ein Israel, das zum Apartheidsstaat wird, hätte nie gegründet werden dürfen. Wir wollen einen Staat für Juden und Palästinenser. Das ist gemeint mit „From the river to the sea“.
Ihre Trennung zwischen Juden und dem Staat Israel ist völlig künstlich. Israel war der „Safe Space“ für Juden nach dem Holocaust. Wie geht es Ihnen damit, dass sich Juden nun auch in Österreich nicht mehr sicher fühlen? Daran sind auch Ihre Demos schuld.
Wilhelm Langthaler
Die angebliche Gefährdung von Juden hierzulande ist Panikmache. Das kommt heraus, wenn man Kritik an Israel mit Antisemitismus gleichsetzt. Von unseren Demos geht keinerlei Gefahr aus.
Daran habe ich angesichts der Slogans, die dort von arabischstämmigen Menschen skandiert wurden, meine Zweifel. Man hört dort „Schwert gegen Schwert“ und „Träger der Kalaschnikow“. Instrumentalisieren Sie diese Migranten?
Wilhelm Langthaler
Wir machen ihnen ein Angebot, ihren Frust demokratisch auszudrücken, den sie durch die israelische Besatzung erlebt haben. Auch Juden sind bei unseren Demos willkommen.
Die nächste Verharmlosung: Diesmal bagatellisieren Sie die Angst, die Juden dieser Tage empfinden.
Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.