Missbrauchsbericht rund um Stift: "Belege konnten nicht erhoben werden“

Ein Jahr dauerte es, bis eine vom Stift Klosterneuburg bestellte „externe, unabhängige und weisungsfreie“ Expertenkommission ihren Bericht vorlegte.

Drucken

Schriftgröße

Wer sich Klarheit darüber erhoffte, warum ein Augustiner-Chorherr sich 1993 im Stift Klosterneuburg an einem minderjährigen Messdiener vergehen und danach in der Kirche weiter seinen Weg machen konnte, wird jedoch bitter enttäuscht. profil hatte den Fall im September 2017 öffentlich gemacht. Der ehemalige Augustiner-Chorherr hatte nach dem Vorfall noch jahrelang in einer Wohnung des Stiftes gewohnt, sein Studium beendet, wurde in Rumänien zum Priester geweiht, bekam in Deutschland eine Pfarre und missbrauchte dort erneut einen Burschen, der damals elf war.

Der Bericht bleibt an wesentlichen Stellen vage. Wohl habe es „strukturelle Schwächen“ gegeben, die den „gegenständlichen Anlassfall begünstigt haben könnten“, doch sei die Verantwortung dafür, dass ein Täter unterschlüpfen konnte, an niemandem festzumachen. Auch der heutige Propst des Stiftes Klosterneuburg, Bernhard Backovsky, der vor 25 Jahren als Novizenmeister für den Nachwuchs – und auch für den 1987 ins Kloster eingetretenen übergriffigen Mitbruder – zuständig war, wird mit dem 14-seitigen Papier gut leben können. „Beweise für bewusstes und zielgerichtetes Fehlverhalten des Stiftes oder einzelner seiner Verantwortungsträger“ fand die Kommission nämlich nicht. Bei der Aufnahme des deutschen Novizen, über den profil unter dem Kürzel M. berichtete, habe man 1987 dem „damals gültigen Standard-Prozess“ entsprochen. Das Eingeständnis, dass dazu offenbar auch gehörte, Opfer zum Schweigen zu bringen, Täter zu schützen und Aufklärung zu verhindern, findet sich erst an unverfänglicher Stelle, wo es um eine historische Rückschau auf das kirchliche Versagen im Umgang mit Missbrauch in den eigenen Reihen geht.

Keine zufriedenstellende Klärung

Auch die Umstände von M.s Priesterweihe werden nicht zufriedenstellend geklärt. „Eine Involvierung des Stifts“ konnte „anhand der vorliegenden Informationen nicht verifiziert werden“, heißt es. Laut Recherchen von profil und der deutschen „Initiative gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen“ soll sich Backovsky schriftlich für M. eingesetzt haben, und zwar bei einem Pfarrer in Deutschland, der dies profil gegenüber bestätigte und auch bereit war, seine Aussage vor Gericht zu bezeugen. Den Brief selbst hatte der Pfarrer aber nicht aufgehoben, was im Bericht zur Feststellung führt: „Belege hierfür konnten nicht erhoben werden.“ Backovsky hatte auf profil-Anfrage und in späteren Stellungnahmen stets bestritten, M. nach seiner Entlassung aus dem Orden 1994 weiter unterstützt zu haben.

Der Kapitelrat der Augustiner-Chorherren segnete vergangenen Donnerstag mit dem Bericht ein Maßnahmenpaket ab, das Übergriffe künftig verhindern soll: So sollen etwa die Aufnahme und Entwicklung von Novizen neu aufgestellt sowie ein Präventionsbeautragter benannt werden.

Zusammenfassend räumt die Kommission ein, das Stift habe keinen „adäquaten Umgang“ mit Missbrauchsvorwürfen gefunden. Konsequenzen für die Zukunft werden aber auf Grundlage einer vermeintlich umfassenden Aufklärung gezogen, die in Wahrheit nicht gelingt. Laut dem Bericht fehlen dafür Unterlagen und Zeugen – somit könne „nicht ausgeschlossen werden, dass für den Sachverhalt zentrale Dokumente oder Informationen nicht mehr vorliegen“. Nach der Lektüre bleibt ein schales Gefühl.

Edith   Meinhart

Edith Meinhart

ist seit 1998 in der profil Innenpolitik. Schreibt über soziale Bewegungen, Migration, Bildung, Menschenrechte und sonst auch noch einiges