profil-Morgenpost: Auf ein Fluchtachterl am Verabreichungsplatz

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Rosemarie Schwaiger

Ziemlich viele Menschen finden es ganz in Ordnung, dass alle Macht derzeit beim Staat liegt und die Wirtschaft wenig zu melden hat. Lange wurde das Primat der Politik eingefordert, jetzt ist es realisiert – und zwar in einem Ausmaß, von dem selbst das Führungspersonal längst untergegangener Planwirtschaften nur träumen konnte. Unternehmerische Freiheit beschränkt sich in Österreich aktuell häufig darauf, die Obrigkeit um Bargeld und/oder Garantien für Überbrückungskredite anschnorren zu müssen, damit das laufende Geschäftsjahr nicht vor der Zeit im Konkurs endet.

Immerhin sind die Herrscher gnädig und lassen mit sich feilschen. Das Hilfspaket für die Gastronomie etwa wurde von Sonntag auf Montag dieser Woche kurzerhand um hundert Millionen Euro nachgebessert. „Die Gastronomie ist Teil der österreichischen Seele, der österreichischen Identität, sie macht unser Land aus“, erklärte der Bundeskanzler.

Man muss es Sebastian Kurz hoch anrechnen, dass er in seinem Beitrag auf das Wort „Gemütlichkeit“ verzichtete. Sonderlich lauschig wird es im Stammbeisl ab Freitag nämlich nicht zugehen. Unter Punkt 8 der Covid-19-Lockerungsverordnung heißt es etwa: „Vom erstmaligen Betreten der Betriebsstätte bis zum Einfinden am Verabreichungsplatz hat der Kunde gegenüber anderen Personen, die nicht zu seiner Besuchergruppe gehören, einen Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten und in geschlossenen Räumen eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen.“ Am besten wird sein, wir konsumieren das Fluchtachterl gleich zu Beginn des Abends. Dann sind wir am Verabreichungsplatz nicht so lange im Weg.

Gesetzestexte waren auch vor Corona keine literarischen Meisterwerke. Aber es fällt doch auf, wie schnell die Ministerialbürokratie auf realsozialistisch anmutende Formulierkunst umgestellt hat. Die staatliche Lenkung der Wirtschaft bringt das offenbar unweigerlich mit sich. Zum umfassenden DDR-Feeling fehlt eigentlich bloß noch ein Hinweis auf die richtige Handhabung der Sättigungsbeilagen.

Georg Kapsch, Unternehmer und Präsident der Industriellenvereinigung, beobachtet die Situation mit anhaltendem Missvergnügen: Vom Lockdown werde sich die heimische Wirtschaft jahrelang nicht erholen, sagt er im Interview mit Michael Nikbakhsh. „Zu glauben, dass sich die Arbeitslosigkeit von einem Tag auf den anderen auflösen wird, ist ein schwerer Irrtum.“ Kapsch hat die Anti-Virus-Strategie der Bundesregierung mehrfach kritisiert, und er bleibt dabei: Die Maßnahmen seien so nicht notwendig gewesen. „Für mich persönlich ist es auch eine schlimme Erkenntnis, dass man Menschen in kurzer Zeit von Dingen überzeugen kann, die aus meiner Sicht jeder Faktenbasis entbehren. Dass Menschen heute mit Maske im Auto fahren, allein darin sitzend, das spricht doch Bände.“

Ebenfalls ans Herz legen möchte ich Ihnen mein Interview mit Franz Allerberger, Leiter des Bereichs Öffentliche Gesundheit bei der AGES und Mitglied im Beraterstab des Gesundheitsministeriums. „Dieses Virus ist nicht so ansteckend, wie manche annehmen“, sagt Allerberger. Im Freien bestehe etwa kaum ein Infektionsrisiko. Auch die Schließung der Schulen war für den Experten wissenschaftlich nicht alternativlos: „Von den Ausbrüchen, die wir dokumentiert haben, geht kein einziger auf ein Kind zurück.“

Ein schöne Woche wünscht

Rosemarie Schwaiger

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Rosemarie Schwaiger