Abgesandelt

Abgesandelt: Michael Spindelegger wird keine zweite Chance bekommen

ÖVP. Michael Spindelegger wird keine zweite Chance bekommen

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Dass das Worst-Case-Szenario nicht Realität würde, wusste ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch schon kurz nach Mittag. Zwar zeigten die ersten Ergebnisse burgenländischer Kleingemeinden massive Zugewinne der FPÖ, doch die schwarzen Statistikprofis gaben Entwarnung. Der blaue Schwung würde nicht ausreichen, um die ÖVP am Ende des Wahltages vom zweiten Platz zu verdrängen.

Der erste kleine Erfolg war damit verbucht. Den zweiten brachte das Ergebnis: 23,8 Prozent bedeuten zwar den schlechtesten Wert der Geschichte. Doch angesichts mancher Umfragen, welche die ÖVP nur knapp über 20 Prozent sahen, kam man aus schwarzer Lesart mit einem blauen Auge davon. Ein Abgeordneter: „Das ist ein Ergebnis, das man gut überschminken kann.“

Ehrgeiz auf den Chefsessel
Entscheidend für die Zukunft von Parteichef Michael Spindelegger war von Beginn an nicht das nackte Endergebnis, sondern der Abstand zur SPÖ. Mit 3,3 Prozentpunkten konnte der ÖVP-Spitzenkandidat die Distanz zum Koalitionspartner aus dem Jahr 2008 zumindest halten.
Sonntag Nachmittag empfing Spindelegger seine Minister und Bündechefs im Außenministerium. In den Stunden zuvor hatten sich diese mit den ÖVP-Landesobmännern telefonisch darauf verständigt, dass der Bundesparteiobmann unantastbar sei. Wirtschaftsbund-Chef Christoph Leitl: „Michael Spindelegger war der richtige Spitzenkandidat. Wir haben dieses Ergebnis gemeinsam zu verantworten.“

Seniorenbund-Präsident Andreas Khol sprach seinerseits Klartext: „Es gibt überhaupt keinen Anlass für eine Obmanndiskussion.“ Zusatz: „Auch wenn manche vor Ehrgeiz auf den Chefsessel geradezu zerfressen sind.“
Noch jeder Bundesparteiobmann der ÖVP durfte eine Wahl verlieren. Fest steht schon jetzt: Der Spitzenkandidat der Wahl 2018 wird wohl nicht Michael Spindel­egger heißen.

Mittelfristige Nachfolgekandidaten sind jene, die schon 2011 beim gesundheitsbedingten Abgang von Josef Pröll bereitstanden – allen voran der 57-jährige Reinhold Mitterlehner. Aufgrund seines stark ausgeprägten Individualismus hat der Wirtschaftsminister in der ÖVP freilich nicht nur Freunde. Die zweite Personalreserve des Wirtschaftsbunds, Finanzministerin Maria Fekter (57), wäre aufgrund ihres reschen Wesens an der Basis wohl beliebter als im Parteivorstand. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, 49, wird an der schwarzen Machtlogik scheitern. Nach Spindelegger erneut einen aus Niederösterreich stammenden ÖAAB-Vorsitzenden zum Bundesparteichef zu küren, wäre vor allem für den oberösterreichisch dominierten Wirtschaftsbund eine Zumutung. Der 27-jährige Sebastian Kurz ist noch zu jung – und zu clever, sich in naher Zukunft verheizen zu lassen. Ein möglicher Kompromisskandidat wäre wohl EU-Kommissar Johannes Hahn.

Vorerst wird Spindelegger seine Partei wieder in eine Große Koalition führen. In der ÖVP gilt es als nahezu ausgemacht, dass der ÖVP-Obmann das Finanzministerium übernehmen wird. Maria Fekter könnte Justizministerin oder Zweite Nationalratspräsidentin werden.
Nahezu fix dürfte auch der Abgang von Generalsekretär Hannes Rauch sein. Dass der Tiroler nach der Wahl wieder ins Heilige Land zurückkehrt, stand allerdings schon lange vor dem 29. September fest. Als mögliche Nachfolgerin wird Michaela Steinacker kolportiert, ehemals Vorstandsdirektorin der Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien und Nummer zwei auf der schwarzen Kandidatenliste. Ihr Vorteil: Newcomerin, die unverbraucht ist. Ihr Nachteil: Newcomerin, die die Parteistrukturen kaum kennt.

Michael Spindelegger bedankte sich am Wahlabend artig bei seinen – verbliebenen – Wählern. Der zum Slogan erhobene Kanzlerwechsel findet nicht statt, ein Obmannwechsel vorerst ebenso wenig. Dass man zuletzt kühn Zweckoptimismus verbreitete, gibt ein Spitzenschwarzer unumwunden zu: „Natürlich haben wir seit über zwei Wochen gewusst, dass wir nicht Erster werden.“

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.