Österreich

ÖVP-U-Ausschuss: Unterstellungen und Klarstellungen

Gab es politische Einflussnahme auf die Ermittlungen im Ibiza-Verfahren? Justizministerin Alma Zadić vermag dies im U-Ausschuss nicht zu beantworten. Warum nicht?

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Mittwoch ist der Tag der Vergeltung im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss. Die Volkspartei nimmt Revanche für empfundenes Unrecht – nicht an der Opposition, sondern am eigenen Koalitionspartner. Denn die Grünen schonen die ÖVP-Regierungsmitglieder bei deren Zeugenaussagen nicht. Also sieht auch die Volkspartei keinen Grund für koalitionäre Rücksichtnahme. Alma Zadić bekommt das zu spüren.

Die Justizministerin ist geladen, um zu einer zentralen Thematik im U-Ausschuss auszusagen: Gab es politische Einflussnahme auf die Ermittlungen im Ibiza-Komplex oder zumindest Versuche dazu? Gestellt wurde die Frage gleich zu Beginn der Sitzung vom ÖVP-Abgeordneten Christian Stocker. Was bemerkenswert ist: Denn der Vorwurf der Einflussnahme richtet sich gegen die ÖVP. Sie soll versucht haben, bei den Ermittlungen gegen türkise Spitzenpolitiker Druck auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ausgeübt zu haben, und zwar über ihr nahestehendes Führungspersonal in der Justiz, wie den suspendierten Sektionschef Christian Pilnacek und den nun ebenfalls vor der einstweiligen Suspendierung stehenden Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Johann Fuchs. Mehrfach beschwerte sich die WKStA öffentlich, von Pilnacek und Fuchs gemobbt, verfolgt und in ihrer Arbeit behindert zu werden.

Einschätzung oder Wahrnehmung?

Die ÖVP bestreitet diese Einflussnahme – und ist sich ihrer Sache recht sicher. Sonst würde der Abgeordnete Stocker sich eher nicht danach erkundigen, ob die Justizministerin diesbezüglich „Wahrnehmungen“ habe. Alma Zadić zögert. Und antwortet dann, diese Frage müsse vom U-Ausschuss geklärt werden, dem das Justizministerium dazu sämtliche Unterlagen übermittelt habe. Allerdings landen politische Interventionen eher selten in einem offiziellen Akt.

Die Regeln des U-Ausschusses sehen vor, das Auskunftspersonen zur Auskunft verpflichtet sind – worauf der Abgeordnete Stocker Zadić auch forsch hinweist. Verfahrensrichterin Christa Edwards springt bei. Stocker habe eine „Einschätzungsfrage“ und keine „Wahrnehmungsfrage“ gestellt. Der Unterschied besteht darin, dass Zadić erstere nicht beantwortet muss. Vereinfacht dargestellt: Meinungen werden im U-Ausschuss von Auskunftspersonen nicht verlangt, Beobachtungen schon.

Hinweise oder Gerede?

Stocker formuliert seine Frage neu, so dass sie aus Sicht der Verfahrensrichterin zulässig ist, von Zadić aber trotzdem nicht beantwortet wird. Nach ruppigem Hin und Her gibt Stocker auf: „Ich halte fest, dass die Frau Justizministerin keine Wahrnehmungen zu politischen Einflussnahmen auf die Staatsanwaltschaft hat.“ Was so nicht ganz präzise ist. Sie hat sich bloß nicht dazu geäußert und reagiert entsprechend gereizt: „Ich bitte Sie, diese Unterstellung zurückzunehmen und das klarzustellen.“ Stockers Résumé: Es gebe keine Hinweise auf politische Einflussnahmen, bloß Gerede darüber.

Zadić befindet sich im U-Ausschuss in einer schwierigen Situation. Verneint sie Stockers Frage nach Wahrnehmungen zu politischen Beeinflussungen, ist sie im selben Moment Hauptentlastungszeugin für die Volkspartei und fällt der WKStA in den Rücken. Bejaht sie, muss sie sich konkret dazu äußern. Und hier wird es kniffelig. Dass innerhalb der Justiz Druck auf die WKStA ausgeübt wurde, ist evident; dass dieser Druck unmittelbar und systematisch von ÖVP-Vertretern initiiert wurde, muss noch konkret belegt werden. Zumindest das gestörte Verhältnis der ÖVP zur WKStA ist erwiesen. Ex-Kanzler Sebastian Kurz vermutet dort noch heute „rote Netzwerke“.

Alma Zadić fand am Ende im U-Ausschuss dann doch noch eine Teil-Antwort zur Frage nach politischen Interventionen: „Bei mir hat keiner versucht, die Verfahren zu beeinflussen, mehr kann ich dazu nicht sagen.“

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.