Personal Branding: Politiker zwischen Selbstvermarktung und Selbstverarschung

Personal Branding: Selbstvermarktung oder Selbstverarschung?

Grasser war "KHG", Strache wurde "HC Man", und Mitterlehner ist Django. Selbstvermarktung oder Selbstverarschung? Gernot Bauer über Personal Branding in der österreichischen Politik.

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Am 21. Juni 1978 schoss Hans Krankl in einer argentinischen Provinzhauptstadt in der 88. Minute das Siegestor zum 3: 2 über Deutschland. Sein Image als "Held von Córdoba" versilbert er nun schon seit 37 Jahren - aktuell in einem Werbespot für einen Pay-TV-Sender. Wie Selbstvermarktung funktioniert, weiß Krankl also genau. Beim FC Barcelona ließ er sich von seinen katalanischen Fans "Goleador" nennen. Als Sänger nannte er sich "Johann K.". Der Musiker Krankl (Erfolgstitel: "Lonely Boy") war erfolgreicher als der Fußballtrainer Krankl (kein Titel). Er weiß es auch: "Mit meinen Leistungen als Trainer bin ich nicht zufrieden. Was ich bisher erreicht habe, ist zu wenig."

Das sagte Krankl im Oktober 2007 als Stargast des "Sport & Business Circle" der österreichischen Sporthilfe im Hotel Vienna Marriott. Das Thema des Abends lautete "Personal Branding. Die persönliche Marke in Sport, Politik und Wirtschaft". Als Vertreter der Wirtschaft war der Werber Rudi Kobza anwesend, als Vertreterin der Politik die frühere Pressesprecherin von Wolfgang Schüssel, der seinerzeit keine pflegeleichte Marke war. Und als Schnittstellenvertreter von Wirtschaft und Politik saß der Generalsekretär der Wirtschaftskammer auf dem Podium: Reinhold Mitterlehner. Über den wichtigsten Aspekt von Personal Branding herrschte unter den Diskutanten Einigkeit: "Authentizität". Der "Held von Córdoba" formulierte es so: "Ich habe nie versucht, zu einer Marke zu werden. Ich bin, wie ich bin."

"Django" besser als "Zwirn" oder "Burli"

Der Mühlviertler Reinhold Mitterlehner ist Django - privat, seit er sich diesen Couleurnamen in seiner aktiven Zeit in der katholischen Cartellverbindung "Austro-Danubia Linz" zulegte; öffentlich, seit ihn "ZiB 2"-Moderator Armin Wolf im Interview danach fragte. Es war der 28. August 2014, Mitterlehner stand vor der ÖVP-Parteizentrale und war mit seiner Leistung zufrieden: Eine halbe Stunde zuvor hatte ihn der Parteivorstand der ÖVP zum neuen Obmann designiert. In einem "Krone"-Interview erläuterte Mitterlehner später, warum er sich gerade diesen Spitznamen gab: "Der ist einfach witzig und hat mir besser gefallen als ,Zwirn' oder ,Burli'." Retrospektiv war es eine gute Wahl.

Das Nestroysche "Zwirn" wäre wohl noch vermarktbar gewesen, aber "Burlis" finden sich in der "Krone" in der Tierecke, nicht im Politikteil. "Django" zog. Beim Parteitag im November 2014 erhielt Mitterlehner ein paar Cowboystiefel. ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel verglich den "Django-Effekt" für seine Partei mit dem "Franziskus-Effekt" in der Kirche - was in der ÖVP früherer Jahre als Gotteslästerung gegolten hätte. Ihren Höhepunkt erreichte die Django-Mania schließlich vor drei Wochen, als die Volkspartei zur Vorführung des Quentin-Tarantino-Films "Django Unchained" in ein Wiener Kino lud. Besucher konnten sich mit einem lebensgroßen Pappkameraden-Mitterlehner im Cowboy-Look fotografieren lassen. Der Hauptdarsteller des Abends erschien in seinen neuen Cowoboystiefeln.

Der Jurist Mitterlehner begann seine Karriere als Marketingchef der oberösterreichischen Wirtschaftskammer. In der Bundeswirtschaftskammer verantwortete er ebenfalls den Marketingbereich. Als Wirtschaftsminister ließ er ausländische Experten ein Konzept zur Marke Österreich erstellen - man nennt das "Nation Branding".

Schießwütiger Rächer mit Neigung zum Notwehrexzess

In der Vermarktung im Allgemeinen und im Personal Branding im Speziellen dürfte sich Mitterlehner also mindestens so gut auskennen wie Hans Krankl. "Held von Helfenberg" würde nicht funktionieren, "Django" schon. Das Brand Management ist allerdings heikel, schließlich handelt es sich bei Django um einen schießwütigen Rächer mit Neigung zum Notwehrexzess - im Spaghetti-Western-Original aus dem Jahr 1966 ebenso wie in Tarantinos Interpretation. "Django Unchained" verfüge "über einen charismatischen schwarzen Titelhelden" (Blümels Django-Effekt!), aus dessen "Gemetzeln" freilich "wenig Erkenntnis zu gewinnen" sei, schrieb profil-Kulturchef Stefan Grissemann in einer Filmkritik 2013. Die Mitterlehner-Fans hatten trotzdem einen lustigen Kinoabend.

Starke Marken werden schwach, wenn man sie überreizt. Und ein Revolverheld schießt nicht nur, sondern gibt auch ein dankbares Ziel ab: "Django, spiel mir das Lied vom Wirtetod" (Plakat bei der Gastronomen-Demo gegen die Steuerreform);"Django-Mentalität in Menschenrechtsfragen" (SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos über die ÖVP-Linie zum umstrittenen Abdullah-Zentrum); "Django hat wirtschaftspolitisch permanente Ladehemmung" (FPÖ);"Django schießt in Wahrheit nur mit Platzpatronen" (abermals FPÖ). Marketingexperten würden die ÖVP wohl vor der Gefahr eines unerwünschten Markentransfers warnen. Das Django-Branding verselbständigt sich und erfasst im ungünstigsten Fall Mitterlehners Politikertätigkeit in toto.

Karl-Heinz Grassers Ego-Marketing war dagegen geplant ganzheitlich angelegt. Sein Chef sei "ein hervorragendes Produkt, das man gut verkaufen kann", sagte einmal der Pressesprecher des früheren Finanzministers. Grasser wurde zur Marke KHG verdichtet und trug seine Initialen als Anstecknadel am Sakko-Revers. Gebrandet als Politiker neuen Typs, schaffte er es regelmäßig in deutsche Talk-Shows. Nach diversen Affären ist die KHG-Marke mittlerweile verschlissen. Da hilft kein Reputationsmanagement in eigener Sache, nicht einmal das Verlesen von Fanpost ("Sie sind für diese abscheuliche Neidgesellschaft zu jung Finanzminister gewesen. Sie sind zu intelligent, zu schön,... ") im ORF.

Aus Heinz-Christian wurde HC

In seiner übertriebensten Form schlägt Personal Branding in Personenkult um, früher beobachtbar an KHGs erstem politischen Ziehvater. Jörg Haider war "der Jörg","der Eisbrecher","Robin Hood". Sein einziger verbliebener Erbe entwickelte das blaue Konzept der Selbstvermarktung weiter. Praktischerweise hat auch er einen Doppelnamen: Aus Heinz-Christian wurde HC Strache. Sogar ein Großteil der Medien übernahm das Branding dankbar.

Nach Einführung und Positionierung der Marke folgte lehrbuchgemäß deren Erweiterung: Seit 2008 gibt es Strache auch als Comic-Held. In seinen Abenteuern rettet "HC Man" als "Retter in Blau" Österreich vor der EU und Wien vor einem türkischen Feldherrn, der "ÜX-Large Münarette müt Hülbmünd" für den Stephansdom plant.

Erwin Pröll war schon ein Superheld, als Strache noch Heinz-Christian war. 1998 ließ sich der niederösterreichische Landeshauptmann als "Man in Black" mit dunkler Sonnenbrille inszenieren. Später erhielten Jungwähler sogar eigens gefertigte Erwin-"Lowlander"-Actionfiguren. Da hätte sogar Haider noch etwas lernen können.

Häupl: "Der Fiaker ist Teil von mir"

Prölls best Buddy in Wien betrieb nie aktiv Personal Branding. Als ihm ein Image verpasst wurde, wehrte sich Michael Häupl aber auch nicht. Bereits vor fast 20 Jahren zeichnete der Karikaturist Erich Sokol den Wiener Bürgermeister als Fiaker. Vor 15 Jahren meinte Häupl dazu: "Der Fiaker ist Teil von mir." Dem Krankl'schen Authentizitätsgebot entsprach er im Lauf der Jahre immer mehr. Im Sommer 2014 antwortete Häupl im profil-Interview auf die Frage, ob man als Wiener Bürgermeister "den Fiaker mimen" und "sich dümmer stellen" müsse, als man sei: "Eine verhängnisvolle Frage. Wenn ich mit Ja antworte, ist es fürchterlich arrogant. Und wenn ich mit Nein antworte, ist es eine Lüge. Also sage ich lieber nichts mehr."

Man kann davon ausgehen, dass Häupl die Reduktion auf den Wiener Fiaker schmerzt - und dass sie ihm auch nicht gerecht wird. Reinhold Mitterlehner, nicht ganz so lange im Amt wie der Wiener Bürgermeister, genießt noch die Phase des Kokettierens: "Das Django-Image" sei "für die Kommunikation mit den Menschen fast genial", denn es mache die Kontaktaufnahme zur Bevölkerung wesentlich leichter.

Und wahrscheinlich können sich die österreichischen Wähler einen "Django" auch prinzipiell im Kanzleramt vorstellen. Einen "Burli" oder "Zwirn" eher nicht. Aber immerhin: Zum Landwirtschaftsminister kann man es, wie Nikolaus Berlakovich zeigte, sogar mit einem besonders putzigen Couleurnamen bringen: "Bärli".

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.